Öffentliche Auftraggeber können festlegen, dass im Losvergabeverfahren der Bieter mit dem zweitgünstigsten Angebot den Zuschlag für ein kleineres Los erhält, sofern er die Leistungen zu dem gleichen Preis erbringt wie der Bieter mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot, der den Zuschlag für ein anderes, größeres Los erhielt. Dies entschied der EuGH in seinem Urteil vom 13.06.2024 (C-737/22 – BibMedia) mit Verweis auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz.
Dem Ausgangsverfahren lag die Ausschreibung der zentralen Beschaffungsstelle Dänemarks über die Lieferung von Bibliotheksmaterialien als Rahmenvereinbarung in acht Losen im offenen Verfahren zugrunde. Dabei wurden in Los 1 („Ostdänemark“) und 2 („Westdänemark“) jeweils Bücher und Notenblätter beschafft; bei Abgabe eines Angebots für Los 1 oder 2 wurde automatisch auch ein Angebot für das andere Los abgegeben. Der preisgünstigere Bieter im Los 2 sollte den Zuschlag erhalten, während der Zweitplatzierte den Zuschlag im (kleineren) Los 1 nur zum Preisangebot des Bestbieters (im Los 2) erhalten sollte.
Der EuGH betont den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz für fairen Wettbewerb und zur Verhinderung willkürlicher Entscheidungen. Die Vergabekriterien müssten klar, präzise und eindeutig in der Ausschreibung definiert sein. Da der niedrigste Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, liege hier weder eine unzulässige Verhandlung noch eine Angebotsänderung vor: Die vor Ablauf der Angebotsfrist eingereichten Preise würden verbindlich die Rangfolge bestimmen, wobei der Bieter mit dem niedrigsten Preis an erster Stelle stehe – die Platzierung und den Bestpreis könne er nicht beeinflussen. Der Erhalt des zweiten Loses hinge allein von der Platzierung ab. Es liege in der Entscheidung des Zweitplatzierten, den Preis des Bestbieters zu akzeptieren. Vorzugswürdig sei das Rangfolgenmodell für nach der Menge aufgeteilte Teillose.
Demnach ist es möglich, von den Bietern ein einheitliches Preisangebot für mehrere Lose einzuholen, während aber die Vergabe an einen Bieter auf ein Los beschränkt bleibt, wobei der Bieter mit der schlechteren Platzierung das andere Los zum Bestpreis erhalten kann. Bei dem Rangfolgenmodell handelt es sich weder um einen Fall der Loskombination – dieser Fall liegt nur dann vor, wenn ein einzelner Bieter den Zuschlag für beide Lose erhalten soll, § 30 Abs. 3 VgV – noch lässt es sich unter § 15 Abs. 5 S. 2 VgV fassen. Trotz des Verbotes der Änderung von eingereichten Angeboten im offenen und nichtoffenen Verfahren nimmt der EuGH nun an, dass eine abändernde Annahme zwar keine Änderung der Reihenfolge der Bieter bewirkt, das ursprüngliche Preisangebot nach Ablauf der Angebotsfrist aber vergaberechtskonform zum besten Preis akzeptiert werden kann. Der EuGH bezieht dieses Verbot der Verhandlung und Änderung damit lediglich auf die Rangfolge, die auf Grundlage der Angebote festgelegt wird, wodurch mehr Spielraum bei der Losvergabe ermöglicht wird. Eine Anwendung des Rangfolgenmodells über Teillose hinaus, bei denen der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, könnte sich jedoch insbesondere bei Fachlosen als problematisch erweisen.
Verfasserin:
Akeesha Sarpei
Referendarin
Sarah Beard
Rechtsanwältin
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