Die Erschließung des Baugrundstücks – Abwehrrechte des Nachbarn

Das VG Würzburg hat mit Beschluss vom 10.05.2021 (Az. W 5 S 21.463) den Antrag eines Grundstückseigentümers abgelehnt, der sich gegen die Erweiterung eines benachbarten bestehenden Wohnhauses um zwei zusätzliche Wohneinheiten wehrte.

Der Fall

Die Entscheidung betrifft eine im Baurecht häufig anzutreffende Konstellation: Das Baugrundstück ist über einen Privatweg mit der öffentlichen Straße verbunden. Dieser Weg befindet sich im teilweisen Eigentum des Nachbarn, zugunsten des Baugrundstückes ist jedoch eine Grunddienstbarkeit (Wegeerrichtungs-, Begehungs- und Fahrtrecht) in das Grundbuch eingetragen.

Die Bauaufsichtsbehörde genehmigte das Bauvorhaben trotz von dem Nachbarn im Verwaltungsverfahren geäußerter Bedenken an der wegerechtlichen Erschließung. Der Nachbar beantragte daraufhin Eilrechtsschutz bei dem VG Würzburg.

Die Entscheidung

Das VG Würzburg hat den Eilantrag abgelehnt. Streitig sei zwischen den Beteiligten allein die Frage der ordnungsgemäßen Erschließung im bauplanungsrechtlichen Sinne. Diese liege ausschließlich im öffentlichen Interesse und diene damit grundsätzlich nicht dem Schutz des Nachbarn.

Ein Abwehranspruch gegen eine rechtswidrig erteilte Baugenehmigung stehe dem Nachbarn zum Schutz seines Eigentums nur in dem Ausnahmefall zu, dass ihm durch die behördliche Entscheidung Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Inanspruchnahme nach dem Notwegerecht, § 917 BGB, verwehrt werden würden. Kann der Nachbar in einem zivilrechtlichen Folgeprozess aufgrund einer bestandskräftigen Baugenehmigung nicht mehr geltend machen, die geplante Nutzung widerspräche öffentlich-rechtlichen Vorschriften und halte sich schon daher nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nutzung i. S. d. § 917 BGB, liege in dieser Präklusionswirkung ein unmittelbarer öffentlich-rechtlicher Eingriff in das gemäß Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum des Nachbarn, gegen den sich dieser im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Wehr setzen könne. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor, da der Antragsteller bereits aufgrund des zulasten seiner Grundstücke im Grundbuch eingetragenen und zugunsten des herrschenden Baugrundstückes wirkenden Wegeerrichtungs-, Begehungs- und Fahrtrechts dazu verpflichtet sei, die Zu- und Abfahrt zum Baugrundstück in dem Umfang zu dulden, der durch die geplante Bebauung hervorgerufen werde.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt den Grundsatz, dass die Sicherung der Erschließung im Planungsrecht ein öffentlicher Belang ist, der keinen Nachbarschutz vermittelt. Das Gericht hat mit der vorliegenden Entscheidung einen Ausnahmefall anerkannt.

Neben der in der vorliegenden Entscheidung thematisierten bauplanungsrechtlichen Erschließung kann zum einen die bauordnungsrechtliche Erschließung zu Problemen führen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen allein eine (privatrechtliche) Grunddienstbarkeit ein Recht zur Überfahrung eines fremden Grundstücks einräumt. Da in vielen Bauordnungen der Länder jedoch auch die öffentlich-rechtlich gesicherte Zuwegung mittels Baulast gefordert wird, ergeben sich gegenüber der bauplanungsrechtlichen Erschließung – für die grundsätzlich auch die Sicherung mittels Grunddienstbarkeit ausreichend sein kann – gesteigerte Anforderungen. Aus der hier vorliegenden Entscheidung des VG Würzburg ergibt sich eine weitere – zivilrechtliche – Dimension. Insofern kommt es regelmäßig maßgeblich darauf an, wie Grunddienstbarkeiten im Einzelnen bewilligt worden sind und die Situation vor Ort ist.

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