Die sich gegen eine Planung richtende klagende Gemeinde kann sich regelmäßig nicht auf ihre gemeindliche Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) berufen. Auch unter Berufung auf eine Eigentumsbetroffenheit vermittelt das Tatbestandsmerkmal der Prognoseentscheidung (§ 44c Abs. 1 Nr. 1 EnWG) keinen Drittschutz.
Die sich gegen eine Planung richtende klagende Gemeinde kann sich regelmäßig nicht auf ihre gemeindliche Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) berufen. Auch unter Berufung auf eine Eigentumsbetroffenheit vermittelt das Tatbestandsmerkmal der Prognoseentscheidung (§ 44c Abs. 1 Nr. 1 EnWG) keinen Drittschutz.
Der Fall
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 10.02.2023 (Az:4 VR 1/23, 4 A 1/23) über den Eilrechtsschutz einer Gemeinde gegen die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c und des vorzeitigen Beginns nach § 17 WHG entschieden. Die Beigeladene (Vorhabenträgerin) beantragte im Juni 2020 beim Antragsgegner (Planfeststellungsbehörde) die Planfeststellung über die Errichtung und den Betrieb der sog. Ostküstenleitung, 1. Abschnitt, vom Kreis Segeberg bis Lübeck. Das Vorhaben besteht im Wesentlichen aus der Errichtung und dem Betrieb einer neuen 380-kV-Höchstspannungsleitung zwischen einem neu zu errichtenden 380-kV-Umspannwerk (UW) im Kreis Segeberg und dem UW im Raum Lübeck. Es ist Teil des in der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG unter Nr. 42 aufgeführten Vorhabens „Neubau Höchstspannungsleitung Kreis Segeberg – Lübeck – Siems mit Abzweig Ratekau – Göhl; Drehstromnennspannung 380 kV“. Das gegenständliche Vorhaben wird in § 4 Abs. 1 BBPlG als Pilotvorhaben für den Einsatz von Erdverkabelung genannt. Die fraglichen Erdkabelabschnitte sind im Gemeindegebiet der Antragstellerin vorgesehen. Mit Schreiben vom 21.10.2022 beantragte die Beigeladene für bestimmte Baumaßnahmen die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c EnWG und die vorzeitige Zulassung des Beginns der Gewässerbenutzung nach § 17 WHG. Hierauf erhielt sie am 15.12.2022 einen positiven Bescheid.
Mit ihrem Antrag im einstweiligen Rechtsschutz wendet sich die Gemeinde gegen die vorzeitig zugelassene Maßnahme. Diese verletzte ihre gemeindliche Planungshoheit und ihre zivilrechtliche Eigentumsposition. Der Zulassungsentscheid sei rechtswidrig, weil der Trassenkorridor rechtsfehlerhaft ausgewählt worden sei. Die an der BAB 20 verlaufende Korridorvariante sei eindeutig vorzugswürdig. Mit einer Entscheidung im Planfeststellungsverfahren zugunsten der Beigeladenen könne daher nicht gerechnet werden.
Die Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag als unzulässig abgelehnt.
Demnach fehlte es der Gemeinde an der erforderlichen Antragsbefugnis. Eine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit oder der zivilrechtlichen Eigentumsposition war nach Auffassung des entscheidenden Senats schon als solche nicht ersichtlich. Dem Einwand der Antragstellerin, das Vorhaben verstoße gegen die Ausweisungen in ihrem Flächennutzungsplan, ist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich nicht gefolgt. Unter Hinweis auf den Rechtscharakter des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c sei eine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit schon nicht denkbar. Die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns habe nur vorläufigen Charakter und nehme das Vorhaben nicht vorweg. Die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns diene allein Beschleunigungszwecken. Die nach § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG zu treffende Prognoseentscheidung habe keinen Regelungscharakter und entfalte keine Bindungswirkung für das nachfolgende Verfahren über die endgültige Zulassung des Vorhabens. Die Prognoseentscheidung werde insoweit im gerichtlichen Verfahren gegen eine Entscheidung nach § 44c EnWG nicht geprüft.
Auch eine Eigentumsbetroffenheit der Antragstellerin schied offensichtlich aus. Die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns habe keine enteignungsrechtliche Vorwirkung und entfalte auch im Übrigen keine privatrechtlichen Wirkungen. Sie betreffe allein die öffentlich-rechtliche Zulassungsebene und überwinde das durch den Planfeststellungsvorbehalt begründete präventive Bauverbot. Der bauwillige Vorhabenträger müsse sich daher begleitend zum Antrag auf Zulassung des vorzeitigen Baubeginns um die Zustimmung des jeweiligen Grundstückseigentümers bemühen. Fehle es der Antragstellerin an den jeweiligen Zustimmungen, gehe die Zulassungsentscheidung insoweit ins Leere. Der Regelungscharakter von § 44c EnWG schließe eine Eigentumsbetroffenheit somit grundsätzlich aus, sodass eine Berufung auf die Eigentumsposition im Eilrechtsschutz keinen Raum habe.
Ob die Reversibilität nach § 44c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EnWG hingegen drittschützenden Charakter aufweist, lässt das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen. Der Entscheidung lassen sich jedoch Ausführungen entnehmen, dass der Senat im Ergebnis eine drittschützende Wirkung der Reversibilität künftig annehmen wird. Dem Einwand der Antragstellerin, dass das teilweise Verbleiben von Bohrpfählen im Untergrund die nachgehende Entscheidung gewissermaßen präjudiziere, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der nur unvollständigen Rückgängigmachung keinen Umstand, der den weiteren Entscheidungsprozess unangemessen belastet und die Planung vor vollendete Tatsachen stellt.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu begrüßen. Das Instrumentarium des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c EnWG wird hinsichtlich seiner Beschleunigungspotenziale für laufende und künftige Genehmigungsverfahren gestärkt. Die gerichtliche Überprüfbarkeit von Zulassungsentscheidungen nach § 44c EnWG wird sich daher auf die Reversibilität und die etwaige präjudizierende Wirkung solcher Entscheidungen beschränken. Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden sind daher gut beraten, hierauf ihr Augenmerk zu legen.