BVerwG bestätigt seine bisherige Rechtsprechung zur Ermittlung des Finanzbedarfs kreisangehöriger Kommunen bei Festlegung der Kreisumlage (8 B 22.20 bis 8 B 29.20)

Mit mehreren Beschlüssen vom 16.09.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zur Ermittlung des Finanzbedarfs kreisangehöriger Kommunen durch den Landkreis bei Festlegung der Kreisumlage bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht hatte mit Urteilen vom 17.12.2019 (12 B 22.18 bis 12 B 29.18) festgestellt, dass die den kreisangehörigen Gemeinden nach der brandenburgischen Kommunalverfassung eingeräumten Beteiligungsrechte den Landkreis nicht von seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung entbinden, den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln. Damit knüpft das Bundesverwaltungsgericht an seine vorangegangene Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Finanzbedarfs der kreisangehörigen Kommunen bei Festsetzung der Kreisumlage an und bestätigt erneut eine eigenständige Prüfungspflicht der Landkreise aus Art. 28 GG.

Der Fall

Die klagenden Gemeinden hatten sich gegen Bescheide des beklagten Landkreises gewendet, der unter Verweis auf die Haushaltsatzung des Landkreises für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 den Satz der Kreisumlage auf 47,9 % der für die kreisangehörigen Gemeinden geltenden Umlagegrundlagen festgesetzt hatte. Der beklagte Landkreis hatte vor Erlass der Haushaltssatzung das in § 129 Abs. 1 der Kommunalverfassung Brandenburg vorgesehene Verfahren durchgeführt. Gemäß § 129 Abs. 1 Kommunalverfassung Brandenburg soll der Entwurf der Haushaltssatzung mit den amtsfreien Gemeinden und Ämtern frühzeitig erörtert werden. Zudem steht den kreisangehörigen Gemeinden danach das Recht zu, Einwendungen zu erheben. Die Kläger hatten jedoch weder an der frühzeitigen Erörterung teilgenommen noch Einwendungen gegen den Entwurf erhoben.

Nachdem das Verwaltungsgericht die Bescheide in dem angefochtenen Umfang zu Gunsten der klagenden Gemeinden aufgehoben hatte, wies anschließend das Oberverwaltungsgericht die Berufung des beklagten Landkreises zurück. Es führte aus, dass der entsprechende Paragraph der Haushaltssatzung unwirksam sei, weil der Beklagte seinen verfassungsrechtlichen Ermittlungspflichten nicht nachgekommen sei. Die Durchführung der Beteiligung gemäß § 129 Kommunalverfassung Brandenburg ändere nichts an der Pflicht des Kreises zur Ermittlung des Bedarfs der kreisangehörigen Gemeinden.

Die Entscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde des beklagten Landkreises gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil zurückgewiesen. Insbesondere liege keine Divergenz zu einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO benannten Gerichts vor.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landkreises regele § 129 Abs. 1 Kommunalverfassung Brandenburg die Vorgehensweise bei der Ermittlung und Offenlegung des gemeindlichen Finanzbedarfs nicht abschließend. Die Norm ermögliche zwar eine frühzeitige Beteiligung der Gemeinden – sie begrenze gleichwohl nicht die Pflichten des Landkreises zur Ermittlung und Berücksichtigung der gemeindlichen Belange. Diesen muss der Landkreis dennoch nachkommen.

Das Bundesverwaltungsgericht führt weiter aus, dass es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfe, dass Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG einen völligen Verzicht nicht nur auf eigene Ermittlungen des Landkreises, sondern auch auf die inhaltliche Würdigung der finanziellen Belange der Gemeinde nicht gestatte. Die Verfassung verbiete eine einseitige Bevorzugung der Belange des Kreises und verlange eine Berücksichtigung der gemeindlichen Belange sowie eine Überprüfbarkeit der getroffenen Entscheidung. Diese Vorgaben würden jedoch dann nicht gewahrt, wenn der Landkreis sich darauf beschränken könnte, den Gemeinden Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Entscheidungsentwurf zu geben, der ohne Einstellung des gemeindlichen Finanzbedarfs erstellt wurde.

Konsequenzen

Mit seinen Entscheidungen knüpft das Bundesverwaltungsgericht nahtlos an seine Rechtsprechung aus diesem und dem vergangenen Jahr zur Kreisumlageerhebung nach thüringischem und mecklenburg-vorpommerschem Landesrecht an (Urteil vom 26.05.2020, 8 C 20/19, und Urteil vom 29.05.2019, 10 C 6/18, im Anschluss an die Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern).

In beiden Urteilen hatte das Bundesverwaltungsgericht zwar festgestellt, dass es nach dem Grundgesetz vor der Festlegung des Kreisumlagesatzes einer förmlichen Anhörung der kreisangehörigen Gemeinden nicht bedürfe, da Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG insofern kein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Kommunen vorsehe. Es betonte allerdings, dass die Landkreise gleichwohl verpflichtet seien, bei der Erhebung der Kreisumlage nicht nur ihren eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln.

In seinen Entscheidungen vom 16.09.2020 bekräftigt das Bundesverwaltungsgericht nun den Grundsatz, dass das Grundgesetz keine Verfahrensregelungen vorsehe, und stellt darüber hinaus klar, dass ein etwaig durchgeführtes Verfahren kein Selbstzweck ist. Von diesem unabhängig bedürfe es stets der Würdigung der finanziellen Belange der Gemeinde.