Mit Urteil vom 12.09.2024 (Az. 7 C 3/23) hat sich das BVerwG mit grundlegenden Rechtsfragen in Bezug auf Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen beschäftigt und dabei die bisherige Verwaltungspraxis zu naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen nach §§ 13 ff. Bundesnaturschutzgesetz infrage gestellt.
Der Hintergrund
Gegenstand des Verfahrens ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage, in dessen Nebenbestimmung der Beklagte, die Genehmigungsbehörde, eine Ersatzzahlung unter anderem für den Eingriff in das Landschaftsbild festsetzte. Die Klägerin als Vorhabenträgerin schlug selbst als Maßnahme für den Eingriff in das Landschaftsbild den Rückbau von Stallanlagen und Anpflanzungen von Gehölzgruppen vor. Da dies unberücksichtigt blieb, erhob die Klägerin vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Klage. Das OVG wies daraufhin die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass durch die von der Klägerin vorgeschlagene Maßnahme keine landschaftsgerechte Neugestaltung vorgenommen wird, die die Wirkungen des Eingriffsvorhabens in den Hintergrund treten lasse. Höchstens Maßnahmen, die im Sinne einer Äquivalenz an den jeweiligen Eingriff heranreichen, kämen für eine Vollkompensation der Beeinträchtigung des Landschaftsbilds durch Ersatzmaßnahmen in Betracht.
Die Entscheidung
Auf die Revision der Klägerin hob das BVerwG das Urteil des OVG auf und wies es zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
In seiner Begründung stellte das BVerwG heraus, dass der vom OVG zugrunde gelegte Maßstab für die Anerkennung von Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen über das Bundesnaturschutzgesetz hinausgeht. Das OVG habe zwar richtig dargelegt, dass als Maßstab für die Qualität einer Ersatzmaßnahme auf deren Äquivalenz zum Eingriff abzustellen ist. Allerdings könne darüber hinaus nicht verlangt werden, dass eine landschaftsgerechte Neugestaltung sowohl in Art und Ausmaß der durch den Eingriff zerstörten Funktionen und Werten des Landschaftsbildes entsprechen muss.
Im Hinblick auf den anzulegenden Maßstab betont das BVerwG zunächst, dass sich die Ersatzmaßnahme einer Beeinträchtigung i. S. v. § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG von Natur und Landschaft von einer Ausgleichsmaßnahme i. S. v. § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG durch eine Lockerung des notwendigen räumlich-funktionalen Zusammenhangs des Ersatzes mit dem Eingriff unterscheidet. Für eine Ersatzmaßnahme genüge es, wenn die Maßnahme im betroffenen Naturraum belegen ist. Weiterhin unterscheiden sich Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in qualitativer Hinsicht: Ausgleichsmaßnahmen stellen die beeinträchtigten Funktionen gleichartig wieder her, während Ersatzmaßnahmen sie hingegen gleichwertig wiederherstellen. Diese Unterscheidung gelte auch für den Ersatz für einen Eingriff in das Landschaftsbild.
Das BVerwG hebt weiterhin hervor, dass vielfältige Ersatzmaßnahmen möglich sind. Sie beschränken sich dabei nicht allein darauf, die Wirkungen des Eingriffs „spiegelbildlich“ zu kompensieren. Im Hinblick auf Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen habe dies für Ersatzmaßnahmen zur Folge, dass diese sich nicht auf die Beseitigung von im betroffenen Naturraum vorhandenen vertikalen Strukturen beschränken. Es kämen vielmehr andere Maßnahmen in Betracht, die sich nach der Wahrnehmung eines aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters positiv auf Vielfalt, Eigenart, Schönheit sowie Erholungswert einer Landschaft auswirken.
Neben der qualitativen Eignung einer Maßnahme als Ersatzmaßnahme sei weiterhin die Quantifizierung der Wirkung einer oder mehrerer zur Kompensation geeigneter Maßnahmen zu betrachten.
Folgen für die Praxis
Das Urteil des BVerwG hat auf die Praxis erhebliche Auswirkungen und wird sowohl für Antragssteller als auch für Behörden zunächst mit einem Mehraufwand verknüpft sein. Denn auf der Grundlage der bisherigen länderspezifischen Bestimmungen zu Kompensationsmaßnahmen im Hinblick auf Windenergieanlagen war es den Antragstellern oftmals möglich, Eingriffe in das Landschaftsbild durch eine Ersatzmaßnahme finanziell zu ersetzen. Behörden mussten sich mit vorgeschlagenen Ersatzmaßnahmen nicht näher beschäftigen. Sofern noch nicht geschehen, sind die Länder gehalten, ihre bisherigen Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Das BVerwG bezieht hingegen keine Stellung dazu, wie Ersatzmaßnahmen im Verhältnis zum Eingriff konkret zu ermitteln sind. Das dürfte die Behörden vor erhebliche Herausforderungen stellen und für Unklarheiten sorgen.
Es ist abzusehen, dass sich das Urteil des BVerwG auch auf weitere Vorhaben wie etwa den Netzausbau auswirken wird.
Friederike Vollmer
Rechtsanwältin
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