Annahme einer Ausschließlichkeit nur nach ordnungsgemäßer Markterkundung!

Erneut ist die Frage der Zulässigkeit einer Direktvergabe aufgrund der Annahme einer technischen Ausschließlichkeit im Rahmen einer IT-Beschaffung in den Fokus der vergaberechtlichen Rechtsprechung gelangt. Bei derartigen Aufträgen bewegt die öffentliche Hand sich regelmäßig zwischen den beiden Stühlen der Beachtung der vergaberechtlichen Vorgaben und der Umsetzung einer technisch funktionierenden, fehlerfreien Leistung auf Basis von bereits getroffenen „Systementscheidungen“. Insofern hat der Vergabesenat in Dresden sich vorliegend ausführlicher mit den Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ausschließlichkeit auseinandergesetzt, denen der Auftraggeber sich zu stellen hat (OLG Dresden, Beschluss vom 28. August 2025 - Verg-1/25).

Der Fall

Der öffentliche Auftraggeber ist ein Krankenhaus, welches bereits ein umfassendes Krankenhausinformationssystem (ERP-System) über die Firma C beschafft und implementiert hat. Basierend auf diesem stellte sich die Notwendigkeit der ergänzenden Beschaffung einer Software zur Personaleinsatzplanung (PEP-Softwarelösung) heraus. Aus diesem Grund eruierte der öffentliche Auftraggeber den Markt und führte Gespräche mit weiteren Kliniken, um die technisch verfügbaren PEP-Softwarelösungen zu ermitteln. Im Ergebnis entschied er sich, die Firma C direkt mit der Lieferung und Implementierung der von dieser angebotenen PEP-Softwarelösung zu beauftragen. Als Begründung für den Direktauftrag wurde angeführt, dass insbesondere wegen der erforderlichen Integration in die bestehende klinische und administrative IT-Infrastruktur eine technische Ausschließlichkeit gegeben sei. Gegen die Direktbeauftragung wehrte sich ein Wettbewerber.

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Vergabesenat stellte noch einmal heraus, dass die Direktbeauftragung wegen einer technischen Ausschließlichkeit eine größere Rechtfertigungstiefe erfordert. Gerade weil die Ausübung der Leistungsbestimmung durch den Auftraggeber unter Vorgabe technischer Parameter, welche die Alleinstellung bedingen, faktisch zu einem Wettbewerbsverzicht führen kann, müsse ergänzend immer noch der § 14 Abs. 6 VgV beachtet werden. Danach darf es am Markt keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung geben. In der Sache wird damit dem öffentlichen Auftraggeber, der sich auf eine technische Ausschließlichkeit berufen möchte, abverlangt, eine ordnungsgemäße Markterkundung durchzuführen. Im Rahmen einer solchen Markterkundung genügt es nicht, lediglich Gespräche mit weiteren Kliniken geführt zu haben. Vielmehr muss diese zeitnah vor Beginn des Vergabeverfahrens anhand der konkret vorgesehenen Auftragsparameter aus dem Leistungsverzeichnis durchgeführt worden sein. Es sei hierzu auf Basis der Leistungsanforderungen eine Art „Mini-Wettbewerb“ unter Einbeziehung potentieller Bieter vorzunehmen. Die daraus abgeleiteten Gründe für die angenommene Ausschließlichkeit sind detailliert zu dokumentieren. Eine Rechtssicherheit wird auch nicht dadurch geschaffen, dass eine ex-ante Transparenzbekanntmachung gem. § 135 Abs. 3 Satz 1 GWB veröffentlicht wird. Letzteres hilft über eine nicht erfolgte, sorgfältige Ermittlung und vergaberechtliche Bewertung der angenommenen Ausschließlichkeit nicht hinweg.

Hinweise für die Praxis

Wenngleich die vorstehend zitierte Entscheidung zunächst gemäß der stetigen Rechtsprechung den Ausnahmecharakter der Annahme einer technischen Ausschließlichkeit hervorhebt, ist es erfreulich, dass der Vergabesenat vorliegend in praxistauglicher Weise auf die Anforderungen an deren Begründung eingegangen ist. Das betrifft bereits den Umstand, dass er nicht nur eine irgendwie geartete Analyse des Marktes, sondern eine ordnungsgemäße Markterkundung für erforderlich hält. Diese muss sich konkret auf die zu beauftragenden Leistungsparameter beziehen und darf den Auftragsgegenstand nicht nur in Grundzügen streifen. Das heißt für den öffentlichen Auftraggeber, dieser muss einer solchen Markterkundung bereits ein spezifisches Leistungsverzeichnis gerade unter Einbeziehung der kritischen Parameter und Mindestanforderungen zugrunde legen. Werden an den Leistungsanforderungen wesentliche Änderungen vorgenommen, bedarf es im Zweifel einer erneuten Markterkundung. Der Vergabesenat selbst spricht hier von einem „Mini-Wettbewerb“ zur Durchführung der Marktanalyse. Das ist nichts anderes als eine Leistungsvorabfrage, die stark an die eigentlichen Bekanntmachungen für das Vergabeverfahren selbst erinnert, allerdings ohne Vergabeabsicht. Hierzu können mit entsprechendem Hinweis auf die Funktion der Abfrage folglich dieselben Veröffentlichungsplattformen genutzt werden, die ebenfalls für die eigentliche Verfahrensdurchführung zu nutzen sind. Im Ergebnis werden durch die detaillierte Auseinandersetzung des Senates mit der hier vom Auftraggeber dokumentierten Begründung für die Verfahrenswahl, der öffentlichen Hand in einer nicht nur abstrakten Form praxistaugliche Hinweise insbesondere zur Durchführung der vorgelagerten Markterkundung gegeben.

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Christine Radeloff

Christine Radeloff

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