Zur sekundären Darlegungslast im Rahmen der §§ 435 und 427 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HGB

Kommt der Frachtführer der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nach, kann dies den Schluss rechtfertigen, dass er einen Schaden am Transportgut im Sinne des § 435 HGB leichtfertig verschuldet hat und zur Verneinung eines besonderen gesetzlichen Ausschlussgrundes führen, auch wenn dessen Vorliegen bewiesen wurde.

In dem vom Landgericht Köln mit Urteil vom 15.02.2018, Az. 83 O 62/15, entschiedenen Streitfall klagte die Transportversicherung einer Versicherungsnehmerin, die die Beklagte am 30.04.2014 beauftragt hatte, eine Palette mit 104 Edelstahlprofilen, 1.040 kg, von der Versicherungsnehmerin zur Firma C zu festen Kosten zu befördern. Die Beklagte ließ das Gut am 30.04.2014 abholen, in ihrer Niederlassung in X umschlagen und im Sammelgutverkehr zur Niederlassung in Hannover verbringen. Der Palettenrahmen wurde aufgrund einer leichten Beschädigung im Eingang in Hannover neu mittels Folie umwickelt. Die Beklagte beauftragte das Unternehmen P Transporte, die das Gut am 05.05.2014 bei der Firma C ablieferte. Am 08.05.2014 zeigte die Empfängerin C der Versicherungsnehmerin an, dass die Profile lose in einer Gitterbox angeliefert worden und diese schwer beschädigt seien. Zugleich hielt sie die Beklagte haftbar und forderte diese zur Abholung der angelieferten Sendung auf. Die Versicherungsnehmerin forderte die Beklagte ergebnislos mit Schreiben vom 14.05.2014 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 37.671,50 € auf.

Die Klägerin nahm die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Zahlung in Anspruch. Sie behauptete, die Sendung sei in einer speziell gefertigten Palette mit massivem Holzrahmen versendet worden. Die Sendung sei so gegen Stöße von außen bestens geschützt gewesen. Zudem seien die Profile durch Pappeinlagen innen gegen Schäden durch Berührung der Profile untereinander geschützt gewesen. Bei Anlieferung der ursprünglich unversehrt verpackten Sendung sei diese jedoch schwer beschädigt gewesen. Die Sendung sei gar nicht mehr auf einer Palette beim Empfänger angekommen, es habe auch die Umverpackung gefehlt. Vielmehr seien die Profile schutzlos in eine Gitterbox geworfen bei der Empfängerin angeliefert worden. An 101 der 104 Profile seien Totalschäden eingetreten.

Die Beklagte behauptete demgegenüber, kein Mitarbeiter des Lagers ihrer Niederlassung in Hannover habe die Verpackung der Sendung verändert und die Profile lose in eine Gitterbox gelegt. Auch sei die von der Versicherungsnehmerin behauptete Verpackung ungenügend und schon nicht geeignet gewesen, Anstoßschäden und Kratzer der Profile zu vermeiden. Im Übrigen sei ihre Haftung nach § 431 HGB begrenzt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der beantragten 36.152,09 € nebst Zinsen sowie zum Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt.

Nach Ansicht des Landgerichts folge der Anspruch aus §§ 459, 460, 425, 428, 435 HGB.

Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Beschädigungen während des Obhutzeitraums der Beklagten eingetreten seien, die unbeschädigte Sendung ursprünglich auf einer mit einem Holzrahmen umrandeten Europalette verpackt und innen mit Pappe gegen Stöße ausgelegt gewesen sei, die Profile jedoch beim Empfänger ohne Palette in einer Gitterbox ohne schützende Zwischenlagen liegend angeliefert worden seien.

Auf eine Begrenzung ihrer Haftung könne sich die Beklagte nicht berufen. Es sei grundsätzlich Sache des Anspruchstellers, die Voraussetzungen für den Wegfall der Haftungsbegrenzungen gemäß § 435 HGB darzulegen und zu beweisen. Allerdings verfüge der Anspruchsteller im Gegensatz zum Frachtführer nicht über die erforderlichen Informationen, wie sich der Schadensfall letztlich ereignet habe. Wenn dies der Fall sei und der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten sei, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen, sei die grundsätzlich dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast zu mildern. Der Frachtführer habe im Rahmen seiner dann anzunehmenden sekundären Darlegungslast substantiiert insbesondere die Umstände, die nach seinem Wissen nach zum Schaden geführt haben, vorzutragen. Auch müsse er im Rahmen des Zumutbaren substantiiert den Organisationsablauf in seinem Betrieb offenlegen und dartun, welche auf der Hand liegenden, elementaren Schadensverhütungsmaßnahmen von ihm und seinen Hilfspersonen getroffen worden seien. Habe der Frachtführer Subunternehmer eingeschaltet, müsse er im Hinblick auf § 428 HGB detailliert auch zu deren Organisation vortragen.

Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen sei, der Vortrag der Klägerin ein qualifiziertes Verschulden nahelege und als wahrscheinlich erscheinen lasse, sei der Schluss gerechtfertigt, dass der Schaden im Sinne des § 435 HGB von der Beklagten oder dem von ihr beauftragten Subunternehmer leichtfertig verschuldet worden sei. Auf eine Haftungsbegrenzung könne sich die Beklagte daher nicht berufen.

Die wegen des Informationsdefizits dem Frachtführer obliegende sekundäre Darlegungslast gelte auch für den Ausschlussgrund der ungenügenden Verpackung. Mangels einer auch insoweit nicht ausreichenden Einlassung der Beklagten greife der besondere Ausschlussgrund des § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB im Ergebnis nicht durch – und dies, obschon nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass das Gut im Sinne des § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB ungenügend verpackt gewesen sei und deshalb grundsätzlich auch nach § 427 Abs. 2 HGB vermutet werden müsse, dass der Schaden durch die mangelhafte Verpackung eingetreten sei.

Praxishinweis

Das Urteil des Landgerichts verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung der von der Rechtsprechung angenommenen sekundären Darlegungslast des Frachtführers zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. So zeigt die landgerichtliche Entscheidung, wie die sekundäre Darlegungslast über die Norm des § 435 HGB hinaus auch im Rahmen des § 427 Abs. 2 HGB zugunsten anspruchsstellender Unternehmen streiten kann.

Für diese ist es wesentlich, prozessual so zu agieren, dass die sekundäre Darlegungslast überhaupt ausgelöst wird.

Demgegenüber ist es für die Vertretung von Frachtführern in Schadensfällen wesentlich, mit diesen zu erörtern, inwieweit sie ihrer sekundären Darlegungslast genügen können, ohne unerwünscht Betriebsinterna zu offenbaren.