Weitergabe der TAN an einen Anrufer beim Online Banking – kein Anspruch gegen die Bank auf Saldenberichtigung

Das hatte sich die klagende Partei anders vorgestellt. Nach ihrer Ansicht soll das Online Banking Geschäftsmodell der Banken „untrennbar mit einem gewissen Verlustrisiko verbunden … (sein) …, welches … (die Banken) … einkalkulieren und einkalkulieren müssen“. Der Kunde hafte deshalb nicht. Das LG Bonn sieht dies – unserer Argumentation folgend – zutreffend anders.

Der Sachverhalt:

Die klagende Partei unterhält ein Konto bei der beklagten Bank, welches für das Online Banking freigeschaltet ist und benutzt wird. Im System muss sich der Kunde mit seiner Kennung und der persönlichen PIN einloggen. Veranlasst er eine Überweisung, benötigt er für deren Freigabe zusätzlich eine TAN als elektronische Unterschrift. Aus den verschiedenen von der Bank angebotenen Verfahren zur Umsetzung der Zwei-Faktor-Authentifizierung wählte der Kunde das mTAN Verfahren.

Vom Konto der klagenden Partei wurde nun ein fünfstelliger Betrag per Überweisung auf ein Drittkonto transferiert. Genutzt wurden die persönlichen Zugangsdaten der klagenden Partei sowie eine auf ihr Mobiltelefon per SMS gesandten mTAN mit dem Begleittext „Die TAN für Ihre SEPA Überweisung über ***** Euro mit der IBAN DE ***** lautet ***** Zeit: *****“.

Die klagende Partei behauptete, die Überweisung nicht autorisiert zu haben. Sie sei auf ihrem Mobiltelefon mit der Telefonnummer der Zentrale der beklagten Bank angerufen worden. Der Anrufer habe Informationen über ihr Konto gehabt. Der Anrufer habe sodann mitgeteilt, dass es einen Betrugsvorfall auf ihrem Konto gegeben habe und dass sie gleich eine SMS mit einer TAN bekommen werde, die sie ihm mitteilen solle, um die Überweisung rückgängig zu machen. Dies sei dann auch geschehen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt aber in keiner Weise in ihr Konto eingeloggt oder anderweitig online unterwegs gewesen.

Die Entscheidung des Landgerichts:

Nach Ansicht des Landgerichts konnte es dahinstehen, ob es sich bei der Überweisung trotz Weitergabe der TAN durch die klagende Partei noch um eine nicht autorisierte Verfügung zulasten ihres Girokontos im Sinne des § 675u BGB gehandelt habe. Denn jedenfalls stehe der beklagten Bank ein Schadensersatzanspruch gemäß S 675v Abs. 3 BGB zu, der im Wege der sog. dolo-agit-Einrede, § 242 BGB, zu berücksichtigen sei.

Gemäß § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB sei der Zahler seinem Zahlungsdienstleister zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn der Zahler den Schaden herbeigeführt habe durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung a) einer oder mehrerer Pflichten gemäß § 675I Abs. 1 oder b) einer oder mehrerer vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsinstruments.

Eine Pflichtverletzung im Sinne des S 675v Abs. 3 Nr. 2a) BGB liege nach den eigenen Einlassungen der klagenden Partei vor. Durch die telefonische Weitergabe der TAN an den vermeintlichen Bankangestellten habe sie die ihr gemäß S 675I BGB obliegenden Pflichten verletzt. Nach S. 1 sei der Zahlungsdienstnutzer verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Die zu erwartende angemessene Sorgfalt bestehe insofern u.a. darin, Zugangsdaten niemandem auf Nachfrage anzuvertrauen, sei es am Telefon, in E-Mails oder im Internet. Bei der Weitergabe einer TAN am Telefon liege daher stets ein Sorgfaltspflichtverstoß vor (vgl. auch BeckOGK/Hofmann, 1.9.2019, BGB S 6751 Rn. 94).

Ob daneben auch ein Pflichtverstoß nach S 675v Abs. 3 Nr. 2b) BGB gegen eine oder mehrere der vereinbarten Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsinstruments vorliege, könne dahinstehen.

Das Verhalten der klagenden Partei sei auch grob fahrlässig gewesen. Grob fahrlässig sei ein Verhalten, das über das gewöhnliche Maß an unsachgemäßem oder sorgfaltswidrigem Verhalten hinausgehe. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt müsse in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sein. Es müsse insgesamt dasjenige unbeachtet geblieben sein, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte (vgl. BGH in BGHZ 145, Seite 337; BeckOGK/Hofmann, 1.9.2019, BGB § 675v Rn. 64).

Die klägerseits geschilderte Weitergabe der TAN im Telefongespräch begründe den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit in objektiver wie subjektiver Hinsicht. Die klagende Partei habe nach ihren eigenen Angaben die TAN, die sie per SMS erhielt, wissentlich und willentlich telefonisch weitergegeben. Sie habe dabei „blind“ auf die Angaben des Telefonpartners vertraut, der nach ihrem Vortrag angab, die TAN werde benötigt, um eine missbräuchliche Überweisung rückgängig zu machen. Sie gab dabei nicht nur telefonisch eine TAN weiter, sondern ignorierte sämtliche Warnsignale. So sei bereits nicht verständlich, warum für die (Rück)Überweisung auf ihr eigenes Konto die Freigabe durch eine TAN durch sie als Begünstigte erforderlich sein sollte. Ferner ergab sich aus dem zugesandten SMS-Text, dass eine Überweisung auf ein drittes Konto durchgeführt werden sollte. Dabei verkenne die Kammer nicht, dass sich die klagende Partei nach ihren Schilderungen in einer akuten Stresssituation befand. Es könne und müsse aber auch in einer vermeintlichen Stresssituation erwartet werden, dass die zugesandte SMS gelesen und nicht ohne jede Reflektion eine TAN weitergegeben werde. Aus dem eindeutigen Wortlaut der SMS hätten sich für die klagende Partei jedenfalls durchgreifende Bedenken an der Seriosität des telefonischen Anliegens ergeben müssen. Diese Bedenken hätten sich jedermann, der voll geschäftsfähig ein Bankkonto führe, aufdrängen müssen, erst Recht der nicht völlig geschäftsunerfahrenen klagenden Partei, die das Online-Banking unbestritten schon längere Zeit verwende (vgl. zu einem vergleichbaren Fall: AG München Endurteil v. 5.12017 – 132 C 49/15, BeckRS 2017, 121411 Rn. 26-35, beck-online).

LG Bonn, Urteil vom 13.01.2021, 2 O 204/20

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Paul H. Assies

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