Paritätische Besetzung des Aufsichtsrats: Auch Leiharbeiter können bei Ermittlung des Schwellenwerts mitzählen

In seinem Beschluss vom 25.06.2019 (II ZB 21/18) hat der BGH entschieden, dass bei der Ermittlung des Schwellenwertes für paritätisch besetzte Aufsichtsräte Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden, wenn die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern über die Dauer von sechs Monaten hinaus regelmäßig erfolgt (BGH, Beschluss vom 25.06.2019, II ZB 21/18).

Hintergrund

Nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 6, 7 Mitbestimmungsgesetz ist in Unternehmen, die in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden und in der Regel mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigen, ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat mit Vertretern der Arbeitnehmerschaft zu bilden. Bei der Ermittlung des Schwellenwertes sind nach § 14 Abs. 2 Satz 5 AÜG grundsätzlich auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.

Der Fall

Im nun entschiedenen Fall kam es darüber jedoch zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Nachdem der Gesamtbetriebsrat einer GmbH von seinem Unternehmen verlangt hatte, den Aufsichtsrat paritätisch zu besetzen und das Unternehmen der Forderung nicht nachgekommen war, beantragte der Betriebsrat die gerichtliche Feststellung, dass ein paritätischer Aufsichtsrat zu bilden sei. Hintergrund war, dass die Firma überwiegend zwar fest angestellte Arbeitnehmer beschäftigte, aber die Belegschaft trotzdem zu einem Drittel aus Leiharbeitnehmern bestand. Die Gesamtanzahl der Arbeitnehmer überschritt im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 im Durchschnitt die 2.000, jedoch nur, wenn die Leiharbeiter auch berücksichtigt wurden.

Der Betriebsrat scheiterte zunächst vor dem Landgericht Hannover, das Oberlandesgericht Celle gab dem Feststellungsantrag statt. Schließlich gelangte der Fall vor den 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist.

Die Entscheidung des BGH

Das Gericht hat entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung des Schwellenwertes von 2.000 Beschäftigten dann zu berücksichtigen sind, wenn die Einsatzdauer sechs Monate überschreitet. Hierbei genügt es nach Ansicht des Gerichts, wenn ein Unternehmen Arbeitsplätze über mehr als sechs Monate mit (wechselnden) Leiharbeitnehmern besetzt. Die einzelnen Leiharbeitnehmer müssen also keineswegs mehr als sechs Monate im Unternehmen tätig sein.

Hintergrund sind folgende rechtliche Überlegungen:

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG sind bei der Ermittlung von Schwellenwerten, die, wie § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, für die Anwendung eines bestimmten Gesetzes erforderlich sind, Leiharbeitnehmer mitzuzählen, „wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt“.

Bisher war umstritten, ob diese Einsatzdauer von sechs Monaten arbeitnehmer- oder arbeitsplatzbezogen zu bestimmen ist.

Eine Ansicht wollte an die individuelle Einsatzdauer des Leiharbeitnehmers anknüpfen. Mitzuzählen seien danach nur diejenigen Leiharbeitnehmer, deren Einsatzdauer in dem Unternehmen voraussichtlich sechs Monate übersteigt.

Die Gegenansicht verstand die Einsatzdauer in § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG arbeitsplatzbezogen. Nach dieser Ansicht seien Leiharbeitnehmer mitzuzählen, wenn sie auf einem dauerhaft eingerichteten Arbeitsplatz eingesetzt werden und dieser Arbeitsplatz länger als sechs Monate mit Leiharbeitnehmern (auch mit wechselnden) besetzt ist.

Dieser Ansicht ist der Bundesgerichtshof nun in dem Beschluss vom 25.06.2019 gefolgt.

Ausblick

Durch die arbeitsplatzbezogene Betrachtung des Bundesgerichtshofs wird sich bei einigen Unternehmen die Pflicht zur erstmaligen Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats ergeben. Insbesondere Unternehmen, die sich im Hinblick auf ihre Beschäftigtenanzahl an der Grenze des Schwellenwertes bewegen und regelmäßig Leiharbeitnehmer einsetzen, sollten darüber nachdenken, inwieweit die Beschäftigung von Fremdarbeitnehmern zur Überschreitung der Schwellenwerte führen kann.

Außerdem ist zu erwarten, dass die in der Entscheidung erarbeiteten Grundsätze nunmehr auch auf die Berechnung der Schwellenwerte nach dem Drittelbeteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung für Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sowie über die Mitbestimmung nach dem SE- und dem SCE-Beteiligungsgesetz durchschlagen werden.

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Andrea Heuser

Andrea Heuser

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