Nachhaftung des GbR-Gesellschafters: Nach fünf Jahren ist noch lange nicht alles vorbei

Scheidet ein Gesellschafter aus einer GbR aus, die einer Wohnungseigentümergemeinschaft angehört, erstreckt sich seine Nachhaftung auch auf solche WEG-Beitragspflichten, die erst nach seinem Ausscheiden aus der GbR beschlossen wurden - so der BGH mit Urteil vom 03.07.2020, Az. V ZR 250/19. Die fünfjährige Ausschlussfrist für die Nachhaftung gem. § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB wird erst dann in Gang gesetzt, wenn der jeweilige Gläubiger Kenntnis vom Ausscheiden des Gesellschafters aus der GbR hat.

Mit dem oben genannten Urteil hat der BGH in Fortführung seiner Rechtsprechung noch einmal den weiten Anwendungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung gem. § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 Abs. 1 HGB bestätigt. Werden die Gläubiger der GbR nicht über das Ausscheiden eines Gesellschafters informiert, kann die Nachhaftung in zeitlicher Hinsicht weit über den gesetzlich vorgesehenen 5-Jahres-Zeitraum hinausgehen.

Der Entscheidung des BGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Der Beklagte war zusammen mit zwei weiteren Gesellschaftern an einer GbR beteiligt, die seit dem Jahr 1994 an einer Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligt war. Im Jahr 2002 schied der Beklagte wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus der GbR aus, die gemäß Gesellschaftsvertrag zwischen den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wurde. Das Grundbuch wurde bezüglich des geänderten Gesellschafterbestandes der GbR erst am 27.03.2017 berichtigt. In den Jahren 2013 bis 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer Hausgeldvorauszahlungen und Jahresabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014. Für die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen der GbR wurde auch der Beklagte in Anspruch genommen.

Die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte in allen Instanzen Erfolg. Die GbR ist der Wohnungseigentümergemeinschaft aus § 16 Abs. 2 WEG zur Zahlung der eingeklagten Beiträge verpflichtet, der Beklagte haftet für diese Verbindlichkeiten der GbR in entsprechender Anwendung von § 128 HGB persönlich. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die WEG-Beschlüsse, aus denen sich die Zahlungspflicht der GbR ergibt, erst über zehn Jahre nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der GbR gefasst wurden.

Zur rechtlichen Argumentation des BGH im Einzelnen: Wird eine GbR nach Ausscheiden eines Gesellschafters fortgesetzt, finden gem. § 786 Abs. 2 BGB die für Personenhandelsgesellschaften geltenden Regelungen über die Begrenzung der Nachhaftung sinngemäß Anwendung. Dies betrifft namentlich § 160 HGB, der in Abs. 1 vorsieht, dass ein ausscheidender Gesellschafter für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten (sog. Altverbindlichkeiten) haftet, wenn diese vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und in verjährungsunterbrechender Form gerichtlich geltend gemacht werden. Als Altverbindlichkeiten i. S. v. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB gelten nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung alle Schuldverpflichtungen, deren Rechtsgrundlage bis zum Ausscheiden des Gesellschafters gelegt worden ist, auch wenn die einzelnen Verpflichtungen erst später entstehen und fällig werden. Bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis – wie im vorliegenden Fall der Beitragspflicht gem. § 16 Abs. 2 WEG – kommt es für die Abgrenzung von Alt- und Neuverbindlichkeiten darauf an, ob der das Schuldverhältnis begründende Tatbestand bereits vor dem Ausscheiden des Gesellschafters erfüllt war.

Die Frage, ob der Beitrag, zu dem die Eigentümer-GbR durch einen nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters gefassten Beschluss herangezogen wird, als Alt- oder Neuverbindlichkeit anzusehen ist, hängt somit davon ab, ob der Rechtsgrund für die Beitragspflicht eines Wohnungseigentümers bereits mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt wird oder erst mit dem jeweiligen Beschluss der Wohnungseigentümer zur Beitragserhebung entsteht. Nach Auffassung des BGH ist die Rechtsgrundlage für die Beitragsverbindlichkeiten des Wohnungseigentümers bereits mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt, denn ab diesem Zeitpunkt schuldet er dem Grunde nach anteilig die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums. Darauf, dass die konkret bezifferten Beitragsverpflichtungen erst entstehen und entsprechende Zahlungsansprüche fällig werden können, wenn ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gefasst wurde, aus dem sich die konkrete Beitragspflicht ergibt, kommt es für die Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nach Ansicht des BGH nicht an. Die Nachhaftung des Gesellschafters einer GbR, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Wohnungseigentümerin ist, erstreckt sich daher auch auf Beitragspflichten, die auf Beschlüssen der Wohnungseigentümer beruhen, die erst nach seinem Ausscheiden aus der GbR gefasst werden.

Diese Auslegung sieht der BGH auch von Sinn und Zweck des § 160 Abs. 1 HGB gedeckt. Sinn dieser Regelung sei es zwar in erster Linie zu vermeiden, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten belastet wird, obwohl er wegen seines Ausscheidens weder weiteren Einfluss auf die Gesellschaft nehmen noch von den Gegenleistungen oder sonstigen Erträgen profitieren kann. Sinn sei es aber zugleich, einen Ausgleich zwischen diesem Anliegen und den Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu schaffen. Dieses Ziel wäre im Finanzierungssystem der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zu erreichen, wenn der ausscheidende Gesellschafter nur für solche Verbindlichkeiten der Eigentümer-GbR haftete, die auf vor seinem Ausscheiden gefassten Beschlüssen beruhen. Dies könnte zu einer erheblichen Verkürzung der Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters und im Einzelfall zu einer zufälligen Verteilung der Nachhaftung in Abhängigkeit vom zeitlichen Zusammenspiel des Ausscheidens des Gesellschafters aus der GbR einerseits und der Beschlussfassung in der Wohnungseigentümergemeinschaft andererseits führen. Richtig sei zwar, dass die Nachhaftung den ausgeschiedenen Gesellschafter, der auf die Geschicke der Gesellschaft und die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Beitragspflichten keinen Einfluss mehr hat, unter Umständen erheblich belasten kann; solche Auswirkungen der Nachhaftung ausscheidender Personengesellschafter gebe es aber auch außerhalb des WEG-Rechts, etwa die Haftung für Schadenersatzansprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzungen bei der Vertragserfüllung.

Die einzige Begrenzung dieser Nachhaftung liegt somit in der fünfjährigen Ausschlussfrist gem. § 160 Abs. 1 HGB. Diese kam im vorliegend besprochenen Fall jedoch nicht zum Tragen, da der beklagte Gesellschafter nicht beweisen konnte, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Kenntnis von seinem Ausscheiden aus der GbR hatte. Während § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB für den Fristbeginn bei der oHG auf die Eintragung im Handelsregister abstellt, kommt es bei der GbR auf die individuelle Kenntnis der Gläubiger vom Ausscheiden eines GbR-Gesellschafters an. Vorliegend konnte nur bewiesen werden, dass der WEG-Verwalter zeitnah über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ausgeschiedenen GbR-Gesellschafters informiert worden war. Hieraus folgt nach Auffassung des BGH jedoch nicht, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft auch Kenntnis vom Ausscheiden des Gesellschafters aus der GbR hatte bzw. haben musste. Weder seien Fortsetzungsklauseln in GbR-Gesellschaftsverträgen allgemein üblich noch lässt sich aus dem Umstand, dass die Insolvenz des beklagten GbR-Gesellschafters entweder zu dessen Ausscheiden unter Fortsetzung der GbR oder zur Auflösung der GbR führen musste, auf eine bestimmte Kenntnis des WEG-Verwalters schließen.

Fazit

Die Entscheidung ist nicht auf den Bereich des WEG-Rechts beschränkt, sondern gilt allgemein für Fälle der Nachhaftung ausgeschiedener GbR-Gesellschafter. Der Begriff der Altverbindlichkeiten i. S. v. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt und beschränkt sich keineswegs auf die im Zeitpunkt des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft betragsmäßig absehbaren Verbindlichkeiten. Entsprechend hoch ist das Nachhaftungsrisiko bei Ausscheiden aus einer Personengesellschaft.

Für GbR-Gesellschafter ist zur Begrenzung der Nachhaftung, wie dieser Fall exemplarisch zeigt, unbedingt darauf zu achten, dass alle Gläubiger über das Ausscheiden aus der Gesellschaft in Kenntnis gesetzt werden. Die Information sollte tunlichst schriftlich erfolgen, um diese notfalls später auch vor Gericht beweisen zu können. Die geplante Registerpublizität auch für GbRs, wie sie im Entwurf einer Expertenkommission des BMJV zur Reform des Personengesellschaftsrechts vorgesehen ist, könnte hier in Zukunft zu einer Erleichterung für GbR-Gesellschafter und einer Angleichung an die Stellung von OHG-Gesellschaftern führen.

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Doris Deucker

Doris Deucker

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