Keine Klagebefugnis zur Erhebung einer Musterfeststellungsklage seitens der Schutzgemeinschaft für Bankkunden

Bundesgerichtshof entscheidet, dass der Schutzgemeinschaft für Bankkunden (SfB) die Klagebefugnis zur Erhebung einer Musterfeststellungsklage fehlt.

Einleitung

Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 01.11.2018 die Musterfeststellungsklage eingeführt. Die Regelung findet sich in § 606 ZPO.

Danach können „qualifizierte Einrichtungen“

„die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer begehren“.

„Qualifizierte Einrichtungen“ sind in § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO definiert und im Wesentlichen die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) bezeichneten Stellen, die aber für die Klageberechtigung im Rahmen der Musterfeststellungsklage weitere Voraussetzungen erfüllen müssen als für die Klagebefugnis nach dem UKlaG. Nach der Vorgabe in § 606 ZPO muss die „qualifizierte Einrichtung“ als Mitglieder

  1. mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 350 natürliche Personen haben (wohingegen für die Eintragung in die Liste gemäß UKlaG ausreichend ist, wenn sie mindestens drei Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben);
  2. mindestens vier Jahre in der Liste nach § 4 UKlaG oder dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Art. 4 der Richtlinie 2009/22/EG eingetragen sein (wohingegen es nach dem UKlaG keine entsprechende Voraussetzung gibt);
  3. in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehmen;
  4. Musterfeststellungsklagen nicht zum Zweck der Gewinnerzielung erheben und
  5. nicht mehr als 5 % ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen.

Das UKlaG fordert neben der niedrigeren Mitgliederzahl nur eine Bestehensdauer von mindestens einem Jahr und dass aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert erscheint, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden.

Für die Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wird dies sowohl in § 606 ZPO als auch in § 4 UKlaG unwiderleglich vermutet. Für andere Einrichtungen ist dies nachzuweisen. Sofern ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass die Voraussetzungen vorliegen, verlangt das Gericht vom Kläger entsprechende Offenlegung. Dies gilt sowohl für § 606 ZPO als auch für § 4 UKlaG.

Entscheidung des BGH

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17.11.2020 – XI ZR 171/19) hat nun entschieden, dass die Schutzgemeinschaft für Bankkunden (SfB) nicht zulässig eine Musterfeststellungsklage erheben konnte, da sie keine „qualifizierte Einrichtung“ ist. Es wurde schon nicht schlüssig vorgetragen, dass mindestens 350 natürliche Personen als Mitglieder vorhanden sind. Darüber hinaus ergab sich aus dem Vortrag der SfB nicht, dass diese in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnimmt. Dies hat der BGH auch daraus geschlossen, dass zwischen 97 % und 99 % der Einnahmen aus dem Bereich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung stammten, so dass die (außer-)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen keine nur untergeordnete Rolle spielt.

Damit ist für den Bereich der Musterfeststellungsklage geklärt, dass die SfB nicht klagebefugt ist – dies wird möglicherweise Auswirkungen auch auf zahlreiche noch laufende Verfahren haben, die sich gegen Kreditinstitute richten.

Weitere Auswirkungen der Entscheidung

Noch nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage, ob auch die Klagebefugnis der SfB nach dem UKlaG fehlt. Wie ausgeführt, sind die Voraussetzungen nach § 606 ZPO und § 4 UKlaG nicht deckungsgleich. Allerdings sieht § 4 Abs. 4 UKlaG vor, dass das Gericht bei begründeten Zweifeln an dem Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 das Bundesamt für Justiz zur Überprüfung der Eintragung auffordern und die Verhandlung bis zu dessen Entscheidung aussetzen kann.

Daher wird sich in vielen (Abmahn-)Verfahren, die die SfB gegen Banken und Sparkassen führt, die Frage stellen, ob die Klagebefugnis der SfB zu hinterfragen ist. Hiervon bzw. von Abmahnungen durch die SfB betroffene Kreditinstitute sollten anwaltlichen Rat einholen.