Kein Schutz des gutgläubigen Dividendenempfängers vor Insolvenzanfechtung

Bislang war unklar, ob die Insolvenzanfechtung aufgrund des Gutglaubensschutzes der Aktionäre nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG die Rückgewähr von empfangenen Dividenden ausschließt. Der BGH hat nun mit Urteil vom 14.03.2023, Az. IX ZR 121/22, Klarheit geschaffen und klargestellt, dass eine Insolvenzanfechtung und Rückforderung der Dividende nicht ausgeschlossen ist, wenn der Aktionär gutgläubig war.

Die Insolvenzanfechtung

Das Insolvenzanfechtungsrecht (§§ 129 ff. InsO) dient der Sicherstellung der Gläubigerbefriedigung, in dem der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, welche bereits in der Krise des Schuldners bis zur Insolvenzantragsstellung vorgenommen worden sind, angegriffen werden können. Dadurch sollen Vermögensverschiebungen zulasten der Insolvenzmasse und somit auch zulasten der Gläubiger, rückgängig gemacht werden. Die Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO stellt in dem Regelungssystem der Insolvenzanfechtung einen Sondertatbestand dar, wonach unentgeltliche Leistungen des Schuldners, welche in den letzten vier Jahren vor Antragsstellung vorgenommen wurden, angefochten werden können und die Rückgewähr der Leistung zur Insolvenzmasse verlangt werden kann.

Verfahrensgang

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem im Jahr 2014 eröffneten Insolvenzverfahren einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und nimmt die Beklagte, eine Kommanditaktionärin der Insolvenzschuldnerin, aufgrund Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO auf Rückgewähr von Dividendenzahlungen für die Jahre 2009 bis 2012 in Anspruch.

Die Jahresabschlüsse für die Jahre 2009 bis 2012 wurden zunächst festgestellt. Aufgrund der festgestellten Jahresabschlüsse wurden dann Gewinnverwendungsbeschlüsse gefasst, welche wiederum die Grundlage für die Dividendenausschüttungen waren. In einem vorherigen Gerichtsverfahren hat der Kläger zunächst die Feststellung der Nichtigkeit der Feststellung der Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse begehrt, obsiegte allerdings nur hinsichtlich der Feststellung der Nichtigkeit der Feststellung der Jahresabschlüsse und der Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 2011 und 2012. Für die Jahre 2009 und 2010 wurde hingegen nur die Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse festgestellt. Sodann forderte der Kläger die Dividendenzahlungen zurück, da aufgrund der Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse die gesetzliche Grundlage für die Dividendenzahlungen fehlte und diese somit unentgeltlich und nach § 134 anfechtbar InsO erfolgten.

Entscheidung des BGH

Der BGH entschied, dass die Kommanditaktionärin sich nicht auf den Gutglaubensschutz des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen können, wonach Beiträge, welche Aktionäre auf Gewinnanteile erhalten, nur dann zurückzugewähren sind, wenn der Aktionär wusste bzw. aufgrund fahrlässiger Unkenntnis nicht wusste, dass er zum Bezug nicht berechtigt war.

Zunächst stellt der BGH klar, dass Dividendenausschüttungen aufgrund eines ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschlusses entgeltlich erfolgen, da die Ausschüttung die Gegenleistung für das hingegebene Risikokapital darstellt und somit eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO ausgeschlossen ist.

Vorliegend wurde die Nichtigkeit der Gewinnverwendungsbeschlüsse jedoch rechtskräftig festgestellt. Die Dividendenausschüttung erfolgte somit unentgeltlich, da die Aktionärin keinen Ausschüttungsanspruch hatte. Der Dividendenanspruch setzt einen ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschluss voraus, an dem es aber fehlt, wenn der Jahresabschluss auf dem der Gewinnverwendungsbeschluss ruht, nichtig ist. Auch sei jedenfalls für die Jahre 2011 und 2012 keine Gegenleistung für die Dividendenausschüttung entrichtet worden. Zudem kann sich die Aktionärin auch nicht auf den Schutz des guten Glaubens nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen, da der Schutzzweck der Norm eine Anfechtbarkeit nach den §§ 129 ff. InsO nicht ausschließe. Laut BGH fehle es an einer entsprechenden Wertentscheidung des Gesetzgebers. Die Regelung des § 62 Abs. 1 Satz 2 InsO ist Teil eines aktienrechtlichen Regelungssystems von gesellschaftsrechtlichen Rückgewähransprüchen, welche primär dem aktienrechtlichen Grundsatz der Kapitalerhaltung diene. Der Schutz des gutgläubigen Dividendenempfängers wird ausnahmsweise dem Grundsatz der Kapitalerhaltung übergeordnet. Die Insolvenzanfechtung verfolgt aber einem ganz anderen Zweck, nämlich der Sicherstellung der Gläubigerbefriedigung. Ein Gutglaubensschutz im Falle der Rückgewähr unentgeltlicher Leistung bietet § 143 Abs. 2 InsO. Es sind keine Gründe ersichtlich, diesen zu erweitern.

Hinsichtlich der Jahre 2009 und 2010 konnte zudem schon nicht festgestellt werden, ob die Gewinnverwendungsbeschlüsse von Anfang an nichtig waren, da die Jahresabschlüsse nachträglich ersetzt worden sind. Eine Entscheidung darüber, ob die Gewinnverwendungsbeschlüsse von Anfang an nichtig waren, erfolgte nicht.

Fazit

Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH eine in der juristischen Literatur höchst umstrittene Frage, ob die Regelung des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff. InsO ausschließt, nunmehr entschieden und eine Anfechtbarkeit bejaht. Für die Gewinnausschüttungen einer GmbH dürfte indes die Anfechtbarkeit bereits deshalb zulässig sein, weil nach § 31 Abs. 2 GmbHG eine Rückgewährung vom gutgläubigen Gesellschafter bereits deshalb möglich ist, wenn die Rückgewähr zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

Wir beraten laufend Gläubiger in Insolvenzanfechtungsstreitigkeiten. Sollten auch Sie von einer Insolvenzanfechtung betroffen sein und benötigen rechtliche Beratung, kommen Sie gerne auf uns zu.