Investitionsschutzabkommen auf dem Prüfstand

Mit Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15 - hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Investitionsschutzabkommen im Widerspruch zum EU Recht stehen können.

Hintergrund

TTIP ist in aller Munde. Doch Investitionsschutzabkommen gab es bereits zuvor, und zwar auch mit Schiedsklauseln. Der BGH hat sich mit der Frage zu befassen, ob die in einem solchen Investitionsschutzabkommen zwischen der Slowakei und den Niederlanden vereinbarte Zuständigkeit von Schiedsgerichten EU-Recht verletzen könnte.

Der Fall

Mit Wirkung zum 1. Oktober 1992 schlossen die Niederlande und die damals noch existierende Tschechoslowakei ein sog. „Investitionsschutzabkommen“. Darin verpflichteten sich die beiden Staaten u.a., Investitionen aus dem jeweils anderen Land fair und gerecht zu behandeln sowie Betrieb und Nutzung der Investitionen nicht durch unbillige oder diskriminierende Maßnahmen zu beeinträchtigen. Am 1. Mai 2004 wurde die Slowakei als einer von zwei Rechtsnachfolgern der Tschechoslowakei Mitglied der Europäischen Union.

Im Mai 2006 wurde in der Slowakei die Liberalisierung des Krankenversicherungsmarktes teilweise revidiert. So wurde u.a. der Einsatz von Maklern und die Ausschüttung von Gewinnen aus dem Krankenversicherungsgeschäft verboten. Letzteres wurde nach einem Urteil des slowakischen Verfassungsgerichts zum 1. August 2011 wieder zurückgenommen.

Eine niederländische Krankenversicherung behauptete, durch die Regulierungsmaßnahmen sei ihr ein Millionenschaden entstanden, rief das im Investitionsschutzabkommen vereinbarte Schiedsgericht an und bekam dort Recht. Die Slowakei wurde zur Zahlung von mehr als 22 Mio. Euro verurteilt.

Die Slowakei hatte die Aufhebung des Schiedsspruchs verlangt, weil die Schiedsvereinbarung gegen EU Recht verstoße, wonach Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der Unionsverträge allein durch das im EU Vertrag vorgesehene Verfahren zu regeln sei.

Dem war das angerufene Oberlandesgericht nicht gefolgt. Auch der BGH ist der Auffassung, dass das Unionsrecht nicht ausschließt, Schadenersatzklagen eines privaten Unternehmens gegen einen Mitgliedsstaat einer Schiedsvereinbarung zu unterwerfen; es ging ja nicht um den Streit zweier Mitgliedsstaaten. Zudem ist der BGH der Auffassung, dass die richtige Anwendung des Unionsrechts im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden kann, jedenfalls soweit es um wesentliche Regelungen des unionsrecht geht, die zum sog. „ordre public“, d.h. zu den wesentlichen Regelungen der öffentlichen Ordnung gehören. Hierzu zählt zum Beispiel das europäische Wettbewerbsrecht. Allerdings könne die Schiedsklausel gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen: Unternehmen anderer Mitgliedsstaaten, mit denen die Slowakei kein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen habe, seien nämlich gehindert, ein Schiedsgericht anzurufen.

Der BGH hat deshalb dem Europäischen Gerichtshof wegen aller drei Aspekte die Sache zur Entscheidung vorgelegt.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung gibt zwei wesentliche Hinweise: Zum einen wird einmal mehr deutlich, welch weitreichende Folgen allgemeine Formulierungen zum Investitionsschutz für die Unterzeichnerstaaten haben können. Zum anderen stellt der BGH in seiner Entscheidung klar, dass hinsichtlich der Anerkennung von Schiedssprüchen keine anderen Maßstäbe gelten, wenn ein Staat Partei des Schiedsverfahrens war. Auch hier kommt eine Aufhebung nur bei einer Verletzung des ordre public in Frage. Dies verleiht Schiedsklauseln in Investitionsschutzabkommen noch größere Bedeutung.