GmbH-Recht: Persönliche Haftung des Liquidators

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13.03.2018, II ZR 158/16, entschieden, dass der Liquidator einer GmbH, der bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gläubiger nicht berücksichtigt hat, diesem Gläubiger analog § 268 Abs. 2 Satz 1, § 93 Abs. 5 AktG unmittelbar zum Ersatz bis zur Höhe der verteilten Beträge verpflichtet ist, wenn die Gesellschaft bereits im Handelsregister gelöscht ist.

Der Fall

Gegenstand des Rechtsstreits war eine Honorarforderung für Steuerberatungsleistungen, die im Jahr 2010 an eine seinerzeit bereits in Liquidation befindliche GmbH erbracht wurden. Die Steuerberatungsleistungen betrafen den Jahresabschluss sowie die Steuererklärungen für das Jahr 2009, die diesbezüglichen Kosten waren im Jahresabschluss durch eine Rückstellung i. H. v. 2.500,00 € berücksichtigt worden. Eine Rechnung für die Steuerberatungsleistungen wurde allerdings erst im Juni 2012 gestellt; zu diesem Zeitpunkt war die GmbH im Handelsregister bereits gelöscht. Die Steuerberatungsgesellschaft klagte daraufhin ihr Honorar bei dem Liquidator der GmbH ein.

Das Berufungsgericht bejahte die Haftung des Liquidators aus unerlaubter Handlung und stützte den Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 73 Abs. 3 GmbHG.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH folgt zwar nicht dem Ansatz des Berufungsgerichts, da er mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum die Auffassung vertritt, dass § 73 GmbHG kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ist. Im Ergebnis bejaht jedoch auch der BGH im vorliegenden Fall eine Haftung des Liquidators, stützt den Anspruch der Klägerin jedoch auf eine entsprechende Anwendung der §§ 268 Abs. 2, 93 Abs. 5 AktG.

Die für eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften erforderliche planwidrige Unvollständigkeit des GmbH-Gesetzes begründet der BGH dogmatisch nicht sonderlich überzeugend, da der Gesetzgeber den unzureichenden Schutz der GmbH-Gläubiger durch § 73 GmbHG zwar erkannt hat, die geplante Gesetzesänderung jedoch über mehrere Jahrzehnte hinweg nicht umgesetzt hat, was an der Planwidrigkeit der Gesetzeslücke durchaus zweifeln lässt. Im Ergebnis ist der Entscheidung des BGH aber zuzustimmen, da die rechtliche Stellung der GmbH-Gläubiger bei pflichtwidriger Verteilung des Gesellschaftsvermögens in der Liquidation der GmbH tatsächlich unzureichend geregelt ist.

Ohne die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften müsste der Gläubiger einer GmbH i. L. bei pflichtwidriger Verteilung des Gesellschaftsvermögens zunächst einen Titel gegen die Gesellschaft erstreiten, der ihm die Pfändung des Anspruchs der Gesellschaft gegen den Liquidator nach § 73 Abs. 3 GmbHG ermöglicht. Ist die GmbH im Handelsregister bereits gelöscht, muss der Gläubiger zunächst beim zuständigen Registergericht die Anordnung der Nachtragsliquidation und die Bestellung eines Nachtragsliquidators beantragen. Diesen Weg sieht der BGH zu Recht als zeitintensiv, kostenträchtig und nicht prozessökonomisch an. Daher eröffnet der BGH den Gläubigern einer GmbH im Falle der pflichtwidrigen Verteilung von Gesellschaftsvermögen in der Liquidation einen Direktanspruch gegen den Liquidator nach §§ 268 Abs. 2, 93 Abs. 5 AktG analog.

Der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, der Direktanspruch in analoger Anwendung der aktenrechtlichen Vorschriften sei subsidiär gegenüber der Geltendmachung des Anspruch gegen den Liquidator nach § 73 Abs. 3 GmbHG durch die Gesellschaft, erteilt der BGH jedenfalls für den Fall, dass die GmbH bereits gelöscht ist, eine Absage. Diese Subsidiarität widerspräche der mit der Gewährung des Direktanspruch bezweckten vereinfachten Gläubigerbefriedigung nach Löschung der GmbH, denn andernfalls würde eine Nachtragsliquidation notwendig, die durch die Gewährung eines unmittelbaren Anspruchs des Gläubigers gegen den Liquidator gerade vermieden werden soll. Aus denselben Erwägungen kann der Gläubiger auch Zahlung an sich selbst verlangen und nicht darauf beschränkt, Zahlung an die Gesellschaft zu fordern.

Fazit

Der BGH stärkt durch sein Urteil vom 13.03.2018 die Rechte der Gläubiger im Falle einer Liquidation unter Verstoß gegen § 73 GmbHG. Für die Liquidatoren bedeutet dies ein praktisch erhöhtes Haftungsrisiko, da die Gläubiger nun nicht mehr den aufwendigen und kostenträchtigen Weg über eine Nachtragsliquidation nebst Pfändung des Anspruchs der Gesellschaft nach § 73 Abs. 3 GmbHG angewiesen sind, sondern den Liquidator direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen können.