Gläubigerbenachteiligung durch Befriedigung eines Dritten aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit

Hat ein Gesellschafter für die Forderung eines Dritten auf Rückgewähr eines Darlehens eine Sicherheit bestellt oder eine Bürgschaft übernommen, benachteiligt die Befriedigung des Dritten aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit die Gläubiger auch dann, wenn der Dritte zum Zeitpunkt der Befriedung seiner Forderung den Gesellschafter nicht mehr aus der Sicherheit hätte in Anspruch nehmen können. Das gilt ebenso, wenn der Anspruch aus der Bürgschaft bereits verjährt gewesen ist (BGH, Urteil vom 09.12.2021 – IX ZR 201/20, amtlicher Leitsatz).

Sachverhalt

Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der P-GmbH (Schuldnerin). Die C-AG (Bank) gewährte der Schuldnerin ein Darlehen, für welches der Beklagte gegenüber der Bank eine Bürgschaft in Höhe von 200.000 € (Gesellschaftersicherheit) übernahm. Des Weiteren trat die Schuldnerin der Bank im Rahmen eines Globalzessionsvertrags zur Sicherung aller Ansprüche sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen ab (Gesellschaftssicherheit). Zwischen dem 30. August 2012 und dem 20. Februar 2013 nahm die Bank den Beklagten in Höhe von insgesamt 143.657,91 € aus der Bürgschaft in Anspruch.

Nachdem im April 2012 Insolvenzantrag gestellt wurde, wurde mit Beschluss vom 07. November 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestellt. Aus den nach dem Insolvenzantrag im Zeitraum vom 9. Mai 2012 bis 16. Juli 2013 erfolgten Zahlungen von Kunden der Schuldnerin leitet der Kläger nach einer von ihm vorgenommen Abrechnung im Mai 2018 30.545,87 € aufgrund der Globalzession an die Bank weiter. Diesen Betrag verlangt der Kläger nun vom Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO erstattet.

Die Klage wurde dem Beklagten am 31. Oktober 2018 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht gab der Klage hingegen statt. Die Revision des Beklagten vor dem BGH hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Der BGH folgte der Entscheidung des Oberlandesgerichts und sieht in einer solchen Konstellation das Vorliegen eines Anfechtungsanspruchs des Insolvenzverwalters nach §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 Satz 1 InsO, da eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten sei.

Eine Gläubigerbenachteiligung liegt immer dann vor, wenn die vorgenommene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch der Zugriff auf das Vermögen des Schuldners für die Gläubiger vereitelt, erschwert oder verzögert wird und die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die Rechtshandlung günstiger gewesen wären.

Die Gläubigerbenachteiligung liegt hier in der Auskehr des Erlöses an die Bank aufgrund der Globalzession vor, die der Insolvenzverwalter nach seiner Abrechnung im Mai 2018 vorgenommen hat. Durch das Eingehen der Bürgschaft, hat sich der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Drittforderung verpflichtet. Dieser Rechtsgedanke folgt auch aus der Regelung des § 135 Abs. 2 InsO, wonach eine Gesellschaftersicherheit gleich eines Gesellschafterdarlehens „verstrickt“ wird und somit lediglich nachrangig gegenüber allen anderen Gläubigern befriedigt wird. Da hier jedoch die Gesellschaft die Bank durch Abfluss von eigenen Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigt hat, wurde der Gesellschafter von seiner vorrangigen Befriedigungspflicht gegenüber den Gläubigern der Schuldnerin befreit. Der Umstand, dass die Befriedigung durch die Gesellschaft aus ihrer Insolvenzmasse erfolgte und diese dadurch gemindert wurde, führt zusätzlich dazu, dass sich die Befriedigungsmöglichkeit der übrigen Insolvenzgläubiger verschlechtert hat. Hätte der Gesellschafter seiner Verpflichtung entsprechend die Bank als Erstes befriedigt, wäre die Insolvenzmasse um den erstatteten Betrag größer.

Der Gesellschafter, der für die Forderung der Rückgewähr eines Darlehens eine Bürgschaft eingegangen ist, hat daher für den Fall, dass die Gesellschaft den Dritten selbst befriedigt, diesen für ihn vorausgelegten Betrag gegenüber der Gesellschaft zu erstatten.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Bank zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Verjährung der Bürgschaft keinen durchsetzbaren Anspruch mehr gegen den Beklagten hat. Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs beginnt in vorliegender Konstellation frühestens mit der Befriedigung des Dritten, also der Bank, aus der Gesellschaftssicherheit und somit unabhängig von der Durchsetzbarkeit der Bürgschaft.

Fazit

Angesichts des Urteils lässt sich nur festhalten, dass Gesellschafter, die eine Bürgschaft für Forderungen von Dritten gegen die Gesellschaft eingegangen sind, im Falle der Insolvenz unabhängig von einer möglichen Verjährung des Anspruchs, die Forderung des Dritten in jedem Fall direkt zu begleichen haben oder der Gesellschaft den vorausgelegten Betrag zu erstatten haben. Anderenfalls ist mit einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter zu rechnen. Die Verstrickung der Gesellschaftersicherheit erfolgt zudem kraft Gesetzes und kann daher nicht durch vertragliche Vereinbarung abbedungen werden.

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Johanna Gillert

Johanna Gillert

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