Eröffnung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch die Eröffnung der Mobilität für Personengesellschaften durch die anstehende Reform des Personengesellschaftsrechts

§ 706 BGB in der Fassung des Gesetzesentwurfs der Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf?__blob=publicationFile&v=3 ) sieht ein Sitzwahlrecht für Personengesellschaften vor.

Die Regelung des § 706 BGB-E in der Fassung des MoPeG lautet:

„Sitz der Gesellschaft ist der Ort, an dem die Geschäfte tatsächlich geführt werden (Verwaltungssitz). Ist die Gesellschaft im Gesellschaftsregister eingetragen, kann der Verwaltungssitz von dem Ort im Inland abweichen, den die Gesellschafter als Sitz vereinbart haben (Vertragssitz).“

Nach geltendem Recht und ständiger Rechtsprechung des BGH gilt bisher nur der tatsächliche Ort der Verwaltung als Sitz einer Personengesellschaft ungeachtet anderslautender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag. Nach dem Entwurf des MoPeG wird es nun eingetragenen Personengesellschaften ermöglicht, einen vom tatsächlichen Verwaltungssitz abweichenden Vertragssitz festzulegen. Während der Vertragssitz im Inland belegen sein muss, kann sich der Verwaltungssitz auch im Ausland befinden. Der Gesetzesentwurf gestattet deutschen Personengesellschaften damit den – auch steuerlich motivierten – Wegzug aus Deutschland.

Bislang war diese Mobilität nur Kapitalgesellschaften eröffnet: So hat das MoMiG im Jahre 2008 durch Änderung des § 4a GmbHG GmbHs den Wegzug aus Deutschland durch Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland als Reaktion auf die europarechtlich gebotene Anerkennung des Zuzugs ausländischer Rechtsformen, insbesondere der englischen Limited, ermöglicht.

Der Gesetzesentwurf der Expertenkommission eröffnet diese Mobilität nun allen eingetragenen Personengesellschaften. Über §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB findet die Regelung des § 706 BGB-E auch auf offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften und mithin auch GmbH & Co. KGs Anwendung.

Das Schicksal der wegziehenden Personengesellschaft hängt in der Folge vom Aufnahmestaat ab: Folgt dieser wie auch der BGH grundsätzlich der sogenannten Sitztheorie, wonach sich das Gesellschaftsstatut nach dem Ort des effektiven Verwaltungssitzes richtet, so wird die deutsche Personengesellschaft als solche nicht anerkannt. Viele kontinentaleuropäische Staaten wie beispielsweise Belgien, Frankreich und Luxemburg folgen ebenfalls der Sitztheorie. Nach der sogenannten Gründungstheorie ist der Ort der Gründung bzw. der Registereintragung der Gesellschaft maßgeblich. Dieser Ansatz ist insbesondere in angelsächsischen Rechtsordnungen (USA und Großbritannien) und in den meisten Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion herrschend.

Die beiden Theorien führen bei einer internationalen Sitzverlegung zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen. So ermöglicht die Gründungstheorie problemlos eine Sitzverlegung, weil die Gesellschaft weiterhin nur nach dem Recht des Gründungsstaates wirksam verfasst sein muss. Nach der Sitztheorie führt eine Sitzverlegung jedoch grundsätzlich zur Auflösung.

Allerdings wird die Sitztheorie zum einen europarechtlich und zum anderen aufgrund bilateraler Verträge (z. B. der deutsch-amerikanische Freundschaftsvertrag) und multilateraler Abkommen (z. B. das EWR-Abkommen) überlagert: Staaten, die wie Deutschland grundsätzlich der Sitztheorie anhängen, wenden diese gegenüber Mitgliedern der EU aufgrund der Niederlassungsfreiheit und im Anwendungsbereich der internationalen Verträge nicht an. Das bedeutet, sie erkennen die nationale Entscheidung, den Wegzug zu gestatten, an und verweisen auf das Gesellschaftsstatut des Gründungsstaates.

Damit wird der Wegzug einer deutschen Personengesellschaft in das europäische Ausland bei Wahrung der Identität der Gesellschaft ermöglicht werden. Der Gesetzesentwurf eröffnet damit steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten für Gesellschaften, etwa für Immobiliengesellschaften, die keine Betriebsstätte im Inland benötigen.

Die Reform des Personengesellschaftsrecht ist im Koalitionsvertrag (S. 131) vereinbart; mit einem Gesetzgebungsverfahren wird noch in dieser Legislaturperiode gerechnet.

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Andrea Heuser

Andrea Heuser

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