Erleichterungen im zivilen Rechtsverkehr während der COVID-19-Pandemie

Der Bundestag und der Bundesrat haben am 26./27.03.2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie beschlossen. Dies sieht zu einzelnen Rechtsbereichen Erleichterungen im Rechtsverkehr vor, die wir nachfolgend kurz skizzieren.

Insolvenzrecht

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a Insolvenzordnung für Gesellschaften und nach § 42 BGB für Vereine wird bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf der COVID-19-Pandemie beruht. War der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig wird aber vermutet, dass die Insolvenzreife auf die COVID-19-Pandemie zurückgeht. Dies bedeutet eine Beweiserleichterung, weil die gesetzliche Vermutung zwar entkräftet werden kann, aber eben auch muss. In der Praxis wird ein etwa bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter aber in der Regel in der Lage sein, den Zeitpunkt und den Grund der Insolvenzreife festzustellen, womit die gesetzliche Vermutung entkräftet werden könnte.

Mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht geht eine Einschränkung der Organhaftung für die Geschäftsleiter einher:

  • Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang gelten während dieser Zeit als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar. Dies bedeutet, dass das „scharfe Schwert“ der persönlichen Haftung der Geschäftsleiter „entschärft“ ist.
  • Die bis zum 30.09.2023 erfolgte Rückzahlung eins Darlehens, auch Gesellschafterdarlehens, das während des Aussetzungszeitraums aufgenommen worden ist, gilt nicht als gläubigerbenachteiligend, was Voraussetzung einer Anfechtung wäre.

Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum sind nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen. Dies kann die Kreditvergabe vereinfachen, weil die Kreditinstitute nicht abschließend beurteilen müssen, ob die Rettung mit der Gewährung des Kredits möglich ist oder die Insolvenz nur verzögert wird.
Anfechtungen von kongruenten Rechtshandlungen während des Aussetzungszeitraums werden erschwert und sind nur noch möglich, wenn dem Gläubiger bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht geeignet waren, die eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Offen bleibt, wer die Kenntnis des Gläubigers beweisen muss. Nach allgemeinen Regeln dürfte dies der Insolvenzverwalter sein.
Die Regelungen treten rückwirkend ab 01.03.2020 in Kraft. Eine zeitliche Begrenzung ist nicht vorgesehen. Eine zeitliche Begrenzung findet sich aber im Gesetzestext (30.09.2020).

 

Gesellschaftsrecht

Gesellschafterversammlungen und Hauptversammlungen können virtuell erfolgen. Dies ist insbesondere in der anstehenden „Saison“ der Hauptversammlungen bei Aktiengesellschaften wichtig. Die Möglichkeit zur Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung besteht, wenn

  • die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt,
  • die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist,
  • den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird,
  • den Aktionären, die ihr Stimmrecht entsprechend ausgeübt haben, in Abweichung von § 245 Nummer 1 des Aktiengesetzes unter Verzicht auf das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.

Der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet; er kann auch vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind. Daneben bestehen weitere Regelungen etwa zur Verkürzung der Ladungsfrist und den satzungsmäßigen Voraussetzungen.

Bei der GmbH sieht das Gesetz lediglich die Beschlussfassung im Umlaufverfahren auch ohne Zustimmung aller Gesellschafter vor. Eine virtuelle Gesellschafterversammlung bedarf damit nach wie vor einer satzungsrechtlichen Grundlage. Ansonsten gilt: Präsenzversammlung oder Umlaufbeschluss.

Auch für Genossenschaften gelten Erleichterungen, namentlich die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat sowie die Einberufung via Internet und die schriftliche oder elektronische Stimmabgabe.
Im Verein kann der Vorstand den Mitgliedern die Teilnahme an der Mitgliederversammlung in elektronischer Form bzw. die schriftliche Stimmabgabe auch ohne Satzungsgrundlage zubilligen. Die Beschlussfassung ohne Mitgliederversammlung ist ebenfalls möglich, wenn sich mindestens die Hälfte der Mitglieder beteiligt.
Die Regelungen treten am Tage der Verkündung in Kraft und gelten bis zum 31.12.2021.

 

Darlehen

Die Erleichterungen im Darlehensverkehr gelten nur für Verbraucherdarlehen.