BGH: Weites Ausmaß der Nachhaftung des ehemaligen GbR-Gesellschafters für Altverbindlichkeiten der GbR bei Dauerschuldverhältnissen

Durch sein Urteil vom 03.07.2020 (Az. V ZR 250/19) stellte der BGH noch einmal klar, von welch herausragender Bedeutung die Bekanntmachung seines Ausscheidens aus der Gesellschaft für einen Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern sein kann. In dem von dem BGH zu entscheidenden Fall muss ein im Jahre 2002 aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ausgeschiedener Gesellschafter für einen im Jahre 2014 gegenüber der GbR geltend gemachten Anspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis haften.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Grundbuch ist seit 1994 eine GbR als Eigentümerin eines Miteigentumsanteils eingetragen. Der Beklagte war Gesellschafter dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Gesellschaftsvertrag der GbR beinhaltete eine Regelung, nach der ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn über sein Vermögen das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet wird. Der Beklagte schied aufgrund dieser Klausel im Jahre 2002 aus der Gesellschaft aus, nachdem über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Im September 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer der Klägerin, dass die GbR eine monatliche Hausgeldvorauszahlung für das Jahr 2014 zahlen müsse. Im Oktober 2014 und im September 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer zudem die Jahresabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014, welche jeweils von der GbR zu leistende Abrechnungsspitzen vorsahen.

Im März 2017 wurde im Grundbuch eingetragen, dass der Gesellschaftsanteil des Beklagten an dem Wohnungseigentum den Mitgesellschaftern der GbR angewachsen ist.

Die im Jahr 2017 erhobene Zahlungsklage gegen den Beklagten war in erster Instanz erfolgreich. Die eingelegte Berufung war erfolglos und der BGH wies die Revision nun als unbegründet zurück.

Entscheidungsinhalt

Der BGH entschied entsprechend seiner Vorinstanzen, dass der Beklagte gem. § 128 HGB analog, § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 Abs. 1 HGB für die streitgegenständlichen Beitragspflichten der GbR haftet.

Die Klägerin hat gegen die GbR einen Anspruch nach § 16 Abs. 2 WEG für die Beitragszahlungen. Der Beklagte haftet als Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nach § 128 HGB analog. Nach § 736 Abs. 2 BGB finden die für Personenhandelsgesellschaften geltenden Reglungen über die Begrenzung der Nachhaftung Anwendung. Folglich ist § 160 HGB sinngemäß auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwendbar. Ein Gesellschafter, der aus der Gesellschaft ausscheidet, haftet für die von der Gesellschaft bis dahin begründeten Verbindlichkeiten (sog. Altverbindlichkeiten), wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 des BGB bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

Der 5. Zivilsenat des BGH führte sodann aus, dass es entscheidend darauf ankomme, ob es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen um Altverbindlichkeiten nach § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB handele. Altverbindlichkeiten seien alle Schuldverpflichtungen, deren Rechtsgrundlage bis zum Ausscheiden des Gesellschafters bereits gelegt worden seien, auch wenn die einzelnen Verpflichtungen erst später entstehen und fällig würden. Es komme bei dem vorliegenden gesetzlichen Schuldverhältnis darauf an, ob der das Schuldverhältnis begründende Tatbestand bereits vor dem Ausscheiden des Gesellschafters erfüllt gewesen sei. Nach Auffassung des BGH sei die Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Beitragsverpflichtungen des Wohnungseigentümers bereits mit Erwerb des Wohnungseigentums gelegt worden und nicht erst durch die Beschlüsse der Wohnungseigentümer. Jeder Wohnungseigentümer schulde ab dem Zeitpunkt des Erwerbs dem Grunde nach anteilig die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums.

Der BGH betonte, dass diese Haftung dem Sinn und Zweck des § 160 Abs. 1 HGB entspreche. Der Sinn und Zweck sei zum einen, eine Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters zeitlich zu begrenzen, aber zum anderen auch die Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu schützen. Die gesetzlich normierte Ausschlussfrist berücksichtige und gleiche die Interessen der Beteiligten aus. Mit ihr seien zwar gewisse Härten verbunden, letztlich stelle die Ausschlussfrist jedoch für keinen der jeweils Beteiligten eine unzumutbare Härte dar.

Der Senat führt weiter aus, dass dieser Umfang der Nachhaftung für Altverbindlichkeiten auch für vertragliche Schuldverhältnisse gelte. Bei solchen umfasse die Nachhaftung neben den primären Zahlungsverpflichtungen auch Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Pflichtverletzungen, selbst wenn diese erst nach dem Ausscheiden des Gesellschafters begangen werden würden.

Fazit

Das Urteil des BGH hebt noch einmal hervor, wie wichtig es für einen ausscheidenden GbR-Gesellschafter ist, sein Ausscheiden aus der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftsgläubigern anzuzeigen. Nur durch diese Anzeige kann die zeitlich auf fünf Jahre begrenzte Nachhaftung nach § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB in Gang gesetzt werden. Als Folge dieses klarstellenden BGH-Urteils sollte eine Anzeige gegenüber Gläubigern aus gesetzlichen Schuldverhältnissen oder vertraglichen Dauerschuldverhältnissen nicht vernachlässigt werden.