BGH: Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters nunmehr auch bei offener Einlage ohne gleichzeitige Beschlussfassung über die Verwertung seines Geschäftsanteils möglich

Der BGH entschied mit seinem Urteil vom 04.08.2020 (Az. II ZR 171/19), dass ein GmbH-Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht erbracht hat, wobei zu dem Zeitpunkt des Ausschlusses dabei noch kein Beschluss über die Verwertung dieses Geschäftsanteils gefasst worden sein muss.

Sachverhalt

Der Kläger und der Nebenintervenient waren Gesellschafter der Beklagten, einer GmbH. Das Stammkapital wurde vollständig eingezahlt. Zu einem späteren Zeitpunkt beschlossen die Gesellschafter eine Kapitalerhöhung und vereinbarten, dass ein Teil der Einlagen sofort und die restlichen Einlagen jeweils nach Aufforderung durch die Beklagte fällig werden sollten.

Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte ein Gesellschafter durch Beschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können, wenn die Einzahlung von Gesellschaftskapital aufgrund einer Kapitalerhöhung ganz oder anteilig länger als drei Monate nicht erfolgt und auch nach erneuter Zahlungserinnerung mit entsprechendem Hinweis binnen eines weiteren Monats nicht erfolgt. Maßgeblicher Zeitpunkt des Ausschlusses für den betreffenden Gesellschafter sollte dabei die Zustellung des Ausschließungsbeschlusses bei diesem sein. In der Folge sah der Gesellschaftsvertrag vor, dass der ausgeschlossene Gesellschafter nach der Wahl der Gesellschaft die Einziehung seines Geschäftsanteils zu dulden hatte oder verpflichtet war, den Anteil an die Gesellschaft, an einen Gesellschafter oder an einen von der Gesellschaft bezeichneten Dritten zu veräußern und abzutreten.

Nachdem der Kläger die Resteinlage trotz Aufforderung der Beklagten nicht einzahlte, forderte der Geschäftsführer der Beklagten ihn zur Zahlung innerhalb eines Monats unter Hinweis des Ausschlusses auf. Da auch anschließend keine Einzahlung erfolgte, wurde in der Gesellschafterversammlung der Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft beschlossen. In der Gesellschafterversammlung wurde jedoch kein Beschluss über die Verwertung der Gesellschaftsanteile des Klägers beschlossen.

Entscheidungsinhalt

Der 2. Zivilsenat des BGH entschied, dass es keiner Gleichzeitigkeit des Ausschlusses und Entscheidung über das Schicksal des Geschäftsanteils zum Schutz der Kapitalaufbringung bedürfe, soweit die Einlageforderung der Gesellschaft bereits fällig gestellt wurde. Wenn der auszuschließende Gesellschafter seine Einlage noch nicht vollständig geleistet habe, stehe dies nur der Einziehung seines Geschäftsanteils in Vollzug der Ausschließung entgegen. Hiermit erleichtert der BGH den Ausschluss eines Gesellschafters, der seine Einlage noch nicht erbracht hat.

Der BGH betonte, dass das Verbot der Einziehung eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils gem. § 33 Abs. 1 GmbHG nicht aus dem Grundsatz der Kapitalerhaltung hergeleitet sei, sondern aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung. Eine Einziehung sei nur zulässig, wenn die auf den einzuziehenden Geschäftsanteil zu erbringende Einlageleistung vollständig erbracht sei. Dies ergebe sich aus § 19 Abs. 2  Satz 1 GmbHG, wonach der Gesellschafter von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage nicht befreit werden könne.

Der Senat führte aus, dass es keine Nachteile mit sich bringe, wenn erst nach dem Ausschluss über die Verwertung des Geschäftsanteils des Ausgeschlossenen entschieden werde statt einer zeitgleichen Beschlussfassung. Der Schutz der Kapitalaufbringung sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dadurch nicht gefährdet. Dies sollte aber nur für den Fall gelten, dass die Einlageleistung bereits von der Gesellschaft fällig gestellt wurde. Durch die Regelung des Gesellschaftsvertrages verbleibe der Gesellschaft für die noch nicht erfolgte Einlage weiterhin die Wahl, die betroffenen Gesellschaftsanteile des ausgeschiedenen Gesellschafters an einen anderen Gesellschafter oder einen von der Gesellschaft bezeichneten Dritten zu veräußern und abzutreten. Die Einziehung der Geschäftsanteile oder die Abtretung an die Gesellschaft sei zum Zeitpunkt des Ausschlusses aufgrund der fälligen noch nicht erbrachten Einlage nicht möglich. Der Geschäftsanteil bleibe durch die Ausschließung unberührt und der ausgeschlossene Gesellschafter hafte für die bereits fällig gestellte Einlageforderung weiter. Dementsprechend bleibe die Gesellschaft bis zur Verwertung des Geschäftsanteils auch nicht ohne Schuldner. Der Schutz der Kapitalaufbringung verschlechtere sich bei fällig gestellten Einlageforderungen durch die Ausschließung somit nicht.

Fazit

Das Urteil des BGH entspricht der Gesetzgebung und liegt im Interesse der Gesellschaft. Die Möglichkeit des zeitlichen Auseinanderfallens des Ausschlusses eines Gesellschafters und eines Beschlusses über die Verwertung seines Geschäftsanteils ist nunmehr höchstrichterlich entschieden.

Ein Entschluss über das Schicksal des Geschäftsanteils ist insbesondere deswegen nicht zeitgleich notwendig, weil der ausscheidende Gesellschafter bis zur tatsächlichen Einlagenerbringung bei einer fällig gestellten Einlage weiter für diese haftet und somit eine Leistungsbefreiung nicht droht. Der ausscheidende Gesellschafter hatte die Möglichkeit, die Einlage zu erbringen und hat dies trotz Aufforderung unterlassen. Es liegt somit auch im Interesse der Gesellschaft, diesen Gesellschafter auszuschließen und, dass die Einlage schließlich durch einen Dritten erbracht wird.

Die Kapitalaufbringung wird dadurch nicht nur geschützt, sondern sogar gefördert.