Ausnahmen bestätigen die Regel – BGH-Urteil zu gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklauseln mit allseitigem Abfindungsausschluss

Für die Vertragsgestaltungspraxis bei Personengesellschaften ist es seit langem durch die Rechtsprechung anerkannt, dass für den Fall des Versterbens eines Gesellschafters die Anwachsung seines Geschäftsanteils bei den verbleibenden Gesellschaftern unter vollständigem Abfindungsausschluss der Erben vereinbart werden kann. Dies stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Schenkung im Sinne von § 516 BGB dar, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch der Hinterbliebenen des verstorbenen Gesellschafters auslösen könnte (BGH, Urteil vom 26.03.1981 – IVa ZR 154/80; Urteil vom 20.12.1965 – II ZR 145/64).

Begründet wird diese Rechtsprechung damit, dass zum einen diese gesellschaftsvertraglichen Nachfolgevereinbarungen – jedenfalls bei Personenhandelsgesellschaften – primär gewährleisten sollen, dass das Gesellschaftsunternehmen beim Tod eines Gesellschafters erhalten bleibt und seine Fortführung nicht durch Abfindungsansprüche erschwert wird. Zum anderen handelt es sich beim allseitigen Abfindungsausschluss nicht um eine Zuwendung an die Mitgesellschafter, sondern um ein aleatorisches (zufallsabhängiges) Geschäft, da jeder der Gesellschafter dem bzw. den anderen Gesellschaftern das Gleiche zuwendet und jeder im Gegenzug das gleiche Risiko auf sich nimmt, dass der Vorteil der abfindungsfreien Anteilsanwachsung den anderen zufällt.

Der 4. Zivilsenat des BGH sah in einem jüngst zu entscheidenden Fall (Urteil vom 03.06.2020 – IV ZR 16/19) unter Aufrechterhaltung dieser seit Jahrzehnten etablierten Rechtsprechung aber „hinreichend Raum“ für andere Fallgestaltungen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Erblasser hatte mit seiner Ehefrau eine GbR zum Erwerb einer von dem Ehepaar selbst bewohnten Eigentumswohnung gegründet. Der Gesellschaftsvertrag sah eine Fortsetzungsklausel mit Abfindungsausschluss der Erben vor. Testamentarisch hatte der Erblasser einige Jahre später seine Ehefrau als Alleinerbin und den gemeinsamen Sohn als Ersatzerben eingesetzt. Nach dem Tod des Erblassers machte dessen Sohn aus erster Ehe einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB geltend.

Diesen bejahte der BGH in Einklang mit dem Berufungsgericht. Im vorliegenden Fall lag, so der BGH, der Vereinbarung einer Nachfolgeklausel mit Abtretungsausschluss keine gesellschaftsrechtliche Zwecksetzung zur Sicherung des Fortbestands des von der Personengesellschaft betriebenen Unternehmens zugrunde, vielmehr habe die Gesellschaft allein der Wahrnehmung der Eigentümerposition für die von den Gesellschaftern selbst genutzte Wohnung gedient. Zudem fehle es hier an dem aleatorischen Charakter, da die Beteiligten die Anwachsung unter Abfindungsausschluss nicht vereinbart hätten, um unter Übernahme des Risikos eines abfindungsfreien Verlusts der eigenen Gesellschaftsanteile eine Chance auf den Erwerb der Anteile des jeweiligen Mitgesellschafters zu erwerben. Die abfindungsfreie Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die Ehefrau und Mitgesellschafter sei, so der BGH, gerade das vom Erblasser mit der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung verfolgte Ziel gewesen. Hierfür spreche auch, dass er seine Ehefrau testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt habe.

Fazit

Das in der Praxis weit verbreitete Gestaltungsmodell der gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel unter allseitigem Abfindungsausschluss ist durch das BGH-Urteil keineswegs vollständig gekippt worden. Bei vermögensverwaltenden Gesellschaften unter Ehegatten und ggf. auch Kindern dürfte aufgrund der BGH-Entscheidung jedoch in Zukunft ein Pflichtteilsergänzungsanspruch der durch die Vereinbarung benachteiligten Pflichtteilsberechtigten entstehen. Daher sollten bestehende Vereinbarungen sorgfältig geprüft und bei künftigen Gestaltungen genauer auf die konkrete Fallkonstellation geachtet werden.

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Doris Deucker

Doris Deucker

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