Das OLG Köln (Urt. v. 28.02.2025, Az. I-6 U 107/24, 6 U 107/24) hat die Verantwortlichkeit eines (nicht persönlich haftenden) Gesellschafters für Urheberrechtsverletzungen der Gesellschaft verneint und eine Störerhaftung im Kontext einer vom Gesellschafter selbst eingereichten sog. Counter-Notification abgelehnt.
Sachverhalt
Die Antragstellerin begehrt die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung von Videos auf der Plattform YouTube durch den Antragsgegner. Der Antragsgegner ist Gesellschafter von zwei Gesellschaften, die Betreiber des betroffenen Kanals auf YouTube waren.
Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass jedenfalls die Passivlegitimation des Antragsgegners nicht glaubhaft gemacht sei, weil dieser weder bestellter noch faktischer Geschäftsführer der jeweiligen Betreiber des angegriffenen YouTube-Angebots sei. Die Stellung als Gesellschafter begründe ebenfalls nicht die Haftung des Antragsgegners. Dies gelte ebenfalls die Abfassung einer sog. „Counter-Notification“ im Rahmen eines von der Antragstellerin bei YouTube angestrengten Löschungsverfahrens.
Hinweis: Bei einer sog. „Counter Notification“ handelt es sich um einen Teil eines etablierten Verfahrens für Urheberrechtsstreitigkeiten. Wird ein Videoinhalt wegen eines behaupteten Verstoßes gesperrt oder entfernt, hat der betroffene Nutzer die Möglichkeit, eine „Counter-Notification“ einzureichen, um die Sperrung unter Angabe von Gründen gegen die Annahme einer Urheberrechtsverletzung anzufechten.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Antragstellerin den Unterlassungsanspruch weiter.
Entscheidung
Das OLG Köln hat die Berufung zurückgewiesen und eine Haftung des Gesellschafters abgelehnt.
Das Landgericht habe den Unterlassungsanspruch zurecht als unbegründet angesehen, da die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass der Antragsgegner in seiner Rolle als Gesellschafter als Verletzer im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG anzusehen sei.
Insoweit sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer seine zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung – hier der Verletzung urheberrechtlicher Rechtspositionen – beteiligt, nach den im Strafrecht entwickelten Grundsätzen beurteile.
Eine Haftung dadurch, dass der Antragsgegner selbst den Upload des streitbefangenen Videos vorgenommen hätte, habe das Landgericht zutreffend verneint. Dieser Vortrag sei auch erkennbar ins Blaue hinein gehalten, da die Antragstellerin keine eigenen Erkenntnisse über den Upload-Vorgang haben könne und dies lediglich annehme.
Eine Störerhaftung nur aufgrund der Stellung des Antragsgegners als Gesellschafter der als Betreiber des auf YouTube betriebenen Kanals betroffenen Gesellschaften müsse ebenfalls ausscheiden. Die reine Stellung als Gesellschafter könne schon nach der Wertung des § 99 UrhG, wonach der Unternehmensinhaber, also die hinter dem Unternehmen stehende Gesellschaft und die persönlich haftenden Gesellschafter, für Rechtsverletzungen von Arbeitnehmern und Beauftragten einzustehen hat, nicht als adäquat-kausal für die Rechtsverletzung angesehen werden. Denn dann würde die Störerhaftung „uferlos“ über die von § 99 UrhG vorgesehenen Fälle ausgedehnt. Die gesellschaftsrechtlichen Regeln über die Trennung von Gesellschaft und nicht persönlich haftendem Gesellschafter würden unterlaufen.
Zutreffend seien in diesem Zusammenhang auch die Erwägungen des Landgerichts dazu, dass die Abfassung einer „Counter-Notification“ gegenüber dem Betreiber von YouTube durch den Antragsgegner keinen Anhalt dafür liefere, dass er selbst auch für die Verletzungshandlung verantwortlich wäre. Dass sich der Gesellschafter als Zustellungsbevollmächtigter benannt habe, sei unbeachtlich. Wie das Landgericht mit Recht ausgeführt habe, könnte die Benennung einer eigenen Empfangszuständigkeit zwar ein Indiz für eine Rolle des Antragsgegners sein, die über die eines reinen Gesellschafters hinausgehe. Die weiteren Umstände des Falls konnten das OLG Köln – ebenso wie in der Vorinstanz des LG Köln – allerdings nicht von einer entsprechenden Rolle des Antragsgegners überzeugen. Erst recht könne aus dem Umstand der Vornahme der „Counter Notification“ durch den Antragsgegner und den Inhalt der „Counter Notification“ nicht gefolgert werden, dass der Antragsgegner hierdurch gleichsam seinen rechtsgeschäftlichen Beitritt zu einer Unterlassungsverpflichtung der Gesellschaft erklärt habe.
Der Antragsgegner sei auch nicht zur Vermeidung seiner eigenen Haftung verpflichtet, „Ross und Reiter“ zu nennen und denjenigen zu benennen, der für den Upload verantwortlich war. Zwar habe die Rechtsprechung in den sog. Filesharing-Fällen angenommen, dass den in Anspruch genommenen Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast dahin treffen kann, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne sein Wissen und Zutun zu begehen. In diesen Fällen bestehe jedoch durch das Innehaben des Internetanschlusses eine valide Grundlage für die Vermutung der Täterschaft dieses Anschlussinhabers. Bei einem nicht persönlich haftenden Gesellschafter, bei dem keine vergleichbaren Einflussmöglichkeiten bzw. Vermutungsgrundlage für eine Täterschaft bestünden, sei dies jedoch abweichend zu beurteilen.
Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Köln ist für urheberrechtliche Streitigkeiten, insbesondere mit vorgelagerten Verfahren und „Counter Notification“, von praktischer Bedeutung und im Ergebnis zu begrüßen.
Auch wenn das OLG Köln im vorliegenden Fall eine Haftung des Gesellschafters verneint hat, ist die Entscheidung mit Blick auf vom OLG Köln berücksichtigte Einzelfallaspekte kein Freibrief. Gesellschafter sollten zur präventiven Risikobegrenzung die Abgabe von „Counter Notifications“ den operativ zuständigen Personen der Gesellschaft zu überlassen. Dass das OLG Köln keine sekundäre Darlegungslast des Gesellschafters dahingehend angenommen hat, wer in der Gesellschaft bestimmte Entscheidungen getroffen oder Handlungen vorgenommen hat, ist zu begrüßen. Im Unterschied zu „Filesharing“-Fällen bildet die Gesellschafterstellung allein keine belastbare Vermutungsgrundlage.