Gesundheitsrecht/Health-Care/Pharmarecht: BVerwG zu Vertriebsmodellen europäischer pharmazeutischer Unternehmen unter Beteiligung von nicht in der Europäischen Union (Drittland) ansässigen Konzernunternehmen

In seinem Urteil vom 25.02.2021 (Az. 3 C 1.20, NVwZ-RR 2021, 637) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu Vertriebsmodellen europäischer pharmazeutischer Unternehmen unter Beteiligung von nicht in der Europäischen Union (Drittland) ansässigen Konzernunternehmen ausführlich Stellung bezogen.

Zum Sachverhalt

In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Voraussetzungen für den Bezug von Arzneimitteln, die von einem Schweizer Lieferanten verkauft, aber in Frankreich hergestellt und von dort in die Bundesrepublik geliefert werden. Es klagte ein pharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in Deutschland, das Inhaber einer Herstellungserlaubnis sowie einer Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln war und im Bundesgebiet Arzneimittel vertrieb. Das Unternehmen gehörte als Tochterunternehmen zu einem Schweizer Mutterkonzern, der weltweit über Produktionsstätten verfügte und im Besitz einer Erlaubnis zum Arzneimittelgroßhandel nach Schweizer Recht war. Das klagende Unternehmen hatte mit seinem Mutterkonzern eine Vereinbarung getroffen, auf deren Grundlage sie Arzneimittel von ihm erwarb. Die Arzneimittel wurden in einem in Frankreich ansässigen Schwesterunternehmen, das im Besitz einer von den französischen Behörden ausgestellten Herstellungserlaubnis war, hergestellt und unmittelbar von dort an das klagende Unternehmen geliefert. Die Behörde beanstandete dieses Vertriebsmodell und stellte fest, dass – obwohl die Arzneimittel körperlich aus der EU (Frankreich) geliefert würden – der Handel mit einer in der Schweiz (Drittland) ansässigen Firma erfolge, die nicht über eine Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln in der EU verfüge und somit die Arzneimittel von einem nicht zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Großhändler bezogen würden (§ 4a Abs. 1 AM-HandelsV). Das Unternehmen legte die Normen anders aus und hielt dem entgegen, dass das gewählte Vertriebsmodell im Einklang mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften stehe. Nach Art. 85a Sätze 2 und 3 der Richtlinie 2001/83/EG sei der Bezug von Arzneimitteln aus Drittländern ausdrücklich erlaubt, wenn der Verkäufer eine nach den einschlägigen Vorschriften des Drittstaats erteilte Großhandelsgenehmigung besitze. Aus § 4a der deutschen Arzneimittelhandelsverordnung ergebe sich nichts anderes, weil die Vorschrift auch in Drittländern erteilte Berechtigungen zur Abgabe von Arzneimitteln umfasse. Die von der beklagten Behörde befürchtete Sicherheitslücke könne nicht entstehen, weil die Arzneimittel innerhalb der Europäischen Union und mit gültiger Erlaubnis hergestellt und von dort unmittelbar nach Deutschland geliefert würden.

Die Entscheidung

Das BVerwG hat die Revision des klagenden pharmazeutischen Unternehmens als nicht begründet zurückgewiesen. Arzneimittelgroßhändler dürften ihre Vorratsbestände nur bei Personen beschaffen, die über eine von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erteilte Erlaubnis verfügen. Eine nach Schweizer Recht erteilte Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln genüge hierfür nicht. Dies stehe auch mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang. Das beanstandete Vertriebsmodell des pharmazeutischen Unternehmens weise zwar Parallelen zu einem Einfuhrtatbestand auf, weil die Arzneimittel von einem Schweizer Unternehmen erworben werden. Eine Einfuhr im Sinne des Arzneimittelgesetzes liege aber nicht vor, weil die Arzneimittel nicht aus einem Drittstaat in den zollrechtlich freien Verkehr des europäischen Wirtschaftsraums überführt werden (vgl. § 4 Abs. 32 Satz 2 AMG). Die Arzneimittel würden vielmehr in Frankreich hergestellt und dort auch freigegeben. Die Beschaffung stelle daher einen Großhandel mit Arzneimitteln dar (vgl. § 4 Abs. 22 AMG) und unterliege den Vorgaben der Arzneimittelhandelsverordnung (§ 1 Satz 1 AM-HandelsV).

Konsequenzen

Die Leitungen pharmazeutischer Unternehmen, die Konzerngesellschaften im Bereich der Europäischen Union und zudem in Drittstaaten haben, werden im Zuge der Compliance die Vergleichbarkeit ihrer Unternehmensstruktur mit der Unternehmensstruktur des in dem beim Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall prüfen und sich zudem fragen müssen, ob bzw. inwieweit eine Anpassung der bestehenden vertraglichen Gestaltung der Beziehungen zwischen den Konzernunternehmen geboten und ggf. die Einleitung von Genehmigungsverfahren erforderlich ist.