Auf Reform folgt Reform: Bundesregierung veröffentlicht weiteren Gesetzesentwurf zur Änderung des UWG

Unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat die Bundesregierung am 20. Januar 2021 einen Entwurf zur Überarbeitung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) veröffentlicht. Dieser soll zum einen die verbraucherschutzrechtlichen Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/2161 umsetzen, zum anderen die wettbewerbsrechtliche Unsicherheit im Bereich des sog. Influencer-Marketings beseitigen. Nachdem das UWG erst zu Beginn des Jahres erhebliche Änderungen erfahren hat, folgt damit auf dem Fuße der nächste Schlag.

Inhalt des Gesetzesentwurfs

1. Online-Marktplätze

Der erste Regelungskomplex soll den Verbraucherschutz auf sog. Online-Marktplätzen (amazon und Co.) stärken. Hierzu werden zunächst die Begriffe „Online-Marktplatz“ und „Ranking“ in den Katalog des § 2 Abs. 1 UWG-E aufgenommen und definiert. Anschließend bestimmt § 5b UWG-E, welche Informationen bei Geschäften auf Online-Marktplätzen wesentlich sind, dem Verbraucher entsprechend nicht vorenthalten werden dürfen.

Der Entwurf verpflichtet die Betreiber von Online-Marktplätzen, den Verbraucher darüber zu informieren, ob die Waren- und Dienstleistungsanbieter auf ihrem Marktplatz „nach eigener Aussage“ Unternehmer sind (§ 5b Abs. 1 Nr. 6 UWG-E). Dies soll dem Verbraucher eine bessere Entscheidungsgrundlage für den Geschäftsabschluss vermitteln, hängt von der Unternehmereigenschaft des Vertragspartners ab, ob dem Kunden Verbraucherschutzrechte zustehen.

Vielfach enthalten Online-Marktplätze eine Suchfunktion, mittels derer Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Anbieter recherchiert werden können. Bedeutsam für die Entschließung zum Vertragsschluss ist dann oftmals die Reihenfolge, in welcher die Suchergebnisse angezeigt werden. Für Online-Markplätze verlangt § 5b Abs. 2 UWG-E daher, dass der Verbraucher über die „Hauptparameter für die Festlegung dieses Rankings“ sowie über deren „relative Gewichtung untereinander“ informiert wird.

Ein ebenfalls wichtiger Faktor bei der Entscheidung für oder gegen einen Online-Kauf sind schließlich die Bewertungen und Empfehlungen anderer Nutzer. Der Umstand, dass Bewertungen oftmals schlicht „gekauft“ sind und sich spezielle Services und Angebote für eine „Verbesserung“ von Anzahl und Aussage von Bewertungen etabliert haben, spricht für sich. Gerade Verbraucher orientieren sich ganz erheblich an Bewertungen, so dass manipulativen Tendenzen entgegenzuwirken ist. Vor diesem Hintergrund sieht § 5b Abs. 3 UWG-E vor, dass Unternehmer – die solche Bewertungen zugänglich machen – darüber informieren müssen, ob und wie sie die Authentizität der Nutzbewertungen sicherstellen.

Komplettiert werden diese neuen Informationspflichten durch eine Erweiterung der Unlauterkeitstatbestände im Gesetzesanhang: Hiernach ist z.B. die Übermittlung und Beauftragung gefälschter Nutzerbewertungen stets unzulässig (Nr. 23c, Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG-E).

2. Schadensersatzanspruch für Verbraucher

Eine zweite zentrale Neuerung betrifft § 9 UWG. Sah diese Norm bislang nur einen Schadensersatzanspruch unter Mitbewerbern vor, räumt der Regierungsentwurf einen solchen Anspruch nunmehr erstmalig auch Verbrauchern ein (§ 9 Abs. 2 UWG-E), die durch eine unzulässige geschäftliche Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wurden, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Die Regelung soll den bereits weitgehenden, aber nach der Gesetzesbegründung nicht lückenlosen Schutz, den das bürgerliche Recht gegen unlautere Geschäftspraktiken bietet, ergänzen.

3. Neue Sanktionsmöglichkeit

Eine dritte und wohl höchst zentrale Neuerung betrifft die Einführung einer koordinierten staatlichen Sanktionsmöglichkeit im Wettbewerbsrecht. § 5c UWG-E statuiert zunächst, dass die Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen, die einen weitver-breiteten Verstoß bzw. einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension begründen (vgl. Art. 3 Nr. 3 und 4 EU-VO 2017/2394), verboten ist. § 19 Abs. 1 und 2 UWG-E legt korrespondierend fest, dass ein Verstoß gegen § 5c UWG-E eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einem umsatzabhängigen Bußgeld von bis zu zwei Millionen Euro geahndet werden kann. Die Regelung soll ausweislich der Entwurfsunterlagen einen weiteren ökonomischen Anreiz zur Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Regeln schaffen.

4. Weitere Neuerungen im Überblick

Schließlich enthält der Entwurf punktuelle Änderungen des UWG, die nicht unerwähnt bleiben sollen. So verbietet § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG-E die Vermarktung wesentlich unterschiedlichen Waren im EU-Binnenmarkt als identisch.

Um den Abgrenzungsschwierigkeiten in sozialen Medien zwischen kommerzieller Kommunikation und privater Meinungsäußerung zu begegnen, wird ferner der Anwendungsbereich des UWG im Hinblick auf das sog. Influencer-Marketing konkretisiert: Zum einen bestimmt § 5a Abs. 4 Satz 2 UWG-E explizit, dass eine Kennzeichnungspflicht dann nicht besteht, wenn der Handelnde kein Entgelt bzw. eine ähnliche Gegenleistung erhält; zum anderen wird die Definition der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG-E dahingehend ergänzt, dass diese nicht mehr nur in einem objektiven, sondern auch in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Absatzförderung stehen muss.

Der Entwurf sieht zudem eine Änderung von § 56a GewO zur Bekämpfung aggressiver und irreführender Verkaufspraktiken bei Kaffeefahrten vor – mit Blick auf die aktuellen Umstände eine Regelung, die schon fast aus der Zeit gefallen zu sein scheint.

Anmerkung

Der Regierungsentwurf verfolgt durchaus zielführende Ansätze, bietet aber auch ganz erhebliche Angriffsfläche. So dürfte das Echo des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs – wie schon zum Referentenentwurf – gespalten ausfallen.

Auf der einen Seite ist es inhaltlich begrüßenswert, dass die Stellung des Verbrauchers im (nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie) immer marktdominanteren Online-Handel gestärkt und gängigen Missbrauchspraktiken entgegengewirkt wird. Auf der anderen Seite bedeutet die jetzige Entwurfsfassung einen nicht unerheblichen Arbeits- und Kostenaufwand für die Wirtschaft, der gerade kleinere Unternehmen zusätzlich belasten dürfte.

Bemerkenswert sind allerdings insbesondere die rechtstechnischen Folgen des Entwurfs. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass die einst sehr übersichtliche und abstrakte Gesetzesstruktur des UWG weiter an Masse gewinnt und zu zerfasern droht. Zudem begründet die Einführung eines Individualrechtsbehelfs für Verbraucher in Gestalt des Schadensersatzanspruchs einen Paradigmenwechsel im zuvor weitgehend autonomen Wettbewerbsrecht. Über dessen Erforderlichkeit sowie der des neuen Bußgeldtatbestands dürfte in Zukunft noch weiter diskutiert werden, zumal das UWG bislang ganz gut damit gefahren ist, auf einem Konzept der Marktbereinigung aufzusetzen und keine staatliche UWG-Kontrolle zu etablieren. Ob die Ausweitung von Ordnungswidrigkeiten über den bislang als Einzelfall bestehenden Aspekt unlauterer Telefonwerbung hinaus tatsächlich sinnvoll ist, wird sich zeigen. Zweifel dürfen hier durchaus angebracht sein. Für den deutschen Gesetzgeber besteht angesichts der Umsetzungsvorgaben der EU-Richtlinie 2019/2161 indes wenig Spielraum.

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Dr. Sascha Vander, LL.M.

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