Update: Urteilsgründe zu „BGH: Cookie-Einwilligung II“ lassen viele Fragen offen

Die mit Spannung erwarteten Urteilsgründe zur BGH-Entscheidung „Cookie-Einwilligung II“ (Az. I ZR 7/16) sind nunmehr relativ zeitnah, rund einen Monat im Nachgang zur Entscheidung veröffentlicht worden. Leider hat sich der BGH zu den für die Praxis drängenden Fragen der Realisierung von Einwilligungslösungen für Cookies & Co. nicht weiter geäußert. Die Entscheidungsgründe gehen kaum über das hinaus, was bereits mit der Pressemitteilung des BGH über den Entscheidungsinhalt berichtet wurde.

Hintergrund

Die Beklagte veranstaltete ein Gewinnspiel, bei dem teilnahmewillige Nutzer zwei „Ankreuzkästchen“ vorfanden, zum einen zur Einwilligung in telefonische Werbung, zum anderen – in vorangekreuzter Form – für das Setzen von Cookies für Werbe- bzw. Marketingzwecke. Die Erteilung der Einwilligung in telefonische Werbung war als obligatorisch vorgesehen, wobei der Nutzer die Möglichkeit hatte, aus einer Liste von 57 „Sponsoren und Kooperationspartnern“ eine Auswahl zu treffen, die andernfalls der Beklagten überlassen sein sollte. Beide Einwilligungsverfahren genügten nach Ansicht des BGH nicht den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung.

Entscheidungsgründe

Die Einholung einer Einwilligung mittels eines voreingestellten Kästchens für das Setzen von Cookies zu Werbezwecken sei mit den wesentlichen Grundgedanken des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG nicht vereinbar. Dieser sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung die Einwilligung des Nutzers erforderlich sei.

Diese Auslegung sei mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG vereinbar. Im Fehlen einer (wirksamen) Einwilligung könne mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber das unionsrechtliche Einwilligungserfordernis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtline 2002/58/EG (auf welcher § 15 TMG basieren soll) umgesetzt sah, der eigentlich vom Wortlaut geforderte Widerspruch gesehen werden. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlange von den nationalen Gerichten mehr als die bloße Auslegung innerhalb des Gesetzeswortlauts, sondern finde seine Grenze erst in dem Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfortbildung nach nationalen Methoden unzulässig ist. Er fordere deshalb auch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion.

Im Hinblick auf das praktizierte Verfahren zur Einholung einer Einwilligung für telefonische Werbung stellte sich der BGH auf den Standpunkt, dass insoweit keine Einwilligung „für den konkreten Fall“ gegeben sei, da die Gestaltung darauf angelegt sei, den Verbraucher mit einem aufwendigen Verfahren der Abwahl der aufgeführten Unternehmen zu konfrontieren und ihn so dazu zu veranlassen, von der Ausübung dieser Wahl Abstand zu nehmen und stattdessen der Beklagten die Auswahl der Werbepartner zu überlassen. Der Verbraucher habe aufgrund dieser Gestaltung regelmäßig keine Kenntnis über den konkreten Inhalt der gegebenen Einwilligung. Es sei zu erwarten, dass der Verbraucher der Auswahl durch die Beklagte zustimmen werde, da der mit der Gestaltung verbundene Aufwand für die Auswahl schon aus zeitlichen Gründen außer Verhältnis zur angestrebten Spielteilnahme sei.

Anmerkung

Im Nachgang zur veröffentlichten Pressemitteilung zur Entscheidung hatte sich teilweise die Hoffnung breitgemacht, dass sich der BGH mit Blick auf die erheblichen Diskussionen rings um das Thema Cookies und Cookie-Banner dazu veranlasst sehen könnte, über den konkreten Fall hinaus einige klarstellende Worte zu derzeit offenen Fragen zu verlieren. Diese Hoffnung hat sich nicht bestätigt, vielmehr hat sich der BGH – dem Grunde nach selbstverständlich zutreffend – auf die schlichte Bewertung der konkret in Rede stehenden Konstellation beschränkt und sich nicht zu Nebenfragen ausgelassen. Das Urteil ist daher im Gesamtergebnis wenig überraschend, wenn auch die Begründung zum Teil nicht so recht überzeugen kann.

Insbesondere die vom BGH vorgenommene Auslegung von § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG ist fragwürdig. Die richterliche Rechtsfortbildung vermag vorliegend im Wege der teleologischen Reduktion über den klaren Wortlaut hinwegzuhelfen. Es ist jedenfalls ein starkes Stück in eine Norm, die einen Widerspruch genügen lässt, dann doch ein Einwilligungserfordernis hineinzulesen. Man mag die Auslegung des BGH als Versuch einer Ehrenrettung des Gesetzgebers verstehen. Den Vorwurf der Untätigkeit muss dieser sich gleichwohl gefallen lassen; ein schlichter Hinweis auf mangelnde Beanstandung durch die EU-Kommission gleicht das nicht aus.

Im Kontext der Bewertung des Konzepts für die Einwilligung in telefonische Werbung schwingen kritische Untertöne mit. Dass viele Nutzer sich die Liste mit den 57 „Partnerunternehmen“ wohl kaum durchlesen, liegt auf der Hand. Selbst wenn Verbraucher mit einer solchen Liste unmittelbar konfrontiert würde, dürfte schon der Umfang der einbezogenen Partner gegen eine Einwilligung für den konkreten Fall sprechen. In der Instanzrechtsprechung wird die Grenze hinreichender Überschaubarkeit zuweilen bei 20 Unternehmen gezogen. Die Begründung des BGH stimmt dann im Detail jedoch etwas nachdenklich, da der BGH offenbar auf eine tatsächliche Kenntnisnahme abstellt: „Weiß der Verbraucher mangels Kenntnisnahme vom Inhalt der Liste und ohne Ausübung des Wahlrechts nicht, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmer die Einwilligung erfasst, liegt keine Einwilligung für den konkreten Fall vor.“ Im Kontext der weiteren Ausführungen des BGH dürfte gleichwohl nicht davon auszugehen sein, dass für die Frage der Wirksamkeit einer Einwilligung künftig auf die tatsächliche Kenntnisnahme sämtlicher Details einer Einwilligungserklärung abgestellt werden wird. Allerdings werden Websitebetreiber bzw. Werbende künftig dringend darauf zu achten haben, das Einwilligungsverfahren nicht dergestalt zu verkomplizieren, dass der Nutzer schlussendlich mit Blick auf Zeit und Aufwand dazu veranlasst wird, seine Einwilligung zu erteilen.

Dieser Entscheidungsaspekt könnte sich auch ganz erheblich auf die Praxis der Gestaltung von Cookie-Bannern auswirken. Auch hier sind zahlreiche Verfahren festzustellen, bei welchen es dem Nutzer tendenziell schwer gemacht wird, eine allgemeine Einwilligung auch in Werbe- und Trackingcookies zu vermeiden. Zahlreiche Konzepte setzen darauf auf, eine rasche Einwilligung dadurch zu generieren, dass die Option für die Einwilligung prominent platziert wird, die Möglichkeit für eine beschränkte Einwilligung oder gar eine vollständige Ablehnung nur über „Umwege“ erreichbar ist. Insoweit dürfte jedenfalls Vorsicht angebracht sein. Der schlichte Verweis darauf, dass der Nutzer sich ja theoretisch umfassend hätte informieren und eine Feineinstellung vornehmen können, dürfte gerade mit Blick auf die Ausführungen des BGH zur Gestaltung von Einwilligungsprozessen rasch an Grenzen stoßen. Insoweit dürfte es für die weitere Entwicklung von erheblicher Bedeutung sein, welche Anforderungen die Rechtsprechung künftig an zumutbare und hinreichend klare Einwilligungsprozesse stellen wird. Legte man den aus dem Lauterkeitsrecht relevanten Maßstab des situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers zugrunde, dürften die Verfahren eher einfach strukturiert zu gestalten sein.

Ob es dauerhaft beim Erfordernis echter Einwilligungen für Cookies & Co. im Bereich Marketing und Tracking bleibt, wird schlussendlich erst die finale Fassung der auch nach mehr als zwei Jahren Verzug unabsehbaren ePrivacy-Verordnung zeigen. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass sich die Werbewirtschaft im weiteren Verfahren erfolgreich einbringen und dann doch noch Opt-out-Konzepte durchsetzen wird.

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Dr. Sascha Vander, LL.M.

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