Preiswerbung für Getränke mit Flaschenpfand – ein Fall für den BGH

Preiswerbung für Getränke mit Flaschenpfand ist in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von Verfahren in ganz Deutschland gewesen, die sich um die Frage drehten, ob der Gesamtpreis im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Preisangabenverordnung (PAngV) auch das Getränkepfand enthält oder dieses gesondert auszuweisen ist. Diese Frage beantworten die Gerichte keinesfalls einheitlich.

Dahinter versteckt sich die systematische Frage danach, ob § 1 Abs. 4 PAngV, der es untersagt, „rückerstattbare Sicherheiten“ – wie Flaschen- oder Dosenpfand – in den Gesamtpreis einzurechnen, innerhalb Deutschlands Anwendung finden kann, obwohl er europarechtswidrig ist. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit von § 1 Abs. 4 PAngV mit Art. 7 Abs. 4 lit. c) und Art. 3 Abs. 5 der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken besteht dabei Einigkeit. Die Konsequenzen, die aus dieser Europarechtswidrigkeit zu ziehen sind, werden von den Gerichten aber unterschiedlich bewertet.

Die Einen: Es zählt, was im Gesetz steht – Pfand ist gesondert auszuweisen

Sowohl das OLG Schleswig (Urt. v. 30.7.2020 – 6 U 49/19) als auch das OLG Köln (Urt. v. 6.3.2020 – 6 U 89/19) und andere Gerichte kommen zu dem Ergebnis, dass Händler, die Flaschenpfand entsprechend § 1 Abs. 4 PAngV gesondert ausweisen, in ihrem Vertrauen auf den Bestand der Norm geschützt sind, was einer Verurteilung wegen wettbewerbswidrigem Verhalten entgegenstehe. Auch wenn die Norm europarechtswidrig sei, sei sie dennoch geltendes Recht und deshalb für den Einzelnen bindend und von ihm zu beachten. Wer sich rechtstreu verhalte, müsse die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Geltendes Recht müsse auch im Hinblick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Rechtsstaatsprinzip Anwendung finden. Des Weiteren seien Gerichte nicht befugt, bestehende Vorschriften zu ignorieren. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Abs. 4 PAngV sei nicht möglich und die Richtlinie selbst habe keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten der EU. Mithin müsse § 1 Abs. 4 PAngV so angewendet werden, wie er im Gesetz steht und es sei nicht rechtswidrig, Pfand gesondert auszuweisen.

Die Anderen: Hier muss korrigiert werden – Pfand gehört zum Gesamtpreis

Das LG Essen (Urt. v. 29.8.2019 – 43 O 145/18), das Kammergericht Berlin (Urt. v. 12.6.2017 – 5 U 185/16) und andere Gerichte hingegen kommen zu dem Ergebnis, dass das Pfand Teil des Gesamtpreises und in diesen einzubeziehen sei. Als „rückerstattbare Sicherheit“ sei das Pfand für den Verbraucher unvermeidbar und vorhersehbar – wie bereits der EuGH im Jahr 2016 festgestellt habe (Urt. v. 7.7.2016 – C 476/16, Citroen). Auch wenn der Käufer das Pfand später erstattet bekäme, müsse er zunächst ein um das Pfand erhöhtes Entgelt zahlen, um das Produkt überhaupt erwerben zu können. § 1 Abs. 4 PAngV sei deshalb als europarechtswidrige Norm bei richtlinienkonformer Auslegung unanwendbar und es sei ein Gesamtpreis auszuzeichnen, der das Pfand enthält. Diese Entscheidungen führten zu Unterlassungstiteln.

Praktische Lösung des Widerspruchs

Für Händler, die Preise für pfandpflichtige Getränke auszeichnen, ergeben sich aus diesem Rechtsprechungsbild erhebliche Risiken. Mangels eindeutiger Rechtslage können sie nur den sichersten Weg suchen. Dieser dürfte darin liegen, den Gesamtpreis auszuweisen und im direkten Zusammenhang die Preisbestandteile aufzuschlüsseln. Das entspricht im vorliegenden Fall jedoch einer doppelten Preisauszeichnung. Auch diese kann je nach Gestaltung eigene Irreführungsrisiken bergen und sollte vorab geprüft werden.

OLG Schleswig lässt Revision zu

Der beschriebenen Rechtsunsicherheit trägt das OLG Schleswig nun Rechnung, indem es die Revision zum BGH zugelassen hat. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, ist noch nicht bekannt. Die Revisionsfrist ist bei Versand des Newsletters noch nicht abgelaufen.