OLG München: Auslegung einer nachträglichen „Buyout“-Klausel in AGB

Das OLG München hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 24.03.2022 – 29 U 2009/20) damit befasst, wie eine lizenzvertragliche „Buyout“-Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu behandeln ist, wenn bei ihrer Auslegung Unklarheiten bestehen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine freie Drehbauchautorin, die Beklagte betreibt als Anstalt des öffentlichen Rechts einen Fernsehsender. Die Parteien streiten über vermeintliche Urheberrechtsverletzungen aufgrund der zweimaligen Fernsehausstrahlung der Folge einer Serie, deren Drehbuch die Klägerin verfasst hat.

Der Erstellung des Drehbuchs für die gegenständliche Folge lag ein sog. Werknutzungsvertrag aus dem Jahre 1995 zwischen den Parteien zugrunde. Der Vertrag enthielt u. a. die folgenden Regelungen:

„2. Der Verlag räumt dem Produzenten zu den in diesem Vertrag festgelegten Bedingungen folgende
Nutzungsrechte an dem in Ziffer 1.1 genannten Werk für die Bundesrepublik Deutschland und das 3s.-
Programm ein:

2.1 das ausschließliche Recht zur einmaligen Produktion des Werkes für das Fernsehen sowie das Recht
zur Aufzeichnung dieser Produktion auf Ton- und Bildträger in deutscher Sprache;

2.2 das ausschließliche Recht zur beliebig häufigen Ausstrahlung des Werkes bis zu Ablauf von zehn
Jahren, gerechnet nach Abnahme des drehfertigen Buchs über alle Fernsehstationen, die dem Produzent
innerhalb des in Ziffer 2 genannten Sendegebietes zur Verfügung stehen.

2.3 das nichtausschließliche Recht (einfache Nutzungsrecht) zur beliebig häufigen Ausstrahlung für die
Dauer des gesetzlichen Urheberrechtes über alle Sender innerhalb des in Ziffer 2 genannten
Sendegebietes.“

Nach Ziff. 3.1. des Werknutzungsvertrages sollten die Erstellung des Drehbuchs und die Erstausstrahlung mit 10.000,00 DM zzgl. MwSt. vergütet werden. Jede weitere Ausstrahlung sollte mit einem Wiederholungshonorar von 30 % vergütet werden.

Im Jahr 2000 schlossen die Parteien einen weiteren Vertrag über die streitgegenständliche Folge. Dieser enthielt insbesondere die folgenden Regelungen:

„der B. R.(BR) hat in den Jahren 1994 bis 1999 in Coproduktion mit I. die 13-teilige Fernsehproduktion „P.
ABENTEUER“ hergestellt und hierfür u.a. die Fernsehnutzungsrechte (terrestrisch, Kabel und Satellit
einschl. DBS) für beliebig häufige Ausstrahlungen in der Bundesrepublik Deutschland bis 31. Dezember
2012 erhalten […]

Danach übertragen Sie dem BR im Sinne eines nachträglichen Buy-Out das Recht an dem Werk „P.
ABENTEUER“ (Pumuckl und die weite Welt), Folge 13, Drehbuch von M. B., für beliebig häufige
Ausstrahlungen (terrestrisch, Kabel und Satellit einschl. DBS) in der Bundesrepublik Deutschland im A.-
Gemeinschaftsprogramm, im KINDERKANAL und in den Dritten Programmen der A. zu senden. Die
Rechtsübertragung erstreckt sich auf die Dauer ab Unterschrift dieser Vereinbarung und endet zum 31.
Dezember 2012.

Wie eingangs erläutert, ist dies der Zeitpunkt, zu dem die Fernsehnutzungsrechte des BR enden.

Als Gegenleistung für diesen Buy-Out erhalten Sie vom BR einen einmaligen Betrag in Höhe von DM
70.000,- (für Folge 13) zzgl. 7% Mehrwertsteuer, d.s. DM 4.900,-, der nach Gegenzeichnung dieser
Vereinbarung, spätestens jedoch zum 31.12.2000, zur Zahlung fällig ist. […]

Im übrigen sind die seinerzeit in dem zwischen dem BR und der R. Verlag GmbH abgeschlossenen
Werknutzungsvertrag vom 22./24.3.1995 vereinbarten Wiederholungsvergütungen durch die vorgenannte
Zahlung obsolet.“

Die Beklagte strahlte die streitgegenständliche Folge im Jahr 2019 zweimalig aus und zahlte der Klägerin dafür einen Betrag von 3.067,76 EUR als Wiederholungshonorar. Die Klägerin überwies den Betrag jedoch zurück, da sie der Ansicht ist, dass die Beklagte aufgrund des Vertrages aus dem Jahre 2000 nicht mehr Inhaberin von Nutzungsrechten an der Folge sei. Daher sei nach dem Vertrag aus dem Jahr 2000 für die Ausstrahlung der Folge ein Pauschalhonorar in Höhe von 35.790,43 EUR (70.000,00 DM) geschuldet. Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, dass der Vertrag aus dem Jahr 2000 nichts an den eingeräumten Nutzungsrechten des ehemaligen Vertrages geändert habe, daher sei nur ein Wiederholungshonorar geschuldet gewesen. Die Beklagte hat die Klage in Höhe eines Betrages von 3.067,76,00 EUR – entsprechend dem Wiederholungshonorar – anerkannt. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat in dieser Höhe Teilanerkenntnisurteil erlassen und die Klage durch Schlussurteil im Übrigen abgewiesen. Mit der Berufung wendet sich die Klägerin in Gänze gegen das Schlussurteil.

Die Entscheidung des OLG

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin lediglich die im Rahmen des Teilanerkenntnisurteils zugesprochenen 3.067,76 EUR zugestanden hätten.

Die Beklagte habe zwar durch die zweimalige Ausstrahlung der Folge das Urheberrecht der Klägerin widerrechtlich verletzt, jedoch sei der beantrage Schadensbetrag überhöht.

Der Beklagten habe kein einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG mehr zugestanden, welches sie berechtigt hätte, das Werk nach §§ 15 Abs. 2 Nr. 3, 20 UrhG durch Fernsehrundfunk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das im Vertrag aus dem Jahre 1995 eingeräumte einfache Nutzungsrecht habe die Beklagte durch den zweiten Vertrag im Jahr 2000 aufgegeben.

Denn bei dem zweiten Vertrag habe es sich um AGB gehandelt, bei deren Auslegung Unklarheiten verblieben, die nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin ausfielen. Es sei nicht klar, ob der Vertrag aus dem Jahr 2000 jenen aus dem Jahr 1995 vollständig ersetzen sollte. AGB seien dabei objektiv auszulegen. Das bedeute, dass sie, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, einheitlich so auszulegen seien, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird. Individuelle oder einzelfallbezogene Umstände des Vertragsschlusses seien dagegen nicht zu berücksichtigen.

Der Begriff des nachträglichen „Buyouts“ sei vor diesem Hintergrund derart zu verstehen, dass mit der Vereinbarung eine vollständige und abschließende Übertragung von Nutzungsrechten gegen eine Einmalzahlung erfolgen sollte und daneben ansonsten keine Vereinbarungen mehr Bestand haben sollten. Wird ein solcher Buyout – wie hier bis zum 31.12.2012 – befristet, seien danach keine Rechte mehr als eingeräumt anzusehen.

In Widerspruch dazu stünde aber der Wortlaut der Regelung, wonach die im Vertrag aus dem Jahre 1995 vereinbarten Einmalzahlungen durch die Zahlungen im Rahmen des Buyouts obsolet sein sollten. Aus objektiver Sicht bedeute dies, dass für die Zeit des Buyouts keine Wiederholungsvergütungen mehr zu zahlen seien, dass sich aber an den eingeräumten unbefristeten Nutzungsrechten nichts ändern solle. Der durchschnittliche Vertragspartner würde die Klausel daher so verstehen, dass sich an den eingeräumten Nutzungsrechten des Vertrages aus dem Jahre 1995 nicht ändern solle, aber im Zeitraum des Buyouts keine Wiederholungsvergütung zu zahlen sei.

Da die Bestimmungen im Vertrag aus dem Jahr 2000 also mehrdeutig seien, gingen die Auslegungszweifel nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin der AGB, sodass ihr danach mit Ablauf des 31.12.2012 keinerlei Nutzungsrechte mehr zugestanden hätten.

Praxishinweis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass vor allem bei der Verwendung von AGB stets darauf geachtet werden muss, dass diese eindeutig formuliert sind, um Auslegungszweifel zu vermeiden. Dies gilt vor allem, wenn schon frühere Vertragswerke in der Welt sind. Drohen Auslegungszweifel zwischen den verwendeten AGB und dem älteren Vertragswerk, so sollte das Verhältnis der Regelungen im neuen Vertrag ausdrücklich geregelt werden, um böse Überraschungen durch § 305c Abs. 2 BGB zu vermeiden.

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Prof. Dr. Markus Ruttig

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