OLG Frankfurt verbietet Verteilen von Werbe-Handzetteln an Autofahrer im Einfahrtsbereich eines Mitbewerbers

Ein Werbetreibender darf nicht im Einfahrtsbereich des Geschäftsbetriebs eines Mitbewerbers gezielt und individuell Kunden in deren im Rückstau stehenden Fahrzeugen ansprechen und Handzettel verteilen, auf denen für die eigenen Leistungen geworben wird. Ein solches Verhalten stellt eine nach § 4 Nr. 4 UWG wettbewerbswidrige gezielte Behinderung des Konkurrenten dar.

In dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall betrieben die Parteien ca. 400m entfernt voneinander Geschäftsbetriebe mit größtenteils identischem Warenangebot. Auf dem Zufahrtsweg zum Geschäftsbetrieb der Antragstellerin verteilte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin Handzettel an Autofahrer, die wegen eines Rückstaus in diesem Bereich zum Teil standen. Auf diesen Handzetteln bewarb die Antragsgegnerin das Angebot ihres nahe gelegenen Geschäftsbetriebs.

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass dieses Verhalten eine unzulässige gezielte Behinderung der Antragstellerin durch unlauteres Abfangen von Kunden darstellt. Dabei hat das Gericht unter Hinweis auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zunächst festgestellt, dass das Abwerben von Kunden grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs gehört und daher nur unter besonderen Umständen als unlauter angesehen werden kann. So liegt ein unlauteres Abfangen nur dann vor, wenn sich der Werbende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Kaufentschlusses aufzudrängen. Unlauter ist das Abwerben von Kunden also nur, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind: (1) die angesprochenen Kunden müssen bereits dem Mitbewerber zuzurechnen sein und (2) es muss in unangemessener Weise auf sie eingewirkt worden sein.

Diese Voraussetzungen sah das OLG Frankfurt in dem zu entscheidenden Fall als erfüllt an:

Die Aktion zielte offensichtlich gerade darauf ab, Kunden zu erreichen, die auf dem Weg zur Antragstellerin und damit ihr zuzuordnen waren.

Die Frage, ob die Einwirkung unangemessen war, hängt insbesondere von den eingesetzten Mitteln ab. Hier ist eine Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls erforderlich. Das OLG Frankfurt sah die Grenze zur Unzumutbarkeit im Streitfall dadurch als überschritten an, dass der Werbende an Autos herantrat, deren Fahrer und Beifahrer sich aufgrund der gebildeten teilweise stehenden Fahrzeugschlange dem Ansprechen und der Zettelverteilung nicht ohne weiteres entziehen konnten. Es liege daher nahe, dass viele Autofahrer den Zettel allein deshalb entgegen nähmen, um nicht unhöflich zu erscheinen oder nicht beschimpft oder anderweitig stärker bedrängt zu werden. Für das OLG war es insofern nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Werbende zusätzlich sogar an die Scheiben klopfte, um die Fahrer zum Öffnen zu bewegen.

Das OLG Frankfurt weist ausdrücklich darauf hin, dass es anders zu werten wäre, wenn eine  klar als Werbender erkennbare Person in bloßer räumlicher Nähe zum Ladenlokal des Mitbewerbers unaufdringlich Handzettel an Fußgänger verteilen würde. Maßgebliche Bedeutung hatte somit der Umstand, dass die Werbezettel an Insassen von stehenden Fahrzeugen verteilt wurden, die sich der Ansprache nicht entziehen konnten.

OLG Frankfurt, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 37 O 6 U 61/16