OLG Düsseldorf: Kein Schadensersatzanspruch bei Markenrechtsverletzung, wenn Rechteinhaber unentgeltlich lizenziert

Lizenziert der Inhaber markenrechtlich geschützter Label diese regelmäßig unentgeltlich, steht ihm bei einer Verletzung seiner Rechte ohne eine konkrete Vermögenseinbuße zwar ein Unterlassungs-, aber kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Das hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 19.11.2020 entschieden (Az.: 2a O 197/15). Die Entscheidung könnte Wellen schlagen und auch in anderen Bereichen geistigen Eigentums Bedeutung erlangen.

Sachverhalt

Die Klägerin, Herausgeberin des ÖKO-TEST-Magazins, ist Inhaberin verschiedener ÖKO-TEST-Label, die sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene markenrechtlich geschützt sind. Die streitgegenständliche Unionsbildmarke ist unter anderem für die Klasse 35 (u.a. Verbraucherinformation und -beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen sowie mittels Qualitätsurteilen; Werbung mit Test- und Untersuchungsergebnissen sowie Qualitätsurteilen) sowie weitere ähnliche Klassen eingetragen. Die Klägerin gestattet Herstellern getesteter Produkte grundsätzlich die Werbung mit dem ÖKO-TEST-Label unter Abschluss eines unentgeltlichen Lizenzvertrages.

Die Zahncreme „Aminomed“ der beklagten Herstellerin wurde von der Klägerin im Jahr 2005 mit „sehr gut“ bewertet, woraufhin die Parteien einen Lizenzvertrag zur entsprechenden Bewerbung der Zahncreme schlossen, welcher u.a. die zeitlich unbegrenzte Nutzung des Labels gestattete, es sei denn, der entsprechende Test würde durch einen neuen überholt oder Beschaffenheit oder Merkmale des Produktes veränderten sich.

2014 erlangte die Klägerin Kenntnis vom Vertrieb der Zahncreme auf Webseiten Dritter unter anderer Marke sowie veränderter Verpackungsaufschrift unter Verwendung eines ÖKO-TEST-Labels.

Nach erfolgloser vorgerichtlicher Inanspruchnahme erstritt die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Verwendung des ÖKO-TEST-Labels für „Aminomed“-Zahncreme entsprechend oben beschriebener Ausprägungen der Klasse 35, zu Auskunftsansprüchen, auch zu erzieltem Umsatz und Gewinn sowie zu Rückruf und Vernichtung noch vorhandener Produkte. Darüber hinaus wurde die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt. Dabei stützte sich die Klägerin maßgeblich auf einen Verstoß gegen den Lizenzvertrag.

Die Beklagte wandte sich gegen das Urteil mit der Berufung und stützte diese u.a. darauf, dass schon gar kein Markenrechtsverstoß vorliege, da das Produkt Zahncreme nicht ähnlich zu den von den streitgegenständlichen Marken erfassten Waren und Dienstleistungen sei und sie keine vom Schutz der Marken umfassten Dienstleistungen wie Werbung und Verbraucherinformation und -beratung erbracht habe.

Vorabentscheidungsverfahren

Das OLG hatte hat dem EuGH mit Beschluss vom 30.11.2017 (Az. I-20 U 152/16) die Fragen vorgelegt, ob es

  1. eine rechtsverletzende Benutzung i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) (heute Art. 9 Abs. 2 Buchst. b) der Unionsmarkenverordnung (UMV)) oder Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) Markenrichtlinie (heute Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) Markenrechtsrichtlinie) darstellt, wenn eine Individualmarke, die bei Anbringung durch einen Dritten als sog. Testsiegel verstanden wird, auf einer Ware angebracht wird, für die die Individualmarke nicht geschützt ist, die Marke jedoch u.a. für „Verbraucherinformation und -beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen sowie mittels Qualitätsurteilen; Werbung mit Test- und Untersuchungsergebnissen sowie Qualitätsurteilen“ eingetragen ist;
  2. eine rechtsverletzende Benutzung i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c) GMV (heute Art. 9 Abs. 2 Buchst. c) UMV) oder Art. 5 Abs. 2 Markenrichtlinie (heute Art. 5 Abs. 2 Buchst. c) Markenrechtsrichtlinie) darstelle, wenn die Individualmarke als Testsiegel bekannt ist und vom Dritten als Testsiegel verwendet wird.

Der EuGH hatte die erste Frage negativ, die zweite dagegen positiv beantwortet (Rechtssache C-690/17). Ein entsprechendes Verhalten verstieße also, unter den entsprechenden Voraussetzungen, gegen Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b) GMV (heute Art. 9 Abs. 2 Buchst. c) UMV).

Entscheidung des OLG

Das OLG Düsseldorf entschied nunmehr unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung, dass die Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung aus Art. 130 Abs. 1 Satz 1, Art. 9 Abs. 2 Buchst. c) UMV gegen die Beklagte habe.

Die Marke in Form des ÖKO-TEST-Labels sei in der Union hinreichend bekannt. Auch die erforderliche gedankliche Verknüpfung der gegenüberstehenden Zeichen durch die beteiligten Verkehrskreise liege vor. Dass das Label nicht als Marke, sondern als Testsiegel genutzt werde, stehe dem nicht entgegen, da der Verkehr durch die Anbringung des Siegels davon ausgehe, das entsprechende Produkt sei von der Klägerin getestet worden und gerade dadurch eine gedankliche Verknüpfung mit der Klagemarke herstelle. Mit der Verwendung werde auch die Wertschätzung der Marke ausgenutzt, da die Beklagte dadurch auf die besondere Qualität ihres Produkts hinweise. Dies sei im konkreten Fall auch unlauter, da der Test mittlerweile überholt und eine Werbung mit überholten Testergebnissen irreführend sei.

Die Berufung hatte jedoch in Bezug auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten Erfolg, da der Klägerin kein materieller Schaden entstanden sei. Ungeachtet der verschiedenen Berechnungsmethode sei Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch immer eine Vermögenseinbuße, welche sich im konkreten Fall nicht feststellen lasse. Die Klägerin habe durch die unentgeltliche Lizenzierung aller denkbaren Nutzungen in der Sache auf eine monetäre Verwertung ihres Ausschließlichkeitsrechts vollständig verzichtet.

Auch mit der Lizenzanalogie lasse sich eine Vermögenseinbuße nicht begründen. Verzichte der Verletzte auf jegliche kommerzielle Nutzung, könne der objektive Wert der Nutzung mit Null angesetzt werden. Auch der objektive Wert der Befreiung von Lizenzbedingungen sei dabei regelmäßig ebenfalls Null, denn hier sei die Beklagte schon lauterkeitsrechtlich verpflichtet, die Werbung mit dem überholten Testergebnis zu unterlassen, sodass eine vertragliche Befreiung von Lizenzbedingungen nichts nütze.

Zuletzt komme auch die Herausgabe eines Verletzergewinns nicht in Betracht, da dies auf dem Gedanken beruhe, dass der Rechteinhaber ohne die Verletzung einen Gewinn erzielt hätte, wovon nicht ausgegangen werden könne, wenn er auf die kommerzielle Verwertung verzichtet hat.

Anmerkung

Die grundsätzliche Verneinung von Schadensersatzansprüchen für Rechteinhaber, welche Schutzrechte regelmäßig unentgeltlich zur Verfügung bzw. „lizenzieren“, dürfte hohe Wellen schlagen. Vor diesem Hintergrund dürfte das OLG Düsseldorf auch die Revision für diese Frage aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung zugelassen haben. Gerade im Bereich des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte stellen sich entsprechende Probleme vielfach, da die unentgeltliche Lizenzierung dort weit verbreitet ist. Man denke insoweit nur an Open Source Software.

Die sachgerechte Beantwortung einer Schadensersatzverpflichtung trotz kostenfreier Lizenzierung birgt Konfliktpotential. Einerseits entspricht es den Vorstellungen des deutschen Rechts, in solchen Fällen keinen „Strafschadensersatz“ auszusprechen, um denjenigen, der tatsächlich unentgeltlich lizenziert hat oder hätte, nicht unangemessen besser zu stellen. Auf der anderen Seite soll kein Anreiz geschaffen werden, Schutzrechtsverstöße weitgehend ohne (private) Sanktionen begehen, insbesondere einen erzielten Gewinn behalten zu können.

Ob der BGH diese Frage entscheiden kann und wird, bleibt abzuwarten. Rechtsdogmatisch dürfte das OLG Düsseldorf allerdings fundiert positioniert sein, so dass eine abweichende Bewertung durch den BGH nicht ohne weiteres zu erwarten sein dürfte.

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Dr. Sascha Vander, LL.M.

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