Markenrechtliche Ähnlichkeit zwischen medizinischen Dienstleistungen und deren Vermittlung

In seinem Urteil vom 11.08.2022 hat das OLG Frankfurt a.M. (Az. 6 U 199/21) festgestellt, dass eine Ähnlichkeit zwischen medizinischen Dienstleistungen und der Vermittlung von medizinischen Dienstleistungen besteht.

Sachverhalt

Der Kläger ist Inhaber der deutschen Wortmarke „beautysmile“, DE 30 764 584, welche Schutz für Waren der Klassen 3, 5 und 10 sowie Dienstleistungen der Klasse 44 beansprucht und u. a. für „Zahnersatz“ sowie „medizinische Dienstleistungen; Dienstleistungen der Gesundheits- und Schönheitspflege“ eingetragen sind. Zudem ist der Kläger selbst Kieferorthopäde und betreibt zwei kieferorthopädische Praxen.

Der Beklagte vermittelt unter der Bezeichnung „beautysmile“ in der Türkei zu erbringende zahnmedizinische Dienstleistungen Dritter. Seine entsprechenden Dienstleistungen bewirbt er unter der Domain www.(…).de sowie auf Instagram und YouTube.

In den Handlungen des Beklagten sah der Kläger eine Verletzung seiner Marke und machte daher nach erfolgloser Abmahnung seinen Anspruch auf Unterlassung sowie Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten beim LG Frankfurt a. M. geltend. Die entsprechende Klage wies das angerufene Gericht ab. Hierbei stützte sich das Gericht insbesondere darauf, dass eine Verwechslungsgefahr bereits an einer Unähnlichkeit der Dienstleistungen scheitere. So dürften Ärzte nach § 27 Abs. 3 der Berufsordnung für Ärzte nicht für ihre berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit anderer Ärzte werben, weshalb diese grundsätzlich weder untereinander noch mit Vermittlungsagenturen im Rahmen der Vermittlung medizinischer Dienstleistungen konkurrierten. Darüber hinaus würden die Dienstleistungen ihrem Zweck nach keine wirtschaftlichen Berührungspunkte aufweisen, so würde nämlich ein regional tätiger Kieferorthopäde keine potentiellen Patienten an Kollegen im Ausland mit günstigeren Personalkosten vermitteln, sondern vielmehr die Behandlung selbst durchführen und abrechnen.

Nachdem der Kläger in der ersten Instanz unterlegen war, verfolgt dieser seinen Anspruch auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten gegen die Beklagte in dem Berufungsverfahren weiter.

Entscheidung

Die Berufung des Klägers vor dem OLG Frankfurt a.M. hat Erfolg. Der Senat bestätigt den geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung gem. § 14 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG sowie den Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Abmahnkosten – wenn auch in geringerer Höhe als beantragt –.

Zwischen der Klagemarke und dem von dem Beklagten benutzten Zeichen bestehe nämlich Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 MarkenG. Entgegen der Ansicht des LG fehle es nicht an einer Dienstleistungsähnlichkeit zwischen „medizinischen Dienstleistungen“ und der Vermittlung von medizinischen Dienstleistungen.

So komme es bei der Ähnlichkeit von Dienstleistungen darauf an, ob u. a. aufgrund Art, Erbringung, Einsatzzweck, Inanspruchnahme und wirtschaftlicher Bedeutung derer die beteiligten Verkehrskreise der Ansicht sein können, dass die beiderseitigen Dienstleistungen üblicherweise von denselben Unternehmen oder unter derselben betrieblichen Verantwortung erbracht werden.

In dem vorliegenden Fall bejaht dies der Senat. So erscheine es aus Sicht des Verkehrs möglich, dass die Erbringung kieferorthopädischer Dienstleistungen und die Vermittlung solcher Leistungen einen gemeinsamen betrieblichen Ursprung haben. Es erscheine nicht fernliegend und aus anderen Wirtschaftsbereichen sei dem Verkehr zudem bekannt, dass bei Waren für verschiedene Kaufkraftgruppen auch verschiedene Produktlinien angeboten würden. Daher sei es nicht ausgeschlossen, dass auch ein Kieferorthopäde in Deutschland im Sinne einer kaufmännischen Diversifizierung seine eigenen Leistungen anbiete, gleichzeitig aber auch entsprechende Leistungen im Ausland vermittle, um in gewisser Weise an diesem „Trend“ zu partizipieren und Marktanteile im „Low Budget“-Bereich zu generieren.

Das von dem LG angeführte Werbeverbot für Ärzte in deren Berufsordnung sei in der vorliegenden Beurteilung nicht zu berücksichtigen. Dies sei nämlich von den Parteien nicht vorgebracht worden und ferner sei fraglich, ob der allgemeine Verkehr von dieser Regelung überhaupt Kenntnis habe und diese daher in seine grundsätzliche Auffassung mit einfließen lasse. Darüber hinaus wäre eher auf die Berufsordnung der Zahnärzte abzustellen, zu welcher aber keine der Parteien vorgetragen habe. Ob wiederum diese bei der Beurteilung des Verkehrsverständnisses überhaupt zu berücksichtigen sei, ließ der Senat offen.

Aufgrund dessen, dass die Zeichenähnlichkeit nicht strittig war, führte das OLG noch zur Kennzeichnungskraft der Klagemarke aus und betonte, dass diese weder als originär noch als nachträglich reduziert zu qualifizieren sei. Sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlägen, welche die Annahme einer geringen oder hohen Kennzeichnungskraft von Haus aus rechtfertigen würden, werde grundsätzlich eine originäre Kennzeichnungskraft vermutet. Gemäß der BGH-Rechtsprechung verfüge ein Zeichen wiederum regelmäßig von Haus aus über unterdurchschnittliche bzw. geringe originäre Kennzeichnungskraft, wenn dieses sich für den angesprochenen Verkehrskreis erkennbar an einen waren- oder dienstleistungsbeschreibenden Begriff anlehne. Der Senat macht deutlich, dass aus seiner Sicht keine Anhaltspunkte für eine Kennzeichnungsschwäche gegeben seien. So seien die Begriffe „Beauty“ und „Smile“ grammatikalisch nicht korrekt verknüpft und würden „Schönheitslächeln“ bedeuten. Die Substantivierung am Zeichenanfang führe zu einer gewissen Originalität, welche eine Kennzeichnungsschwäche ausschließe.

Auch eine nachträgliche Schwächung liege nicht vor. Der BGH bezeichne die nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft als „Ausnahmetatbestand“ (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 05.11.2008, Az. I ZR 39/06, Rn. 32 – Stofffähnchen), weshalb diese nur ausnahmsweise in Betracht komme. Diese sei nur dann gegeben, wenn eine erhebliche Anzahl von Drittzeichen existiere, die auf gleichen, allenfalls eng benachbarten, Waren-/Dienstleistungsgebieten verwendet würden. Unberücksichtigt blieben hierbei wiederum Marken, die einen gleichen oder größeren Abstand zu dem älteren Zeichen wie das angegriffene Zeichen aufweisen würden. Die von dem Beklagten angeführten Zeichen „Beautiful Smile“, „Beauty and Smile“ und „Smile and Beauty“ kämen der Klagemarke nicht so nahe wie das Zeichen der Beklagten. Die Anführung eines Mitbewerbers des Beklagten, der unter dem Zeichen „Beautysmile“ Bleaching anbiete, sowie eines weiteren, der unter einem ähnlichen Zeichen kosmetische Zahnbehandlungen anbiete, reiche nicht für eine Schwächung durch Drittzeichen, da es sich bei diesen lediglich um zwei (kleine) Wettbewerber handle.

Aufgrund bestehender Zeichenidentität, Dienstleistungsähnlichkeit und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei demnach eine Verwechslungsgefahr gegeben.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die von dem Beklagten vorgebrachte beschreibende Benutzung des Zeichens nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu verneinen sei. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH seien unter diese Schutzschranke nicht die Benutzungen von Bezeichnungen mit beschreibenden Anklängen zu fassen, ohne dass diesen eine unmittelbar beschreibende Wortbedeutung zuzumessen sei.

Die von dem Beklagten geltend gemachte Benutzungseinrede nach § 25 Abs. 1 MarkenG verfange überdies nicht, da der Kläger mittels Nachweisen bezogen auf seine Internetseite, Werbeanzeigen und Branchenbüchern nachgewiesen habe, dass er die Klagemarke benutzt habe. Diese seien von dem Beklagten auch nicht bestritten worden und daher als zugestanden anzusehen. Eine ausreichende Benutzung der Klagemarke liege demgemäß vor.

Zuletzt bestätigt der Senat den grundsätzlichen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Abmahnkosten, jedoch gesteht er dem Kläger nur eine 1,3 Gebühr zu, da der Ansatz der geltend gemachten 1,5 Gebühr nicht begründet worden sei und keine Anhaltspunkte für eine Abweichung von dem Regelsatz nach der „Toleranzrechtsprechung“ des BGH gegeben seien.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.08.2022, Az. 6 U 199/21