LG München I: Online-Stadtportal mit unzulässiger pressemäßiger Aufmachung ist wettbewerbswidrig

Das LG München I hatte zu beurteilen (Endurteil v. 17.11.2020 – 33 O 16274/19), ob der Ausgestaltung eines Stadtportals aufgrund des Gebots der Staatsferne der Presse im konkreten Fall wettbewerbsrechtliche Grenzen zu setzen waren. Hierzu nahm es eine an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einem Printmedium (BGH GRUR 2019, 189 – Crailsheimer Stadtblatt II) orientierte Gesamtbetrachtung vor und entschied zugunsten der klagenden Wettbewerber.

Der Internetauftritt der Stadt München bestand aus über 173.000 Seiten und war inhaltlich in mehrere Rubriken untergliedert. Es gingen u. a. einige regionale und überregionale Zeitungsverlage gerichtlich gegen das erfolgreiche Onlineportal der Stadt München (www.muenchen.de) vor und machten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Die Kläger waren insbesondere der Auffassung, dass das Onlineportal nicht mehr den Rahmen einer rechtmäßigen städtischen Öffentlichkeitsarbeit einhielt. Die Beklagte, bei der es sich um die (privatrechtlich organisierte) Verantwortliche des Stadtportals handelte, entgegnete insbesondere, dass das Portal lediglich ein Marketingprodukt sei und nicht den Anspruch habe oder den Anschein erwecke, ein Presseprodukt darzustellen.

Das LG München I urteilte, dass das in Rede stehende Münchner Stadtportal im konkreten Fall gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße, bei welchem es sich um eine Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG handele.

Unter Heranziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einer städtischen Publikation in Form eines Printmediums, nach der zur Beurteilung eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse „Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen“ seien und „unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen“ sei (BGH GRUR 2019, 189, Rn. 35 – Crailsheimer Stadtblatt II), bejahte das LG München I die Wettbewerbswidrigkeit. Aufgrund der sich unterscheidenden Nutzergewohnheiten sollen die Anforderungen an eine zulässige städtische Berichterstattung bei einem Telemedium jedoch grundsätzlich etwas großzügiger gehandhabt werden als bei einem Presseprodukt in klassischer Form. Der Internetnutzer sei nämlich daran gewöhnt bzw. erwarte, dass Beiträge im Internet über eine ansprechende Aufbereitung verfügen und ästhetische Fotos der Untermalung von Beiträgen dienen.

Das LG München I hat unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe nach der Gesamtbetrachtung des Portals eine unzulässige pressemäßige Aufmachung bejaht. In inhaltlicher und in gestalterischer Hinsicht wurde letztlich ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse angenommen. Die Beklagte habe sich u. a. nicht auf Sachinformationen beschränkt bzw. nicht innerhalb zulässiger gemeindlicher Themenbereiche bewegt. Auch der konkrete Einsatz einer „(boulevard-)pressemäßigen Illustration“ überschreite die Zulässigkeitsgrenzen. Insbesondere stellte das Gericht auch darauf ab, dass das Portal den Lesern eine Informationsfülle biete bzw. in quantitativer und qualitativer Hinsicht Themen besetze, die den Zeitungs- bzw. Zeitschriftenkauf „– jedenfalls subjektiv – entbehrlich macht(en)“.

Quellen:
LG München I, Endurteil v. 17.11.2020 – 33 O 16274/19
LG München I, Pressemitteilung 24 vom 17.11.2020
BGH GRUR 2019, 189 – Crailsheimer Stadtblatt II

Rechtsanwältin Judith Burkamp
Tel.: +49 221 95 190-60
Fax: +49 221 95 190-96
E-Mail: j.burkamp@cbh.de