LG Düsseldorf – RRMS-Therapie II

In einem Urteil vom 26.01.2023 (Az. 4a O 83/22) hat sich das Landgericht Düsseldorf mit Aspekten befasst, die Einfluss auf die Prognose der Rechtsbeständigkeit eines Verfügungspatents im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens haben können.

Gemäß einer maßgeblich von den Düsseldorfer Gerichten geprägten Praxis kommt eine einstweilige Verfügung auf Basis eines Patents regelmäßig erst dann in Betracht, wenn das Patent streitbewehrt ist, d. h. bereits erfolgreich ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren durchlaufen hat (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140 – Olanzapin; OLG Düsseldorf, InstGE 10, 114 – Harnkatheterset). Zwischenzeitlich hat der EuGH in der Entscheidung Phoenix Contact/Harting (Urteil vom 28.04.2022, Az. C-44/21, GRUR 2022, 811) entschieden, dass diese Praxis nicht so weit gehen darf, dass einstweilige Verfügungen zwingend verweigert werden, wenn die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

In dem entschiedenen Fall bezog das Gericht im Ergebnis zugunsten des Patentinhabers folgende Umstände in die Abwägung ein:

Die Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts hatte die Patenterteilung zunächst versagt, wonach die Patentinhaberin Beschwerde zur technischen Beschwerdekammer einlegte. Diese hatte der Beschwerde sodann stattgegeben und das Verfahren an die Prüfungsabteilung mit der Maßgabe der Patenterteilung zurückverwiesen, woraufhin das Patent erteilt wurde. Die Beschwerdekammer stellt nach Auffassung des Landgerichts eine qualifizierte gerichtsähnliche Instanz dar, die auf dem technischen Fachgebiet der Pharmazie über eine langjährige Erfahrung und gegenüber dem Landgericht überlegene Sachkunde hinsichtlich der technischen Informationen bzw. des allgemeinen Fachwissens besaß.

In dem o. g. Erteilungsverfahren hatten Wettbewerber Eingaben gemacht, um die Patentierung zu verhindern. Zwar hatte sich die Beschwerdekammer nicht mit allen Einwendungen befasst. Die nicht berücksichtigten Einwendungen sah das Landgericht aber als tendenziell weniger relevant an (tendenziell nicht „gefährlichere“ Rechtsbestandsangriffe als die bereits im Erteilungsverfahren eingeführten Angriffe).

Das Landgericht sah in dem entschiedenen Fall zudem außergewöhnliche Umstände, weil die Marktsituation und die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile ein Zuwarten der Verfügungsklägerin oder ein Hauptsacheverfahren unzumutbar machten. Dies galt für einen bereits eingetretenen und weiter zu befürchtenden Preisverfall aufgrund des Generika-Zutritts. Die drohenden Schäden aufseiten der Verfügungsklägerin rechtfertigen ihr Vorgehen im Eilrechtsschutz dann, wenn aus Sicht der Kammer die besseren Argumente für die Patentfähigkeit sprechen oder – mit Rücksicht auf die im Rechtsbestandsverfahren geltende Beweisverteilung – die Frage der Patentfähigkeit mindestens ungeklärt bleibt, sodass das Gericht, wenn sie in der Sache selbst zu befinden hätte, den Rechtsbestand zu bejahen hätte.

Unter dem Strich könnte die Entscheidung die Durchsetzung von Patenten gegenüber Generikaherstellern erleichtern.