Insolvenzverwalter hat keinen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch in Bezug auf das Steuerkonto eines Insolvenzschuldners

Ein Insolvenzverwalter hat keinen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gegenüber dem Finanzamt in Bezug auf das Steuerkonto eines Insolvenzschuldners. Dies hat das BVerwG mit Urteil vom 16.09.2020 entschieden (Az.: 6 C 10.19). Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO stehe nur der betroffenen Person zu, welche durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert sei.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Insolvenzverwalter, verlangte vom beklagten Finanzamt einen Auszug aus dem Steuerkonto des Insolvenzschuldners, da der Insolvenzverwalter hierdurch die Möglichkeit erhalte, „potentiell anfechtungsrelevante Sachverhalte zur Mehrung der Insolvenzmasse“ zu ermitteln. In der ersten Instanz, in welcher er bereits im Jahr 2017 unterlag, stützte er sein Begehren noch auf das Niedersächsische Datenschutzgesetz, nach dem Inkrafttreten der DS-GVO auf Art. 15 Abs. 1. Dem erteilte dann das OVG Lüneburg in der Berufungsinstanz eine Absage, was schließlich vom BVerwG bestätigt wurde.

Entscheidung

Das BVerwG bestätigte beide Vorinstanzen und betonte, dass ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO grundsätzlich auch gegenüber Finanzbehörden bestehe. Ein Insolvenzverwalter sei in dieser Funktion jedoch nicht „betroffene Person“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Das sei nur diejenige natürliche Person, die durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert sei. Die Betroffenenrechte aus der DS-GVO dienten dem Schutz des Grundrechts der Achtung auf Privatsphäre aus Art. 8 der Grundrechtecharta. Insbesondere der Auskunftsanspruch schaffe ein notwendiges Wissensfundament für die Geltendmachung weitergehender Betroffenenrechte. Er diene dagegen nicht der Gewinnung von vermögensrechtlichen Informationen, weshalb die Erweiterung des Begriffs der „betroffenen Person“ auf einen Insolvenzverwalter dem Charakter des Auskunftsanspruchs widerspräche.

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gehe auch nicht nach § 80 Abs. 1 InsO in die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über, da der Auskunftsanspruch untrennbar mit der betroffenen Person und den weiteren Betroffenenrechten verbunden sei. Eine Ausübung des Auskunftsrechts durch den Insolvenzverwalter wäre mit Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nicht vereinbar und käme einer Zweckänderung gleich.

Anmerkung

Das BVerwG geht wohl zutreffend davon aus, dass es sich bei den Betroffenenrechten der DS-GVO um persönliche Rechte handelt, die nicht von Personen mit gänzlich anderen Interessen ausgeübt oder auf diese übertragen werden können. Beim datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch geht es nun einmal um den Schutz personenbezogener Daten. Ein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters über das Steuerkonto des Schuldners hat mit dieser Schutzrichtung wenig bis nichts zu tun, sondern dient allein der Informationsgewinnung.

Dass der Anspruch dem Schuldner unter Umständen finanziell genutzt hätte, muss dann konsequenterweise auch als irrelevant erachtet werden. Soll ein solcher Auskunftsanspruch gegen das Finanzamt bestehen, obliegt es dem Gesetzgeber, dafür Spezialregelungen zu schaffen. Eine Ausweitung von DS-GVO-Ansprüche kann dafür allerdings nicht in Betracht kommen. Eine Loslösung der Betroffenenrechte von den tatsächlich Betroffenen würde diese Rechte verzerren und das Datenschutzrecht letztlich entfremden. Da derzeit datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche verbreitet als Wunderwaffe für eine Informationsbeschaffung jedweder Art missverstanden werden, ist es höchst erfreulich, dass das Bundesverwaltungsgericht hier zumindest für eine Konstellation klare Grenzen setzt.

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Dr. Sascha Vander, LL.M.

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