G20 – „Fahndung“ der BILD war zulässig

Die BILD-Zeitung durfte Fotos veröffentlichen, die Personen während der Ausschreitungen und Plünderung anlässlich des G20-Gipfels im Jahr 2017 im Hamburg identifizierbar zeigen. Dies entschied der BGH mit Urteil vom 29.09.2020 (Az. VI ZR 449/19).

Im Nachgang zu den Ausschreitungen im Rahmen des G20-Gipfels im Juli 2017 in Hamburg hatte die BILD auf der Titelseite einer ihrer Zeitungsausgaben unter der Überschrift „GESUCHT! Wer kennt diese G20-Verbrecher?‘“ mehrere Fotografien, die Personen überwiegend beim Werfen von Gegenständen oder der Entwendung von Waren während der Ausschreitungen bei den G20-Demonstrationen zeigen, veröffentlicht. Eines dieser Bilder zeigte die Klägerin von vorne und schräg oben mit etwa zur Hälfte durch andere Personen verdecktem Gesicht vor einem geplünderten Geschäft bei der Entwendung von Waren aus diesem Laden. Die Bildunterschrift lautete: „Der Wochenend-Einklau? Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis erbeutet die Frau im pinkfarbenen T-Shirt im geplünderten Drogeriemarkt“. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wurde nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.

Anders als die beiden Vorinstanzen, welche die BILD zur Unterlassung der Veröffentlichung des Bildnisses verurteilt hatten, hält der BGH die Bildveröffentlichung nun für zulässig. Zur Begründung führte er aus, dass es sich zwar um einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild der Klägerin handele. Die Klägerin sei auf dem Foto jedenfalls für ihren Bekanntenkreis erkennbar. Hierfür sei nicht notwendig die Abbildung der Gesichtszüge erforderlich, sondern die Identifizierbarkeit könne sich auch aus anderen individuellen Merkmalen der Person ergeben, wie ihrer Körperform und Haltung, Frisur und Gesichtsform.

Die Veröffentlichung des Fotos der Klägerin sei jedoch ohne die grundsätzlich nach § 22 Satz 1 KUG erforderliche Einwilligung der Abgebildeten zulässig gewesen, da es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handele, der von diesem Einwilligungserfordernis eine Ausnahme statuiert. Im Rahmen der hierfür erforderlichen Abwägung nahm der BGH diesbezüglich aus dem Kontext mit der weiteren Text- und Bildberichterstattung einen erheblichen Informationswert der Bildveröffentlichung an. Die Bildnisse dokumentierten massive Ausschreitungen im öffentlichen Raum und zeigten die Auswirkung und das Spektrum der dabei anwesenden Personen und ihr Verhalten. Diese Vorkommnisse seien von sehr hohem gesellschaftlichen Interesse und Gegenstand öffentlicher Diskussion. Die Bilder unterstrichen insofern für den Leser die Authentizität der textlichen Schilderungen. Ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei daher gegeben.

In der Abwägung kämen dagegen die Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts der Klägerin weniger schwer zum Tragen. Zwar zeige das Bild die Klägerin bei einem Verhalten, welches ihre Person in der Öffentlichkeit negativ qualifiziere. Eine Prangerwirkung trete jedoch nicht ein, da das Foto nicht geeignet sei, die Klägerin einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen, sondern sie nur von einem kleinen Kreis ihr bereits bekannter Personen zu identifizieren sei. Zudem dokumentierten die Bilder ein Verhalten der Klägerin in der Öffentlichkeit, mit dem diese selbst Aufmerksamkeit erregte und in dieser Situation mit einer intensiven Beobachtung durch die Presse zu rechnen hatte. Die Interessen der Klägerin auf Schutz ihres Persönlichkeitsrechts hätten daher hinter den legitimen Informationsinteressen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung der Bildnisse zurückzutreten.