EuGH: Keine Zurechnung von markenverletzenden Handlungen Dritter durch unbeauftragte Werbeanzeigen

In seinem Urteil vom 02.07.2020 hat der EuGH (Rs. C-684/19) festgestellt, dass die selbständige Veröffentlichung einer Anzeige durch einen Webseitenbetreiber keine „Benutzung“ einer Marke durch einen Unterlassungsschuldner im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG darstellt, der diese Anzeige nicht bei dem entsprechenden Betreiber beauftragt hat.

Sachverhalt

Die vorliegende Rechtssache des EuGH betraf ein Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf nach Art. 267 AEUV hinsichtlich der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG.

Parteien des dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Rechtsstreit sind die Klägerin „MBK Rechtsanwälte“, eine in Mönchengladbach ansässige Rechtsanwaltssozietät, sowie die Beklagte „mk advokaten“, ebenfalls eine Sozietät von Rechtsanwälten, jedoch mit Sitz in Kleve. Die Klägerin ist u. a. Inhaberin der deutschen Wortmarke „MBK Rechtsanwälte“, DE 30 2014 035 913, welche u. a. in Klasse 45 für „Beratungsdienste bei Rechtsstreitigkeiten“ und „Dienstleistungen von Rechtsanwälten“ eingetragen ist.

Zunächst erbrachte die Beklagte ihre Rechtsdienstleistungen unter der Bezeichnung „mbk rechtsanwälte“ sowie unter der entsprechenden Bezeichnung in niederländischer Sprache „mbk advokaten“. In dieser Zeichenverwendung erblickte die Klägerin eine Verletzung ihrer vorgenannten Marke und ging daher im Klagewege gegen diese vor. Das mit der Klage befasste LG Düsseldorf verurteilte die Beklagte daraufhin unter Androhung von Ordnungsmitteln, es zu unterlassen, die Buchstabenfolge „mbk“ im geschäftlichen Verkehr für Rechtsdienstleistungen zu benutzen. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte kein Rechtsmittel ein.

Nach Rechtskraft des Urteils stellte die Klägerin fest, dass bei einer Eingabe der Angabe „mbk Rechtsanwälte“ in der „Google“-Suche Webseiten mit Unternehmenseinträgen als Suchergebnisse angezeigt wurden – so u. a. die Webseite www.kleve-niederrhein-stadtbranchenbuch.com –, auf denen eine Anzeige für die Rechtsdienstleistungen von der Beklagten erschien. Die Klägerin war aufgrund dieser Suchergebnisse der Ansicht, dass die Beklagte gegen den Unterlassungstitel verstoßen habe und beantragte daher beim LG die Festsetzung eines Ordnungsgeldes. Im Rahmen des landgerichtlichen Verfahrens trug die Beklagte vor, dass sie lediglich eine Eintragung in dem im Internet erscheinenden Verzeichnis „Das Örtliche“ selbst beantragt habe und diese aufgrund des rechtskräftigen Urteils des LG Düsseldorf für alle Zeichen, die die Buchstabenfolge „mbk“ beinhaltet hätten, gelöscht habe.

Das LG Düsseldorf gab dem Ordnungsmittelantrag der Klägerin statt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die auf den in Rede stehenden Webseiten angezeigten Anzeigen der Beklagten zugutekämen, diese auf die von ihr selbst in Auftrag gegebene Eintragung im Verzeichnis „Das Örtliche“ zurückzuführen seien und sie sich lediglich darauf beschränkt habe, die Anzeige in „Das Örtliche“ löschen zu lassen. Gegen den entsprechenden Beschluss legte die Beklagte sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein.

Das OLG ist der Ansicht, dass fraglich sei, ob die Beklagte die Marke der Klägerin vorliegend benutzt habe. Für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sei daher eine Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG erforderlich. Nahezu wortidentische Regelungen finden sich in § 14 Abs. 2 sowie § 15 Abs. 2 MarkenG, weshalb nach Ansicht des OLG diese Vorschriften dementsprechend nur identisch ausgelegt werden könnten.

Artikel 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG (am 12.01.2016 abgelöst durch die Richtlinie (EU) 2015/2436 – dort sinngemäß in Art. 10 Abs. 2 verankert) lautet wie folgt:

(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

Das OLG führt in seinem Vorlagebeschluss aus, dass nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel; Beschluss vom 12.07.2018, Az. I ZB 86/17) die Person, die eine Anzeige veranlasst habe, die auf einer Webseite ein Recht eines Dritten verletze, nicht nur dazu verpflichtet sei, sie auf der betreffenden Webseite zu löschen. Sondern diese Person habe darüber hinaus unter Zuhilfenahme der gängigen Suchmaschinen zu prüfen, ob Betreiber anderer Webseiten diese Anzeige übernommen hätten, und, sofern dies der Fall sei, eine Löschung dieser Eintragungen ernsthaft zu versuchen.

Darüber hinaus zweifelt das vorlegende Gericht an, dass diese Rechtsprechung mit den aus dem Urteil des EuGH vom 03.03.2016 (Rs. C‑179/15 – Daimler, ECLI:EU:C:2016:134) resultierenden Grundsätzen vereinbar sei. So sei der EuGH dort in Bezug auf Anzeigen, die eine Marke eines Dritten verletzten, einem anderen Ansatz gefolgt.

Das OLG Düsseldorf hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Nimmt ein Dritter, der in einer auf einer Website veröffentlichten Eintragung erwähnt wird, die ein Zeichen enthält, das mit einer Marke identisch ist, eine Benutzung dieser Marke im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 vor, wenn die Eintragung selbst nicht von ihm platziert worden ist, aber von dem Betreiber der Website von einer anderen Eintragung übernommen worden ist, die der Dritte in die Marke verletzender Weise platziert hat?

Entscheidung

In erster Linie stellt der EuGH klar, dass eine Handlung, die darin bestehe, Waren oder Dienstleistungen unter einem mit der Marke eines Dritten identischen oder dieser ähnlichen Zeichen anzubieten oder zu bewerben, eine „Benutzung“ dieses Zeichens darstelle. Eine rechtsverletzende Markenbenutzung liege auch dann vor, wenn das von einem Werbenden als Schlüsselwort (Keyword-Advertising) im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählte und mit der Marke identische oder ähnliche Zeichen das von dem Werbenden verwendete Mittel ist, um das Erscheinen seiner Anzeige auszulösen, auch wenn das fragliche Zeichen nicht in der Anzeige selbst erscheint.

Der Gerichtshof konstatiert dementsprechend, dass eine Person eine Marke im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG benutze, wenn diese Person im geschäftlichen Verkehr bei dem Betreiber einer Referenzierungswebseite die Veröffentlichung einer Anzeige in Auftrag gibt, die ein mit der Marke eines Dritten identisches oder dieser ähnliches Zeichen enthält oder deren Erscheinen durch dieses Zeichen ausgelöst wird.

Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung Daimler stellt er wiederum fest, dass einer Person im Lichte des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG keine selbständigen Handlungen anderer Wirtschaftsteilnehmer wie die der Betreiber von Referenzierungswebseiten zuzurechnen seien, mit denen sie keine unmittelbare oder mittelbare Beziehung unterhalte und die nicht in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung, sondern auf eigene Initiative und im eigenen Namen handelten. Er begründet dies damit, dass „Benutzen“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraussetze. Dieses Erfordernis sei jedoch dann nicht erfüllt, wenn entsprechende Handlungen von einem unabhängigen Wirtschaftsteilnehmer ohne Zustimmung des Werbenden erfolgten.

Der EuGH macht darüber hinaus deutlich, dass die in Rede stehende Vorschrift demnach nicht dahin gehend ausgelegt werden könne, dass eine Person unabhängig von ihrem Verhalten als Benutzer eines mit der Marke eines Dritten identischen oder dieser ähnlichen Zeichens anzusehen sei, nur, weil ihr aus dieser Benutzung ein wirtschaftlicher Vorteil erwachsen könne.

Das OLG habe demzufolge zu prüfen, ob sich aus einem Verhalten der Beklagten im Rahmen einer unmittelbaren oder mittelbaren Beziehung zwischen ihr und den Betreibern der betreffenden Webseiten ergebe, dass diese Betreiber die Anzeige im Auftrag und für Rechnung der Beklagten geschaltet hätten.

Sollte dies nicht der Fall sein, könne die Klägerin zwar nicht gegen die Beklagte, wohl aber gegen die Betreiber der Referenzierungswebseiten vorgehen. So würden dann nämlich die Webseitenbetreiber mit Marken Dritter identische oder ihnen ähnliche Zeichen, die in Verkaufsangeboten oder Anzeigen, die diese Betreiber veröffentlichen, enthalten sind oder die das Erscheinen dieser Anzeigen auslösen, im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG benutzen. Diese Konstellation sei abzugrenzen von den Fällen, in denen der Betreiber einer Referenzierungswebseite lediglich im Auftrag eines Kunden Anzeigen schalte, welche mit Marken Dritter identische oder ihnen ähnliche Zeichen enthielten oder die das Erscheinen entsprechender Anzeigen auslösten.

Im Ergebnis antwortet der EuGH daher auf die vorgelegte Frage:

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG ist dahin auszulegen, dass eine im geschäftlichen Verkehr auftretende Person, die auf einer Website eine Anzeige hat platzieren lassen, durch die eine Marke eines Dritten verletzt wird, das mit dieser Marke identische Zeichen nicht benutzt, wenn Betreiber anderer Websites diese Anzeige übernehmen, indem sie sie auf eigene Initiative und im eigenen Namen auf diesen anderen Websites veröffentlichen.

Quelle: EuGH, Urteil vom 02.07.2020, Rs. C-684/19