„Drei mal drei macht sechs“: Deutsches Pippi Langstrumpf-Lied verletzt Urheberrecht

Die bekannte Kinderbuchfigur mit den zwei roten Zöpfen beschäftigt nicht zum ersten Mal deutsche Gerichte. Im Jahr 2013 sprach ihr der BGH aufgrund der in ihr vereinten, unverwechselbaren Kombination äußerer und charakteristischer Merkmale urheberrechtlichen Schutz als literarische Figur zu. Das LG Hamburg urteilte nun in Fortsetzung dieser Rechtsprechung, dass die deutsche Textversion des Pippi Langstrumpf-Liedes das Urheberrecht an dieser literarischen Figur wie auch an dem schwedischen Originalliedtext verletze (Urteil vom 09.12.2020 – Az. 308 O 431/17).

Für die Verfilmungen der Pippi Langstrumpf-Romane hatte ihre Schöpferin Astrid Lindgren im Jahr 1969 die schwedische Fassung des Titelliedes gedichtet. In diesem Lied kommen zahlreiche markante Merkmale von Pippi Langstrumpf vor, etwa, dass sie einen Affen und ein Pferd besitzt sowie in einer Villa lebt. Ebenfalls im Jahr 1969 verfasste ein deutscher Liedtexter als Auftragsarbeit für die deutsche Koproduktionsgesellschaft den bekannten deutschen Text des Liedes mit den berühmten Passagen: „Ich mach‘ mir die Welt widewide wie sie mir gefällt“ und „Drei mal drei macht sechs“.

Nach Auffassung des LG Hamburg verletzt der angegriffene deutsche Liedtext die Urheberrechte der Erben der schwedischen Kinderbuchautorin zum einen an der geschützten Figur der Pippi Langstrumpf und überdies auch an dem von ihr verfassten Originalliedtext. In Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zum Pippi Langstrumpf-Kostüm aus dem Jahr 2013 (BGH, Urteil vom 17.07.2013 – I ZR 52/12) hielt das Landgericht zunächst fest, dass die Figur der Pippi Langstrumpf Urheberrechtsschutz als Sprachwerk i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG genieße. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können insofern auch einzelne Charaktere eines Sprachwerkes selbständigen Urheberrechtsschutz genießen. Für Pippi Langstrumpf hatte der BGH 2013 diesbezüglich festgestellt, dass sich die beachtliche Schöpfungshöhe dieser Figur aus der besonderen, unverwechselbaren Kombination sehr charakteristischer äußerer Merkmale und typischer Verhaltensweisen ergebe. So stünde insbesondere das Äußere von Pippi Langstrumpf sowie die eigentlich erbärmlich wirkenden Lebensumstände aufgrund des Todes der Mutter und der Abwesenheit des Vaters im krassen Kontrast zu den übrigen Merkmalen der Figur Pippi Langstrumpf, die stets fröhlich, sehr vermögend und von ausgeprägter Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Phantasie und Wortwitz, dargestellt sei.

Der deutsche Liedtext des Pippi Langstrumpf-Liedes sei insofern eine unfreie Bearbeitung der literarischen Figur Pippi Langstrumpf i. S. d. § 23 UrhG. Das deutsche Lied greife gerade etliche typisierende, in den Romanen von Astrid Lindgren eindrücklich beschriebene Merkmale von Pippi Langstrumpf wie Haus, Affe und Pferd sowie ihre Rechenschwäche auf. Es liege somit kein erheblicher „innerer Abstand“ zum vorgeschaffenen Werk vor, auch sei die Figur Pippi Langstrumpf – wie vom deutschen Texter intendiert – ohne Weiteres wiedererkennbar. Überdies verletzt der deutsche Text nach Ansicht des Gerichts unter denselben Gesichtspunkten auch die Rechte am schwedischen Original, da der Text sowohl in inhaltlicher (aufgezählte Lebensumstände) als auch in stilistisch-rhythmischer Hinsicht („trallari trallaheyey…“) wesentliche Elemente des Originals aufgreife. Eine somit nach § 23 UrhG erforderliche Einwilligung in die nach Feststellung des Landgerichts vielfältig erfolgte Verwertung des deutschen Textes hatte Astrid Lindgren nicht erteilt.

Das LG Hamburg sprach daher den Lindgren-Erben Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadenersatzansprüche zu. Dem Vernehmen des Prozessbevollmächtigten der Erbengemeinschaft nach sei den Erben an einem Verbot der Weiterverbreitung des deutschen Liedes aber eher nicht gelegen, da die Fassung selbst sich in Deutschland größter Beliebtheit erfreue und das Wesen von Pippi Langstrumpf „genial“ zum Ausdruck bringe. Allerdings werden die Erben von Astrid Lindgren an der Verwertung des Liedtextes künftig monetär beteiligt werden müssen, dies zudem auch rückwirkend bis zum Jahr 2007.