Bundesgerichtshof zur Unzulässigkeit von Glücksspielwerbung im Fernsehen

In der am 22.07.2021 – Az. ZR 194/20 – verkündeten und erst in der vergangenen Woche bekanntgewordenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs hatte sich der I. Zivilsenat als eines der ersten Gerichte in Deutschland mit den Werbebestimmungen des am 01.07.2021 in Kraft getretenen 4. Glücksspieländerungs-Staatsvertrags zu befassen. Streitgegenständlich waren diese Bestimmungen auch in einem Parallelverfahren vor dem OLG München, Urt. v. 16.9.2021, Az. 6 U 7179/20.

In der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sache ging es um TV-Werbung für nicht erlaubte Online-Casinospiele unter .de-Domains wie z. B. DrückGlück.de oder Wunderino.de. Nach Auffassung des Klägers handelte es sich um eine Werbung auch für illegale Glücksspiele, da parallel unter namensgleichen Angeboten wie DrueckGlueck.com und Wunderino.com in Deutschland nicht erlaubte Glücksspiele mitbeworben würden. Hierfür sollte es nach Auffassung des Klägers unmaßgeblich sein, ob die Betreiber der unter den .de-Domains aufrufbaren Glücksspiele über eine Veranstaltererlaubnis aus dem Bundesland Schleswig-Holstein verfügten. Das Landgericht Köln wie auch das Oberlandesgericht Köln (WRP 2021, 120) hatten der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Revision der beklagten Mediengruppe war zwar teilweise erfolgreich, jedoch enthält das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht nur zahlreiche Klarstellungen für die angegriffenen TV-Werbeformen, sondern auch detaillierte „Segelanweisungen“ für das weitere Verfahren nach Zurückverweisung an das OLG Köln.

Im Ergebnis stellt der Bundesgerichtshof fest, dass das OLG Köln zwar ohne Rechtsfehler angenommen habe, dass die Fernsehspots eine wettbewerblich unzulässige Werbung für die unerlaubten Glücksspielangebote auf den Internetseiten www.onlinecasino.eu.com, www.drueckglueck.com und www.wunderino.com beinhalteten. Der rechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten hat indes die Begründung der OLG-Entscheidung, wonach der beklagte Medienkonzern für die weitere Ausstrahlung der verbotenen Werbung einzustehen hatte.

Für die Bewerbung von Glücksspielen bedeutsam führt der I. Zivilsenat aus, dass die Bestimmungen in den Glücksspielstaatsverträgen zum Verbot und zur Beschränkung von Werbung für Glücksspiele Marktverhaltensregelungen zum Schutz der Spielteilnehmer i. S. v. § 3a UWG darstellen und dem auch nicht Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt entgegenstehe, da nach ihrem Erwägungsgrund 9 Satz 2 nationale Vorschriften unberührt bleiben, die sich – trotz Vollharmonisierung – wie das Verbot der Werbung für unerlaubte Online-Casinospiele und virtuelle Automatenspiele (vgl. BVerwGE 160, 193 Rn. 38) – im Einklang mit dem Unionsrecht auf Glücksspiele beziehen (vgl. auch BGH GRUR 2011, 169 Rn. 19).

Nach der bis zum 30.06.2021 geltenden Bestimmung in § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2012 war Werbung für öffentliche Glücksspiele im Fernsehen grundsätzlich verboten; sie konnte lediglich für Lotterien sowie für Sport- und Pferdewetten unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden, vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV 2012. Werbung für unerlaubte Glücksspiele war nach § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 grundsätzlich verboten. Für die Rechtslage nach dem 01.07.2021 weist der BGH darauf hin, dass nach § 5 GlüStV 2021 nunmehr Inhaber einer Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele zwar grundsätzlich im Fernsehen werben dürfen, wobei in der Erlaubnis Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Ausgestaltung der Werbung für öffentliches Glücksspiel insbesondere im Fernsehen und im Internet festzulegen sind, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2021. Weiterer Prüfungsmaßstab für den BGH war daneben jedoch § 5 Abs. 7 GlüStV 2021, wonach Werbung für unerlaubtes Glücksspiel weiterhin verboten ist (früher § 5 Abs. 5 GlüStV 2012).

Die grundsätzliche Bedeutung und Anwendbarkeit der genannten Normen vorweggeschickt, hält der BGH die unter .com-Domains streitgegenständlichen Glücksspielangebote für unerlaubte öffentliche Glücksspiele im Sinne von § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 bzw. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021, die gar nicht und folglich auch nicht im Fernsehen beworben werden dürfen. Zweifel an der Vereinbarkeit der genannten Normen mit höherrangigem Recht stellten sich dem Bundesgerichtshof folglich nicht.

Die Illegalität der Werbung leitet der Bundesgerichtshof daraus ab, dass die Betreiber der .com-Domains nicht über die nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüStV 2012, § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüStV 2021 erforderliche deutsche Erlaubnis verfügten. Damit wird klar, dass eine Erlaubnis aus einem anderen EU-Mitgliedstaat zur Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland für die Beurteilung der Rechtslage irrelevant ist. Auf solche Erlaubnisse kommt es in Deutschland nicht an.

Ausdrücklich bestätigt der I. Zivilsenat das OLG Köln in der Auffassung, wonach die Werbewirkung der TV-Spots nicht nur die unmittelbar beworbenen Angebote auf den Internetseiten www.onlinecasino.de, www.drückglück.de und www.wunderino.de, sondern auch die ersichtlich davon profitierenden Angebote auf den Internetseiten www.onlinecasino-eu.com, www.drueckglueck.com und www.wunderino.com erfassen:

„Die Domainnamen stimmten in den vom Verkehr als unterscheidungskräftig angesehenen Angebotsbezeichnungen vor den TOP-Level-Domains nahezu überein. Zudem seien die auf den Internetseiten zu findenden Angebote äußerlich ähnlich gestaltet. Die Ähnlichkeit von Domainbezeichnungen und Werbeauftritten führe dazu, dass beim Adressaten gleichbleibende Herkunftserwartungen erzeugt würden. Der Nutzer werde lediglich den Kennzeichenbestandteil der Internetadresse, also die Angebotsbezeichnung selbst, in Erinnerung behalten und diese über Suchmaschinen recherchieren. Dabei würden die ‚de‘-Angebote und die ‚com‘-Angebote in räumlichem Zusammenhang angezeigt.“ (Rn. 56)

Die tatgerichtliche Beurteilung, wonach es sich wegen der deutlichen Übereinstimmung von Domainnamen und Webauftritten aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bei den Internetseiten mit den TOP-Level-Domains „de“ und „com“ um zusammengehörige Angebote eines Unternehmens handle, begegnete damit keinen rechtlichen Bedenken auf Seiten des Bundesgerichtshofs.

Zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG Köln führte allerdings die Frage, inwieweit vorprozessual bei der Beklagten Prüfungspflichten ausgelöst worden waren, mit denen die Illegalität der Werbespots auch für die Beklagte zu erkennen gewesen wäre. Im vorliegenden Fall war für die Prüfungspflicht besonders zu beachten, dass es sich um Rundfunkveranstalter handelt, die sich auf den Schutz der Presse- oder Rundfunkfreiheit aus Art. 5 GG berufen können. Die Verantwortlichkeit eines Presseunternehmens oder eines Rundfunkveranstalters für Rechtsverstöße setzt daher voraus, dass sich ihm die Wettbewerbswidrigkeit einer Werbeanzeige oder eines Werbespots aufgrund der in der Abmahnung mitgeteilten oder sonst bekanntgewordenen Umstände unschwer erschließt. Hier habe das OLG Köln zu hohe Anforderungen an die der Beklagten abzuverlangende Prüfungspflicht gestellt, so der Bundesgerichtshof (Rn. 84).

Offengeblieben und nach der Zurückverweisung zu prüfen sein wird jedoch, inwieweit der Beklagten eine Prüfungspflicht insoweit oblag, als auch für die beworbenen Glücksspiele unter den .de-Domains lediglich eine Erlaubnis aus Schleswig-Holstein vorlag. Hier könnte eine Beschränkung bestehender Glücksspiellizenzen auf Schleswig-Holstein dazu führen, dass nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 und nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 Werbung für die in Schleswig-Holstein veranstalteten Glücksspiele nur in jenem Bundesland ausgestrahlt werden durfte und darf. Sodann soll in der Berufungsinstanz zu prüfen sein, ob Wiederholungsgefahr in Bezug auf die Ausstrahlung der Werbespots dadurch bestanden hat, dass diese oder kerngleiche Spots weiterhin ausgestrahlt wurden.

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Prof. Dr. Markus Ruttig

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