BGH zum derivativen Erzeugnisschutz

In seinem Urteil vom 27.09.2016 „Rezeptortyrosinkinase II“ (Az.: X ZR 124/15) hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob einem mittels patentgeschützten Verfahrens gewonnenen Untersuchungsbefund ein derivativer Erzeugnisschutz zukommt.

Nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG sind Erzeugnisse, die unmittelbar durch ein patentiertes Verfahren hergestellt sind, so geschützt, als ob sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt wären.

Dementsprechend greift der Schutz der Vorschrift nur ein, wenn das geschützte und angewendete Verfahren entweder ein Erzeugnis hervorbringt oder zu einer Veränderung der äußerlichen oder inneren Beschaffenheit eines Erzeugnisses führt und damit ein Ergebnis erzielt wird, das seinerseits prinzipiell taugliches Objekt eines Sachpatents sein könnte. Unerheblich ist, ob der Gegenstand eines solchen Sachpatents selbst patentfähig ist, insbesondere die Sachmerkmale den Anforderungen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit genügen.

Nicht in den Anwendungsbereich von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG fallen daher Ergebnisse reiner Arbeitsverfahren, bei denen keine neue Sache geschaffen wird, sondern lediglich auf eine Sache eingewirkt wird, ohne Veränderungen an ihr vorzunehmen, so wenn die Sache beispielsweise untersucht, gemessen oder befördert wird.

Im Streitfall ging es um einen biochemischen Befund, der aus einer – außerhalb des Geltungsbereichs des Patentgesetzes stattfindenden – Nutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens hervorging. Der Befund vermittelt dem Fachkundigen Informationen, die ihm die Erkenntnis des Fehlens oder Vorhandenseins einer bestimmten Mutation, nämlich der als Leukämieindikator dienenden Tandemverdoppelungsmutation, gestatten. Nur diese Erkenntnis sowie ggf. die oder ein Teil der sie tragenden Informationen werden mit den als patentverletzend angegriffenen Handlungen nach Deutschland übermittelt, wo Patentschutz für das Verfahren besteht. Im Hinblick darauf, dass die Wiedergabe von Informationen nach Art. 52 Abs. 1 lit. d EPÜ und § 1 Abs. 3 Nr. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist, stellen sie nach Ansicht des BGH keinen Gegenstand dar, auf den ein Sachpatent gerichtet werden könnte. Die übermittelte Datenfolge zeichne sich nicht durch eine besondere (technische) Art der Darstellung aus und weise auch sonst keine sachlich-technischen Eigenschaften auf, die ihr durch das erfindungsgemäße Verfahren aufgeprägt worden wären, sondern sei lediglich dadurch gekennzeichnet, dass die von den Daten verkörperte Information die erfindungsgemäß gewonnene Erkenntnis enthält.

Amtliche Leitsätze:

Eine Datenfolge kommt nur dann als durch ein patentgeschütztes Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis in Betracht, wenn sie sachlich-technische Eigenschaften aufweist, die ihr durch das Verfahren aufgeprägt worden sind, und sie daher ihrer Art nach tauglicher Gegenstand eines Sachpatents sein kann (im Anschluss an BGH, Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 33/10 – MPEG-2-Videosignalkodierung).

Die Darstellung eines mittels eines patentgeschützten Verfahrens gewonnenen Untersuchungsbefunds und hieraus gewonnener Erkenntnisse stellt als Wiedergabe von Informationen kein Erzeugnis dar, das Schutz nach § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG genießen kann.

BGH, Urteil v. 27.09.2016, Az.: X ZR 124/15