BGH zum Beginn der Inanspruchnahmefrist bei Alterfindungen

In seinem Urteil „Lichtschutzfolie“ (vom 14.02.2017, X ZR 64/15) beschäftigt sich der BGH mit dem Beginn der Inanspruchnahmefrist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbEG a. F. bei nicht formgerechter Erfindungsmeldung von sog. Alterfindungen.

Dem Urteil lag ein Streit zwischen den (ehemaligen) Arbeitsvertragsparteien darüber zugrunde, ab wann die nach der alten Fassung des § 6 Abs. 2 ArbEG geltende viermonatige Inanspruchnahmefrist zu laufen beginnt. Der Arbeitnehmererfinder hatte am 25.02.2008 per E-Mail eine nicht unterzeichnete – und damit nicht formgerechte – Erfindungsmeldung über eine Schlauchaußenfolie für Kanalrohrsanierungssysteme versandt. Auf dieser Basis ließ die ehemalige Arbeitgeberin am 17.12.2008 eine Patentanmeldung erstellen, die am 09.01.2009 einging. Auf Verlangen der Arbeitgeberin reichte der Erfinder am 25.02.2009 eine inhaltsgleiche, unterzeichnete Fassung der Erfindungsmeldung ein. Diese Erfindung nahm die Arbeitgeberin fristgerecht in Anspruch.

Am 26.05.2009 reichte der Erfinder eine unterzeichnete Erfindungsmeldung über eine Schlauchinnenfolie für Kanalrohrsanierung ein und gab seinen Miterfinderanteil mit 75 % und von zwei Mitarbeitern mit 20 % bzw. 5 % an. Auch diese Erfindung wurde am gleichen Tag fristgerecht in Anspruch genommen. Am 18.09.2009 reichte die Arbeitgeberin eine Patentanmeldung ein, die die Priorität der Anmeldung vom 17.12.2008 in Anspruch nimmt und neben den bisherigen Ansprüchen zwei zusätzliche Ansprüche enthält, mit denen Schutz für Kanalrohrsanierungssysteme aus zwei Schlauchfolien begehrt wird.

Zunächst stellt der BGH in seiner Urteilsbegründung klar, dass die Inanspruchnahmefrist nicht schon mit der Übersendung der E-Mail vom Februar 2008 begonnen hat. Diese E-Mail reicht nach Ansicht des Senats für die Einhaltung der nach altem Recht geltenden Formerfordernisse bei Erfindungsmeldungen nicht aus. Allerdings erachtet der Senat die Einreichung der Patentanmeldung vom 17.12.2008 als für den Fristbeginn ausreichend. In diesem Zusammenhang verweist er auf die beiden Entscheidungen „Haftetikett“ und „Initialidee“, wonach eine Patentanmeldung wie eine formgerechte Erfindungsmeldung zum Beginn der Inanspruchnahmefrist führt, wenn der Arbeitgeber durch Einreichung einer Patentanmeldung unter Nennung aller beteiligter Erfinder hinreichend deutlich nach außen dokumentiert hat, dass er über alle erforderlichen Informationen verfügt. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur schriftlichen Erfindungsmeldung könne daher nur dann ohne Nachteile für den Arbeitnehmererfinder bleiben, wenn in einer der ordnungsgemäßen Meldung vergleichbaren anderweitigen Form dokumentiert ist, dass der Arbeitgeber das Wissen und die Erkenntnismöglichkeiten hat, die ihm durch die Erfindungsmeldung vermittelt werden müssen. Eine hinreichend zuverlässige aktenmäßige Grundlage für den Fristbeginn liege erst mit der Einreichung der Patentanmeldung vor, nicht aber schon mit deren Erarbeitung oder dergleichen.

Daher seien die von der Rechtsprechung in den Entscheidungen „Haftetikett“ und „Initialidee“ entwickelten Grundsätze auch dann heranzuziehen, wenn der Arbeitnehmer nach Einreichung der Patentanmeldung eine formgerechte Erfindungsmeldung nachreicht. Der später eingereichten, inhaltsgleichen Erfindungsmeldung solle nicht der Vorrang gegenüber einer Schutzrechtsanmeldung eingeräumt werden mit der Folge, dass die bereits laufende Frist für die Inanspruchnahme nachträglich von neuem beginnt. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn die Frist im Zeitpunkt der formgerechten Erfindungsmeldung bereits abgelaufen ist, da der Arbeitnehmer in dieser Konstellation die Rechte an der Erfindung durch das Freiwerden bereits erworben hat. Für die Annahme, dass sich der Arbeitnehmer des bereits erworbenen Rechts wieder begeben will, bestünden keine Anhaltspunkte, jedenfalls reiche die nachfolgende Abgabe einer formgerechten Erfindungsmeldung hierfür nicht aus.

Die nachfolgende Zusammenfassung der beiden Erfindungsgegenstände führt – so der Senat weiter – zu keiner abweichenden Beurteilung. In diesem Zusammenhang stellt er klar, dass die Abgabe einer weiteren Erfindungsmeldung über einen gesonderten Erfindungsgegenstand nicht dazu führt, dass der bereits freigewordene Erfindungsgegenstand der ersten Erfindungsmeldung doch noch in Anspruch genommen werden könne. Die zweite Erfindungsmeldung könnte keine Grundlage für ein erneutes Recht des Arbeitgebers bilden, auch die früher gemeldete, bereits freigewordene Erfindung in Anspruch zu nehmen. Denn selbst wenn die zweite Erfindungsmeldung lediglich eine schöpferische Weiterentwicklung der ersten Erfindung betrifft, die nicht selbstständig schutzfähig ist, dürfe diese Konstellation nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer bereits erworbene Rechte an einer freigewordenen Erfindung wieder verliert.

Diesem Interessenkonflikt ließe sich dadurch Rechnung tragen, dass sich das Recht des Arbeitgebers zur Inanspruchnahme der Erfindung nur auf eine Mitberechtigung in Höhe desjenigen Anteils erstreckt, der dem Gegenstand der zweiten Meldung an der Erfindung insgesamt zukommt. Diesen Gedanken macht der Senat zu einem seiner amtlichen Leitsätze und gibt dem Berufungsgericht, zu welchem die Sache zurückverwiesen ist, die Aufgabe, die Gewichtung der beiden Erfindungen festzustellen.

Letztlich stellt der Senat in Bezug auf den geltend gemachten Unterlassungs- und den damit verbundenen Bereicherungsanspruch klar, dass diese Ansprüche vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht als unbegründet angesehen worden sind, weil der Arbeitgeber an der Erfindung zumindest eine Mitberechtigung erlangt habe und deshalb zu deren Nutzung befugt sei. Eine Benutzungsregelung, die einem der Mitberechtigten die Nutzung der gemeinsamen Erfindung verbietet, könne allenfalls unter besonderen Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung entsprechen.

Das Urteil des BGH zeigt, dass der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält und es für richtig erachtet, das Gesetz „formal abzuändern“ und die Patentanmeldung der Vorgabe des Gesetzgebers über die Abgabe einer Erfindungsmeldung gleichzusetzen.

Quelle: BGH vom 14.02.2017, X ZR 64/15