BGH – Patentanwaltskosten in Markenstreitsachen nur bei Zweckmäßigkeit erstattungsfähig

Mit Beschluss vom 13.10.2022 (Az. I ZB 59/19 – Kosten des Patentanwalts VII) hält der Bundesgerichtshof (BGH) an seiner bisherigen Entscheidungspraxis zur Erstattung von Patentanwaltskosten in Markenstreitsachen nicht länger fest.

SACHVERHALT

Nach § 140 Abs. 3 a. F. (heute: § 140 Abs. 4 MarkenG) sind von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache entstehen, die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten. Dies galt nach bisheriger Rechtsprechung des BGH ohne dass im Einzelfall eine Prüfung der Notwendigkeit der Einschaltung des Patentanwalts erforderlich war, stattdessen genügte die anwaltliche Versicherung von dessen Mitwirkung zum Nachweis.

Hintergrund der Entscheidung war eine gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete Rechtsbeschwerde, mit der die in den Vorinstanzen unterlege Beklagte ihren Antrag weiterverfolgte, den Kostenfestsetzungsbeschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben, soweit darin Patentanwaltskosten gegen sie festgesetzt worden waren.

Das Beschwerdegericht hatte – wie von der obsiegenden Klägerin beantragt – in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH und der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum die Kosten der Patentanwältin gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG a. F. ohne eine Prüfung der Notwendigkeit der patentanwaltlichen Mitwirkung als erstattungsfähig angesehen. Dies hatte das Gericht damit begründet, dass

  • die Vorschrift des § 140 Abs. 3 MarkenG a. F. den Richtlinienvorschriften (Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG) entspreche,
  • eine Auslegung dahin gehend, dass eine Prüfung der Notwendigkeit der Einschaltung des Patentanwalts erforderlich sei, der gesetzgeberischen Zielsetzung – eine schematische Kostenerstattung zur Begrenzung des Prozessrisikos beider Parteien zu schaffen – entgegenstehe und
  • die Nichterforderlichkeit einer solchen Prüfung auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoße.

Der für die Rechtsbeschwerde der Beklagten zuständige BGH hatte aufgrund seiner erheblichen unionsrechtlichen Zweifel an § 140 Abs. 3 MarkenG a. F. dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Sache schließlich in einem Vorlageverfahren vorgelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2020 – I ZB 59/19, Kosten des Patentanwalts VI). Der EuGH hatte die Vorlagefrage (Urteil vom 28.04.2022, C-531/29, NovaText) wie folgt beantwortet:

„Die Art. 3 und 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder einer Auslegung dieser Regelung entgegenstehen, die es dem mit einem unter diese Richtlinie fallenden Verfahren befassten Gericht nicht erlaubt, bei der Beurteilung, ob die der obsiegenden Partei entstandenen Prozesskosten zumutbar und angemessen sind, in jedem ihm vorgelegten Fall dessen spezifischen Merkmale gebührend zu berücksichtigen.“

Urteil vom 28.04.2022, C-531/29, NovaText

ENTSCHEIDUNG

Gestützt auf die vorausgegangene NovaText-Entscheidung des EuGH hob der BGH den Kostenfestsetzungsbeschluss des Beschwerdegerichts auf und verwies die Sache mangels Entscheidungsreife zur erneuten Entscheidung zurück.

Der Senat stellte klar, dass die Vorschrift des § 140 Abs. 3 MarkenG a. F. (§ 140 Abs. 4 MarkenG n. F.) mit Blick auf Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG dahin gehend richtlinienkonform auszulegen sei, dass nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig seien.

Dies begründete der Senat damit, dass  

  • die angeführte richtlinienkonforme Auslegung mit dem Wortlaut des § 140 Abs. 3 MarkenG a. F. vereinbar sei,
  • aus dem Umstand, dass der Ersatz von Auslagen ausdrücklich an deren Notwendigkeit geknüpft sei, nicht hergeleitet werden könne, dass die Berücksichtigung der Notwendigkeit der patentanwaltlichen Mitwirkung ausscheide und
  • sich zudem nicht feststellen lasse, dass die Regelungsabsicht des Gesetzgebers der angeführten richtlinienkonformen Auslegung entgegenstehe.

FAZIT

Da dem BGH eine eigene Sachentscheidung in der Sache verwehrt ist, ist es nunmehr Aufgabe des Beschwerdegerichts erneut zu entscheiden. Dabei ist es an der obsiegenden Klägerin, die Notwendigkeit der zusätzlichen Einschaltung der Patentanwältin substantiiert darzulegen und zu beweisen.

Die Gerichte werden zukünftig im Rahmen der Erstattungsfähigkeit von Patentanwaltskosten im Prozess stets prüfen müssen, ob die Einschaltung eines Patentanwalts neben einem Rechts- bzw. Fachanwalt erforderlich war und ob die insofern angefallenen Kosten zumutbar und angemessen sind. Während dies in Patent- und Gebrauchsmusterstreitsachen die Regel darstellen wird, dürfte dies hingegen in Marken- und Designstreitsachen nur der Fall sein, wenn das Verfahren beispielsweise technische Fragen zum Inhalt hat, die eine besondere patentanwaltliche Sachkunde erfordern.

Die Entscheidung des BGH entspricht insofern seiner ständigen Rechtsprechung zur außergerichtlichen Erstattungsfähigkeit von Patentanwaltskosten z. B. bei Abmahnungen (vgl. BGH GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II), nach welcher es der zusätzlichen Einschaltung eines Patentanwalts nicht bedarf, wenn der Rechtsanwalt nach seinen kennzeichenrechtlichen Fähigkeiten allein dazu imstande ist, den Fall rechtlich zu beurteilen und den Verletzter abzumahnen (vgl. BGH, Urteil vom 10.05.2012 – I ZR 70/11).