BGH HEITEC III – Keine Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche bei nicht rechtzeitig behobenen formellen Mängel der Klage

Der Bundesgerichtshof hat in seinem aktuellen Urteil vom 26.01.2023 (Az. I ZR 56/19) wichtige Aspekte zur Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche sowie zur Bemessung des relevanten Duldungszeitraumes beleuchtet.

§ 21 Markengesetz (MarkenG) bzw. Art. 61, 138 Unionsmarkenverordnung (UMV) regeln die Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche, d. h. unter welchen Umständen dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung das Recht verwehrt ist, die Benutzung einer Marke, einer geschäftlichen Bezeichnung oder eines sonstigen Rechts zu untersagen. Dies ist der Fall, soweit der Rechtsinhaber die Benutzung eines Zeichens mit jüngerem Zeitrang während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat und aufseiten des gegnerischen Rechtsinhabers keine Bösgläubigkeit vorlag.

SACHVERHALT

In dem vorliegenden Rechtsstreit der HEITEC AG (Klägerin) gegen die HEITECH Promotion GmbH (Beklagte) ging es um Ansprüche aufgrund der Verletzung des Unternehmenskennzeichens „HEITEC“, hilfsweise gestützt auf eine gleichnamige prioritätsältere Unionswortmarke.

Im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung hatte die Beklagte im Jahr 2004 zunächst erfolglos das Interesse der Klägerin am Abschluss einer Abgrenzungsvereinbarung angefragt. Die Klägerin hatte im Frühjahr 2009, nachdem ihr die Anmeldung der Unionsmarke „HEITECH“ der Beklagten zur Kenntnis gelangt war, diese wegen der Verwendung des Unternehmenskennzeichens und der Marke außergerichtlich abgemahnt. Die Beklagte war der Abmahnung mit dem erneuten Vorschlag einer Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung entgegengetreten, worauf die Klägerin nicht reagiert hatte. Ende Dezember 2012 hatte die Klägerin stattdessen per Fax Klage gegen die Beklagte beim Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth eingereicht. Da sie jedoch zunächst weder den notwendigen Gerichtskostenvorschuss eingezahlt noch die für die Zustellung erforderlichen und mit der per Fax übermittelten Klageschrift übereinstimmenden Originale eingereicht hatte, war die Zustellung der Klage an die Beklagte erst deutlich später im Mai 2014 erfolgt.

Nachdem das LG die Klage überwiegend wegen Verwirkung der Klageansprüche abgewiesen hatte und auch die klägerische Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg erfolglos geblieben war, legte die Klägerin schließlich Revision beim BGH ein. Unter Aussetzung des Verfahrens legte der BGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im vergangenen Jahr mehrere Fragen zu den Anforderungen an die Beendigung der Duldung einer Markenverletzung zur Vorabentscheidung vor. Nunmehr urteilte der BGH unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH selbst.

ENTSCHEIDUNG

Der BGH hat die Revision mit der Begründung zurückgewiesen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche verwirkt seien.

Damit schließt sich der BGH der Rechtsauffassung des EuGH (EuGH, Urteil vom 19.05.2022, Az. C-466/20 – HEITEC) an. Über das Urteil des EuGH hatten wir bereits Mitte letzten Jahres berichtet (https://www.cbh.de/news/geistiges-eigentum-medien-it/eugh-heitec-reine-abmahnung-verhindert-nicht-die-verwirkung-markenrechtlicher-ansprueche-2/ bitte verlinken)

Der BGH führt gestützt auf die Entscheidung des EuGH aus, dass die Einreichung eines Rechtsbehelfs – hier der Klage – zwar grundsätzlich geeignet sei, die Duldung zu beenden, da sie normalerweise die ernsthafte und eindeutige Absicht des Rechtsbehelfsführers – hier der Klägerin – widerspiegele, seine Rechte geltend zu machen. Daran bestünden jedoch Zweifel, wenn der eingelegte Rechtsbehelf formelle Mängel aufgewiesen habe, die der Rechtsbehelfsführer aufgrund mangelnder Sorgfalt nicht rechtzeitig behoben habe. Unter diesen Umständen bringe der Rechtsbehelfsführer erst mit der Behebung dieser formellen Mängel eindeutig seine klare und ernsthafte Absicht der Geltendmachung seiner Rechte zum Ausdruck. Erfolge die Mängelbehebung demnach mangels Sorgfalt des Rechtsbehelfsführers erst nach Ablauf der für die Verwirkung maßgeblichen Duldungsfrist, so sei Verwirkung anzunehmen.

Dies berücksichtigend habe im hiesigen Fall die von der Klägerin erhobene Klage den Duldungszeitraum nicht unterbrochen, weil die Klage aufgrund mangelnder Sorgfalt der Klägerin erst nach Ablauf von fünf Jahren seit der zuvor ausgesprochenen Abmahnung zugestellt worden sei. Eine Rückwirkung des Zustellungszeitpunktes auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung scheitere schon daran, dass die Zustellung nicht alsbald nach Klageeinreichung erfolgt sei.

Der BGH begründet die mangelnde Sorgfalt der Klägerin damit, dass diese

  • zunächst weder den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt
  • noch die für die Zustellung erforderlichen Originale der Klageschrift eingereicht hatte und
  • die sodann eingereichten Originale nicht mit der per Fax übermittelten Klageschrift übereingestimmt hatten.

Weiter folgt der BGH der Rechtsauffassung des EuGH dahin gehend, dass aufgrund des Regelungszwecks der Duldung, die Rechtssicherheit zu wahren, neben Unterlassungsansprüchen von der Verwirkung auch Neben- oder Folgeansprüche erfasst seien (z. B. Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft oder Vernichtung von Waren), ohne dass es auf eine Unterscheidung von Einzel- und Dauerhandlungen ankomme.

Zuletzt stellt der BGH in seinem Urteil klar, dass die Grundsätze des § 21 Abs. 4 MarkenG in Verbindung mit § 242 BGB nicht auf die markenrechtlichen Verwirkungstatbestände (§§ 21 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG bzw. Art. 61, 137 UMV) übertragbar seien. Grund dafür sei, dass die markenrechtlichen Verwirkungstatbestände dem Ausgleich der Rechtspositionen zweier Zeicheninhaber dienen und insofern eine andere Konstellation als die Verwirkung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erfassen würden. Bei dieser sei hingegen maßgeblich, ob der Verletzer, der keine eigene Zeichenrechtsposition innehabe, berechtigt darauf habe vertrauen dürfen, dass der Rechtsinhaber sein der Benutzung entgegenstehendes Zeichenrecht nicht durchsetzen werde.

FAZIT

Der BGH stellt damit folgende Aspekte in seinem Urteil besonders heraus:  

  • Eine vorgerichtliche erfolglose Abmahnung reicht zur Verhinderung der Verwirkung grundsätzlich nicht aus. Dies ist jedoch anders zu beurteilen, wenn nach der Erfolglosigkeit der Abmahnung entweder ein behördlicher oder gerichtlicher Rechtsbehelf alsbald eingelegt und das dementsprechende Verfahren ernsthaft betrieben wird oder die Parteien immerhin Verhandlungen aufnehmen (EuGH, Urteil vom 19.05.2022, Az. C-466/20 – HEITEC). Das bloße Verhandlungsangebot der abgemahnten Partei kann die Duldungsfrist nur unterbrechen, wenn der Abmahnende innerhalb eines Zeitraums, in dem die abgemahnte Partei den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, zumindest die Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen anzeigt (BGH, Urteil vom 26.01.2023, Az. I ZR 56/19 – HEITEC III).

Die Einlegung eines behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs beendet grundsätzlich die Duldung einer Markenverletzung und verhindert folglich die Verwirkung (EuGH, Urteil vom 22.09.2011, Az. C-482/09 – Budějovický Budvar). Dies gilt jedoch nicht, wenn der eingelegte Rechtsbehelf formelle Mängel aufweist, die der Rechtsbehelfsführer aufgrund mangelnder Sorgfalt erst nach Ablauf der Duldungsfrist behebt (EuGH, Urteil vom 19.05.2022, Az. C-466/20 – HEITEC; BGH, Urteil vom 26.01.2023, Az. I ZR 56/19 – HEITEC III).