BGH: Angebotsmanipulation bei Amazon

Mit Urteil vom 3. März 2016 hat der BGH entschieden, dass Händler, die Produkte auf der Verkaufsplattform Amazon-Marketplace anbieten, eine Überwachungs- und Prüfungspflicht hinsichtlich möglicher Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote trifft, die selbständig von Dritten vorgenommen werden (BGH Urt. v. 3. März 2016, Az. I ZR 140/14).

Zum Hintergrund

Das Anbieten von Waren über Amazon-Marketplace erfolgt dergestalt, dass der erste Anbieter eines Produkts seine Produktinformationen in eine von Amazon bereitgestellte Maske eingibt, die dann als digitale Katalogseite abrufbar ist. Stellen danach andere Händler das gleiche Produkt zum Verkauf ein, werden sie auf der Katalogseite des ersten Anbieters gelistet, auf welcher dann die Gesamtzahl der Angebote für das Produkt genannt wird. Die anderen Verkäufer können die Produktbeschreibung ohne Einflussmöglichkeit des ursprünglichen Erstellers nachträglich ändern.

Sachverhalt

Der Kläger ist Inhaber der beim DPMA eingetragenen Wortmarke Nr. 302011045395 „TRIFOO“, die Schutz für Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Schnittstellengeräte und -programme für Computer beansprucht. Der Beklagte betreibt unter der Bezeichnung „e.“ einen Händlershop, über den er unter www.amazon.de auf der Handelsplattform Amazon-Marketplace eine sog. „Finger Maus“ für PCs und Notebooks anbot. Dieses Angebot konnte am 20. November 2011 unter den Angaben „Trifoo USB 2.0 Finger Maus 3D Optical Mouse für PC Notebook 800 DPI“ und „Verkauf und Versand durch e. “ aufgerufen werden.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Der Beklagte behauptet, die von ihm für das beanstandete Angebot ausgefüllte Produktinformation habe das Zeichen „TRIFOO“ nicht enthalten, sondern die Herstellerbezeichnung „Oramics“. Die Seite sei nachträglich von einem anderen Anbieter geändert worden.

Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben hat und die Berufung des Beklagten nur hinsichtlich eines Teils der Abmahnkosten Erfolg hatte, verfolgt der Beklagte mit der Revision seinen auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter.

Die Entscheidung des BGH

Die Revision blieb ohne Erfolg. Der BGH entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5 MarkenG und der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß §§ 670, 677, 683 BGB zusteht.

Das auf der Handelsplattform Amazon aufrufbare Angebot der „Trifoo Finger Maus“, in welchem der Beklagte als Verkäufer bezeichnet wurde, verletze die Wortmarke „TRIFOO“ des Klägers i.S.d. § 14 Abs. 2 MarkenG. Der Beklagte hafte für die Markenverletzung jedenfalls als Störer. Als Störer könne in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beitrage. Für einen adäquat-kausalen Beitrag sei vorliegend ausgereichend gewesen, dass der Beklagte einen Artikel für seinen Internetshop bei Amazon zum Verkauf eingestellt habe und dieses Angebot jedenfalls am 20. November 2011 die Beschreibung mit der Marke des Klägers aufgewiesen habe.

Prüfpflichten bestehen auch für Erstanbieter fort

Zusätzliche Voraussetzung für eine Störerhaftung sei die Verletzung von Überwachungs- und Prüfpflichten. Den Beklagten habe vorliegend eine Prüf- und Überwachungspflicht hinsichtlich selbstständig von Dritten an seinem Angebot vorgenommener Änderungen der Produktbeschreibung getroffen. Zwar sei davon auszugehen, dass der Beklagte beim ursprünglichen Einstellen des Angebotes als Herstellerangabe „Oramics Hightech“ eingetragen und die Marke des Klägers später weder selbst eingefügt noch dies veranlasst oder geduldet habe. Jedoch treffe ihn als Anbieter von Waren bei Amazon die Verpflichtung, nicht mit unzutreffenden Angaben zu werben und Produkte nicht unter fremden Marken anzubieten. Dieser Verpflichtung könne er sich nicht dadurch entledigen, dass er sich als Erstanbieter vergewissere, dass die unter der neu angelegten ASIN (Amazon Standard Identification Number) hinterlegte Produktbeschreibung in jeder Hinsicht zutreffe.

Überwachungspflicht auch für angehangene Händler

Vielmehr treffe ihn auch eine Überwachungs- und Prüfpflicht, wenn er unter der ASIN dauerhaft oder nach zeitlicher Unterbrechung erneut Artikel anbiete. Dies ergebe sich unter dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens in Form der Tätigkeit als Anbieter auf der Handelsplattform Amazon. Es liege auf der Hand, dass andere Verkäufer von der Möglichkeit, die Produktbeschreibung des Erstanbieters zu ändern, Gebrauch machen würden. Dass bei Amazon-Marketplace Angebote für ein bestimmtes Produkt durch andere Händler geändert werden könnten, sei in Händlerkreisen auch bekannt. Der Beklagte könne nicht darauf vertrauen, dass es allein wegen wettbewerbsrechtlicher Vorschriften oder der Teilnahmebedingungen des Plattformbetreibers nicht zu unzutreffenden Veränderungen der ursprünglichen Produktbeschreibung komme. Ihm sei zuzumuten, ein von ihm über einen längeren Zeitraum eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden seien. Komme er dieser Pflicht nicht nach, hafte er für durch solche Veränderungen bewirkte Rechtsverletzungen als Störer.

Anmerkung

Ein Händler, die seine Produkte über Verkaufsplattformen wie Amazon Marketplace anbietet, haftet nach dem Urteil des BGH unter gewissen Umständen also auch für solche Angaben, die er nicht selbst gemacht hat.

Ähnliches entschied der BGH in einem weiteren Fall (Urt. v. 3. März 2016, Az.I ZR 110/15). Dort wurde über Amazon eine Armbanduhr zum Preis von 19,90 Euro angeboten. Daneben befand sich der durchgestrichene, als „unverbindliche Preisempfehlung“ bezeichnete Preis von 39,90 Euro samt des Hinweises „Sie sparen: EUR 20,00 (50%)“. Diese Angaben stammten nicht vom Verkäufer, sondern von Amazon. Daraufhin wurde der Anbieter von einem Mitbewerber gerichtlich in Anspruch genommen, da es sich bei der Uhr um ein Auslaufmodell handelte, das überhaupt nicht mehr in den Händlerpreislisten geführt wurde. Der BGH stimmte dem Kläger zu. Dem Beklagten habe klar sein müssen, dass er die Gestaltung seines Angebots nicht vollständig beherrschen könne. Es könne daher eine regelmäßige Kontrolle des Angebots erwartet werden.

BGH, Urt. v. 3. März 2016, Az. I ZR 140/14