Auskunftsanspruch des Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsrechtverletzung über Kontaktdaten des Täters gegen Instagram

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat mit seinem Beschluss vom 23.03.2022 (Az. 9 WX 23/21) bestätigt, dass Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sozialen Netzwerken gegen den Anbieter ein Anspruch auf Auskunft über bestimmte Kontaktdaten des Täters unmittelbar aus § 21 Abs. 2 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes („TTDSG“) zustehen kann. Insbesondere bekräftigte das Gericht, dass es neben § 21 Abs. 2 TTDSG keines gesonderten materiell-rechtlichen Anspruches bedürfe.

Sachverhalt

Die minderjährige Antragstellerin ist Inhaberin eines Nutzerkontos auf Instagram. Die Antragsgegnerin zu 2) ist die Betreiberin der Social-Media-Plattform Instagram.

Ein der Antragstellerin unbekannter Dritter eröffnete einen Account auf Instagram mit dem Nutzernamen „[Name der Antragstellerin]_wurde_gehackt“. Auf diesem Account stellte der Dritte in einem Ordner namens „Nudes“ Bilder und Äußerungen ein. Die Bilder zeigten eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau, deren Gesicht jeweils durch ein Smartphone verdeckt ist. Auf den Fotos waren jeweils Äußerungen zu lesen, die den Anschein erweckten, dass es der Antragstellerin daran gelegen war, in kurzer Zeit viele Geschlechtspartner zu finden.

Nachdem die Antragstellerin durch Bekannte auf das o. g. Konto aufmerksam wurde, meldete sie es bei der Antragsgegnerin zu 2), welche dieses drei Tage später deaktivierte, sodass die Bilder nicht mehr abrufbar waren.

Die Antragstellerin hat einen Antrag beim zuständigen Landgericht gestellt, die Antragsgegnerin zu 2) zu verpflichten, die Bestandsdaten und IP-Adressen des Inhabers des Fake-Accounts herauszugeben, um zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Das Landgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde.

Die Entscheidung

Das Gericht hat der Beschwerde in Bezug auf die begehrte Auskunft über Bestandsdaten stattgegeben, sie bezüglich der IP-Adressen aber zurückgewiesen.

Obwohl die Antragsgegnerin zu 2) keine Niederlassung im Inland habe, sei das TTDSG auch auf sie anwendbar. Nach dem in § 1 Abs. 3 TTDSG enthaltenen sog. Marktortprinzip sei das TTDSG auf sämtliche Unternehmen anwendbar, die ihre Dienste in der Bundesrepublik Deutschland anbieten. Dies träfe auch auf die Antragsgegnerin zu 2) zu.

Der Anspruch der Antragstellerin folge, soweit er begründet sei, aus § 21 Abs. 2 TTDSG.

Nach § 21 Abs. 2 TTDSG ist ein Anbieter von Telemedien verpflichtet, Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist.

Die Antragsgegnerin zu 2) sei ein Anbieter von Telemedien im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 TTDSG i. V. m. § 1 Abs. 1 TMG, da es sich bei Instagram um ein Telemedium im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG handele.

Durch den Inhalt des Fake-Accounts würden absolut geschützte Rechte der Antragstellerin rechtswidrig verletzt. Dies erfordere dabei eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin, was sich aus dem Verweis in § 21 Abs. 2 S. 1 TTDSG auf § 1 Abs. 3 NetzDG ergebe, der rechtswidrige Inhalte als Inhalte definiert, die den Tatbestand der dort enumerativ aufgezählten Straftatbestände des StGB erfüllen, u. a. die Beleidigung gem. § 185 StGB, und nicht gerechtfertigt sind.

Die Schaffung des Fake-Accounts in der Gesamtschau mit dem Einstellen der Fotos mit Kommentaren erfülle den Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB und sei nicht gerechtfertigt.

Durch den Fake-Account werde suggeriert, dass die Antragstellerin gehackt wurde, ihr Nutzerprofil also dem Zugriff fremder Dritter ausgesetzt wurde. Diese Behauptung sei als solche zwar nicht beleidigend. Allerdings seien auf dem gegenständlichen Account auch Fotos eingestellt worden, die die Antragstellerin darstellen sollen. Deswegen würden ihr die Äußerungen in den Kommentaren zugeschrieben, die den Eindruck hervorrufen sollen, sie sei an sexuellen Kontakten interessiert und eine „Schlampe“.

Darin liege eine Beleidigung, da diese sexuellen Anspielungen geeignet seien, die Antragstellerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Dies gelte insbesondere, da die Antragstellerin minderjährig sei. Der unbekannte Dritte suggeriere durch das Erstellen des Fake-Accounts und Hochladen der Fotos nebst Kommentaren, die Antragstellerin wolle sich auf diese Weise zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Dadurch, dass ihr diese unsittliche Verhaltensweise zugeordnet werde, werde der soziale Geltungswert der Antragstellerin gemindert.

Die Äußerungen auf dem Nutzerkonto seien insbesondere auch nicht wegen einer Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt. Es handele sich dabei um reine Schmähungen. Die Kommentare zielten allein auf die Herabsetzung der Antragstellerin, ohne dass ein Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung erkennbar wäre. Hinzu komme, dass der eigentliche Urheber unerkannt bleibe und die Formulierung der Kommentare suggeriere, sie seien von der Antragstellerin selbst getätigt worden. Es gehe dem Urheber somit allein um eine grundlose Verächtlichmachung der Antragstellerin.

Die Antragstellerin sei auch erkennbar die Betroffene der Rechtsverletzung. Eine Erkennbarkeit in diesem Sinne setze die vollständige oder auch nur abgekürzte Namensnennung nicht voraus. Es genüge vielmehr die Übermittlung von Teilinformationen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne Weiteres ergebe oder mühelos ermitteln lasse. Dies sei vorliegend der Fall, insbesondere, da die Antragstellerin von Bekannten tatsächlich erkannt wurde.

Die Auskunftserteilung sei auch erforderlich, damit die Antragstellerin ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Dritten zivilrechtlich geltend machen könne. Denn der Dritte sei der Antragstellerin unbekannt, sodass sie ohne Auskunftserteilung keinerlei Ansprüche geltend machen könne.

Allerdings umfasse die Auskunft nur die bei der Antragsgegnerin zu 2) vorhandenen Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten. Bestandsdaten sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich seien. Dazu würden Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers gehören, nicht aber die IP-Adressen, von denen aus die Inhalte hochgeladen wurden. Dies seien Nutzungsdaten im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 TTDSG. Die Auskunft über Nutzungsdaten richte sich ausschließlich nach § 24 TTDSG.

Entgegen den Ausführungen des Landgerichts bedürfe es neben § 21 TTDSG keines gesonderten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs der Antragstellerin gegen die Antragstellerin zu 2). In § 21 Abs. 2 TTDSG sei ein eigenständiger materiell-rechtlicher Anspruch zu sehen.

Praxishinweis

Durch die Entscheidung wurde die Position von Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sozialen Netzwerken nachhaltig gestärkt. Insgesamt wird es den Tätern zunehmend schwerer, sich im Internet in die Anonymität zu flüchten.

Begrüßenswert ist, dass das Gericht entschieden hat, dass es neben § 21 TTDSG keines gesonderten materiell-rechtlichen Anspruchs gegen den Anbieter zur Auskunftserteilung bedarf. Daher ist es Betroffenen nun möglich, beim Vorliegen allein der Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG die Auskunftserteilung über Bestandsdaten durch u. a. Instagram aufgrund gerichtlicher Anordnung zu beantragen.

Somit können wichtige Kontaktdaten des Täters, u. a. dessen Name, Telefonnummer und E-Mailadresse, in Erfahrung gebracht werden. Dies ermöglicht eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Täter und vor allem eine namentliche Strafanzeige. Kann in Erfahrung gebracht werden, in welcher Stadt der Täter lebt – ggf. im Rahmen eines Strafverfahrens –, kann im Rahmen einer Meldeabfrage sogar die genaue Adresse in Erfahrung gebracht werden und damit ein zivilrechtliches Verfahren eingeleitet werden.

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Prof. Dr. Markus Ruttig

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