Verwertungserlös ist (k)ein Preisbestandteil – Preisanpassungsanspruch bei Einheitspreisen

Mit Urteil vom 10.06.2021 (Az.: VII ZR 157/20) hat der BGH äußerst praxisrelevante Feststellungen zu Einheitspreisen und ihren potenziellen Anpassungsmechanismen getroffen. Faktoren, die nicht Bestandteil der Berechnung des ursprünglichen Einheitspreises waren, bleiben bei Preisanpassungsverhandlungen nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B unberücksichtigt.

Die Klägerin (AN) begehrt von der Beklagten (AG) die Zahlung restlichen Werklohns für Leistungen bei einem Bauvorhaben. Besondere Relevanz hat insbesondere die Nachforderung für Holzungsarbeiten zur anschließenden Bebauung der Fläche. Die Leistung ist verpreist mit einem Einheitspreis von 0,12 €/Stück bei einer angenommenen Menge von 4.500 Stück, tatsächlich waren nur 1.237 Bäume zu fällen (Mengendifferenz: 3.263 Stück). In der Urkalkulation, welche der Beklagten auf Anforderung vorgelegen hat, hat die Klägerin den Einheitspreis mit den EKT, den Zuschlägen für BGK und AGK sowie Wagnis und Gewinn berechnet, hiervon allerdings der Beklagten eine Gutschrift von 15,00 €/Stück erteilt und von den kalkulierten Kosten abgezogen. Nach den Erläuterungen der Urkalkulation hatte die Klägerin einen Verwertungserlös von 60,00 €/Baum kalkuliert, welchen sie mit 15,00 €/Stück zu 25 % der Beklagten gutgeschrieben hat und mit 45,00 €/Stück zu 75 % als eigenen Gewinn kalkuliert hat. Die Klägerin begehrt nunmehr insbesondere einen Ausgleich für entgangenen Erlös in Höhe von 146.835,00 € netto (3.263 Bäume à 45,00 €/Stück) und mithin eine Anpassung des Einheitspreises gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B.

Ohne Erfolg! Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B ist bei einer über 10 % hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen der EP für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung zu erhöhen, soweit keine ausgleichende Kompensation durch anderweitige Mengenabweichungen generiert wird. Durch diese Regelung soll der Vergütungsanspruch des AN den branchenüblichen Unwägbarkeiten entzogen werden. Abweichungen zwischen der Einschätzung erforderlicher Baustoffmengen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Vergleich zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verwertung auf der Baustelle sind ein gängiges Phänomen aus der Praxis. Die aufgrund der Mengenminderung eingetretene Störung des Äquivalenzverhältnisses soll durch eine entsprechende Anpassung der Vergütung durch Neubildung eines einheitlichen EP für die gesamte, tatsächlich ausgeführte Masse ausgeglichen werden. Bezugsgröße für den wegen der Mengenminderung anzupassenden EP ist ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B der ursprüngliche EP. Faktoren, die nicht Bestandteil des ursprünglichen EP sind, sind bei dessen Anpassung nicht zu berücksichtigen. Der in der Urkalkulation vom AN prognostizierte Verwertungserlös in Höhe von 45,00 € pro Baum ist kein Bestandteil des angebotenen EP. Ausweislich der dem AG vorgelegten Urkalkulation hat der AN unter Berücksichtigung der Gutschrift von 15,00 € einen EP von 0,12 € als äquivalente Gegenleistung für die Fällung eines Baums einschließlich dessen Verwertung ohne Berücksichtigung des weiteren Verwertungserlöses (in Höhe von 45,00 € pro Baum) angeboten. Der AG durfte daher davon ausgehen, dass – mit Ausnahme der in den EP eingerechneten Gutschrift – die weitere Erlöserwartung des AN keinen Einfluss auf den angebotenen EP hat.

Praxistipp

Die BGH-Rechtsprechung bietet durchaus Anlass fehlinterpretiert zu werden. So kann mitnichten aus hiesiger Rechtsprechung der Rückschluss gezogen werden, einkalkulierte Verwertungserlöse seien nicht ersatzfähig. Auftragnehmerseits einkalkulierte Verwertungserlöse und mithin Gewinne sind nur deutlich genug als mitbestimmender Faktor des Einheitspreises zu kennzeichnen. Die Urkalkulation muss den unzweideutigen Schluss zulassen, dass die Höhe des Verwertungserlöses des jeweiligen Rohstoffes ein maßgeblicher Faktor zur Bestimmung des Einheitspreises war. Wird aus der Urkalkulation eines Auftragnehmers deutlich, dass der von ihm prognostizierte Verwertungserlös insgesamt Bestandteil des angebotenen Einheitspreises war, ist dieser auch Bestandteil des Äquivalenzverhältnisses. Somit führt dieser zu einer Einheitspreiserhöhung bei einer Mengenminderung gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B.