Steigende Baumaterialpreise – Anspruch auf Preisanpassung in Verträgen?

Die Preise für Baustoffe wie z. B. Kupfer, Aluminium, Holz- und Holzverbundstoffe, Bitumen und Dämmstoffe steigen seit schon seit mehreren Monaten an – unaufhaltsame Höchststände wurden in den letzten Wochen erreicht. Ob und inwiefern Auftragnehmer gegenüber ihren Auftraggebern diese Preissteigerungen „weiterreichen“ können, ist die Frage. Eine einfache und pauschale Antwort gibt es dazu nicht. Zu unterscheiden ist in dem Zusammenhang die genaue Vertragskonstellation.

Bewertung bestehender Werk- und Bauverträge

Grundsätzlich haben sich Vertragsparteien an den Inhalt der Einigung einer Vereinbarung zu halten. Ansprüche auf Vertragsmodifizierung, insbesondere Ansprüche auf Preisänderungen o. Ä., gibt es, soweit eine solche nicht vereinbart ist (Preisgleitklausel, dazu siehe unten), nur in wenigen Ausnahmefällen. Zu unterscheiden sind insbesondere folgende Konstellationen:

Gleichbleibendes Leistungsziel ohne Massenabweichung

Unterstellt, die Vertragsparteien haben keine vertragliche Vereinbarung dazu getroffen, ob und inwiefern Preisanpassungen – ohne Mengenabweichung bei gleichem Leistungsziel – erfolgen können, so ist an § 313 Abs. 1 BGB zu denken, der Folgendes regelt:

„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Die hier zitierte Vorschrift hat einen sehr engen Anwendungsbereich und kommt in der Praxis sehr selten zum Tragen. Das OLG Düsseldorf beispielsweise hat eine Anwendung des § 313 BGB im Falle einer Preisstofferhöhung mit der Folge der Preisanpassung abgelehnt, Urteil vom 19.12.2008 – 12 U 48/08:

„In der Vereinbarung eines Festpreises liegt eine stillschweigende Übernahme des Risikos von Leistungserschwerungen durch Erhöhung der Selbstkosten im Sinne einer Preisgarantie, die einen Anspruch des Auftragnehmers aus § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung des Vertrags regelmäßig ausschließt.“

Das Oberlandesgericht Hamburg hat einen Anspruch auf Preiserhöhung ebenfalls abgelehnt und mit Urteil vom 28.12.2005 – 14 U 124/05 (BGH Beschluss vom 23.11.2006 – VII ZR 55/06, Zurückweisung Nichtzulassungsbeschwerde) wie folgt ausgeführt:

„Insofern kommt eine Vertragsanpassung im von der Beklagten gewünschten Sinne nach § 313 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, weil unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses und auch der Kalkulation der Beklagten die typische vertragliche Risikoverteilung dieses Risiko ausschließlich der Beklagten zuweist.“

Die Rechtsprechung lehnt mithin Anpassungsansprüche wegen Preissteigerungen grundsätzlich ab, da sich hierin allein ein zu tragendes Auftragnehmerrisiko verwirklicht (etwa BGH, Urteil vom 19.12.1985, Az. VII ZR 188/84).

Im Ergebnis besteht kein Vertragsanpassungsanspruch bei gleichbleibendem Vertragsziel und gleichbleibenden Massen. Abweichendes kann im Falle einer Massenmehrung und einer nachträglichen Änderung des Leistungsziels gelten.

Massenmehrung

Bei Einheitspreisverträgen gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B hat der BGH einen Anspruch auf Preisänderung im Falle einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Mengenüberschreitung eingeräumt:

„Dabei entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen im von § 2 Abs. 3 VOB/B bestimmten Umfang keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll. Für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B sind die tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge maßgeblich.“

Für den Pauschalpreisvertrag gemäß § 2 Abs. 7 VOB/B ist zunächst von einer grundsätzlichen Unveränderbarkeit der Vergütung auszugehen, es sei denn, das Festhalten an der Pauschalsumme ist unzumutbar. Dann gelten wiederum die Grundsätze der Vertragsanpassung nach § 313 BGB.

Für BGB-Verträge regeln die §§ 650b, 650 c BGB, dass Nachträge auf Grundlage der Urkalkulation oder der tatsächlich erforderlichen Kosten auf Grundlage der Urkalkulation oder der tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn berechnet werden.

Somit lässt sich festhalten, dass im Falle eines Einheitspreisvertrags aktuelle Baustoffpreisveränderungen am „einfachsten“ berücksichtigt werden können, sofern eine Mengenüberschreitung vorliegt und entsprechender Neuverhandlungsbedarf besteht.

Praxishinweis für den Abschluss zukünftiger Werk- und Bauverträge

Da der Auftragnehmer also nicht ohne Weiteres aufgrund weltmarktbedingter Materialpreiserhöhungen beim Auftraggeber Kompensation fordern kann, ist für zukünftig abzuschließende Verträge die Aufnahme einer Preisgleitklausel sehr empfehlenswert. Je nach den Bedürfnissen des Einzelfalls sind die Anpassungsmechanismen, eine sachgerechte Risikoverteilung und sonstige Voraussetzungen der Preisanpassung klar zu regeln. Es empfiehlt sich, die Klausel und ihre Einzelheiten (ggf. für jeden Einzelfall) bestenfalls unter rechtsanwaltlicher Beratung aushandeln zu lassen. Formularvertragliche Klauseln können ggf. an § 309 Nr. 1 BGB bei Verbraucherverträgen und an § 307 BGB bei Unternehmerverträgen scheitern; hier ist auch besondere Vorsicht an den Tag zu legen.