Reform des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen – die geplanten Änderungen im Überblick

Seit Veröffentlichung eines Gesetzentwurfes im Mai 2019 war es ruhig um die geplante Verschärfung des Grunderwerbsteuerrechts im Bereich der sogenannten Share Deals geworden. Nun hat die Umsetzung der Grunderwerbsteuer-Reform überraschend Fahrt aufgenommen: Am 21.04.2021 hat der Deutsche Bundestag aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichtes des Finanzausschusses des Bundestags den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung des Buchstaben a der Beschlussempfehlung angenommen, mit dem die grunderwerbsteuerliche Behandlung von Share Deals neu geregelt werden soll. Am 7. Mai 2021 hat auch der Bundesrat der Grunderwerbsteuerreform zugestimmt.

Hintergrund der aktuellen Gesetzesreform ist die Reduzierung der politisch nicht länger gewollten Steuergestaltung bei Share Deals zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer. Share Deals bieten insbesondere Großinvestoren die Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer weitgehend zu sparen. Dies geschieht dadurch, dass nicht eine Immobilie als solche erworben wird (Asset Deal), sondern stattdessen Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erworben werden (Share Deal). Der Erwerb der Anteile ist derzeit grunderwerbsteuerfrei, sofern weniger als 95 % der Anteile an den Investor übertragen werden. Der Erwerb der restlichen Anteile erfolgt in der Regel nach Ablauf von fünf Jahren, so dass aufgrund der Wartezeit von fünf Jahren nur in geringem Umfang – nämlich im Hinblick auf die erworbenen 5,1 % – Grunderwerbsteuer anfällt. Die Möglichkeit genau dieser Steuergestaltung wurde mit der Grunderwerbsteuerreform jetzt neu geregelt. Es sei – so heißt es in dem Gesetzentwurf – nicht weiter hinnehmbar, dass die durch Gestaltungen herbeigeführten Steuerausfälle von denjenigen finanziert werden, denen solche Gestaltungen nicht möglich sind. Folgende Änderungen werden zum 1. Juli 2021 in Kraft treten:

Absenkung der Beteiligungsgrenzen von 95 auf 90 Prozent

Ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand liegt nach derzeitiger Rechtslage nur vor, wenn mind. 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in einer Hand vereinigt werden oder wenn Anteile, die bereits derart vereinigt sind, auf einen Erwerber übertragen werden. Die für Share Deals relevante Beteiligungshöhe soll nun auf mind. 90 % abgesenkt werden, was gleichermaßen für Anteile an immobilienhaltenden Personen- und Kapitalgesellschaften gelten soll. Betroffen von der Schwellenwertabsenkung auf 90% sind alle GrEStG-Tatbestände für grundstückshaltende Gesellschaften (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a und der neue § 1 Abs. 2b GrEStG), nicht jedoch das Konzernprivileg des § 6a GrEStG. Die Herabsetzung auf 90 % stellt eine substantielle Verschärfung der bestehenden Regelungen dar. Die kritische Quote, bei der ein Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft noch keine Grunderwerbsteuer auslöst, verschiebt sich hierdurch von 94,9 % auf 89,9 %.

Verlängerung der Haltefristen von fünf auf zehn bzw. 15 Jahre

Der Grunderwerbsteuertatbestand und die Grunderwerbsteuerbefreiungen sind jeweils an zeitliche Fristen geknüpft (Haltefristen). Diese Nach- und Vorbehaltensfristen sollen von fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Dies betrifft vornehmlich die Tatbestände der §§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG sowie die Befreiungsvorschriften in §§ 5 und 6 GrEStG (nicht jedoch § 6a GrEStG). Es soll sowohl bei Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften erst nach Ablauf von zehn Jahren möglich sein, die bei einem Altgesellschafter verbliebene Minderheitsbeteiligung von zukünftig 10,1 % ohne Auslösung von Grunderwerbsteuer zu erwerben.

Durch eine Neuregelung wird für Personengesellschaften die Haltefrist in bestimmten Fällen sogar auf 15 Jahre verlängert, § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG. Dadurch sollen Gestaltungen erschwert werden, die durch einen zeitlich gestreckten Erwerb von Anteilen am Vermögen einer Immobilien-Personengesellschaft die Erzielung von Steuervergünstigungen zum Ziel haben. Betroffen sind hierbei die Fälle, in denen die Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht greift, weil weniger als 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen sind und nach Ablauf dieser Frist eine grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 / Nr. 2 oder Abs. 3a GrEStG erfolgt. In diesen Fällen soll die dann grundsätzlich anwendbare Steuerbefreiung nach § 6 GrEStG nur greifen, wenn die Anteilsvereinigung 15 Jahre nach dem Anteilserwerb an der Personengesellschaft durch Rechtsgeschäft unter Lebenden stattfindet.

Neuer Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften

Eine weitere Verschärfung der geltenden Rechtslage stellt die geplante Schaffung eines „neuen Ergänzungstatbestandes für Kapitalgesellschaften“ dar, § 1 Abs. 2b GrEStG. Danach wird Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit inländischem Grundbesitz auf neue Gesellschafter übergehen. Die Neuregelung entspricht im Wesentlichen § 1 Abs. 2a GrEStG, der Gesellschafterwechsel an grundbesitzenden Personengesellschaften erfasst. Ein sofortiger steuerfreier Erwerb aller Anteile unter Beteiligung eines Co-Investors ist damit bei Kapitalgesellschaften nicht mehr möglich. Die Konzernklausel (§ 6a GrEStG) gilt auch für Fälle des neuen § 1 Abs. 2b GrEStG; Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG sind jedoch weiterhin nur für Personengesellschaften anwendbar.

„Entschärfung“ durch Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG)

Eines von mehreren Problemen des geplanten § 1 Abs. 2b GrEStG war, dass die bisherigen Gesetzesentwürfe auch börsennotierte Kapitalgesellschaften erfasst haben. Für börsennotierte Gesellschaften ist es aber in der Regel unmöglich, Bewegungen im Gesellschafterbestand zu verfolgen. Entsprechend der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses wurde daher eine sog. Börsenklausel eingefügt. Danach werden an nach Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zugelassenen Börsen (oder äquivalenten EU/EWR/Dritthandelsplatz-Börsen) gelistete und gehandelte Aktien für die 90%-Schwelle sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Personengesellschaften (bei mittelbaren Anteilsbewegungen) nicht berücksichtigt (§ 1 Abs. 2c GrEStG). Anteilsübertragungen an der Börse sollen also zu keiner Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG führen.

Geänderte Bemessungsgrundlage bei Grundstücksverkäufen

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Grundsätzlich kommt bei Immobilientransaktionen der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage zur Anwendung. Durch eine Gestaltung im Nachgang von Share Deals kann durch Umwandlungsvorgänge eine Grunderwerbsteuerbelastung erheblich reduziert werden, wenn im ertragsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum die Gesellschaftsgrundstücke zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis veräußert werden. In diesen Fällen erfolgt keine Besteuerung nach anderen Steuerarten. Würden die Gesellschaftsgrundstücke ohne Veräußerung im Rahmen des Umwandlungsvorgangs übergehen, wäre Grunderwerbsteuer auf den Grundbesitzwert zu erheben. Die neue Vorschrift (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG) sieht in solchen Fällen eine Besteuerung nach dem Grundbesitzwert vor. Die Neuregelung wird auf die Fälle beschränkt, in denen Grundstücke im ertragsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum im Sinne von §§ 2, 20 Abs. 6 und § 24 Abs. 4 UmwStG veräußert werden.

Praxishinweis

Die Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer mit Anteilskäufen („Share Deals“) zu umgehen, wird durch die geplanten Verschärfungen erheblich erschwert.
Die Neuerungen gelten grundsätzlich erst für Erwerbe, die ab dem 01.07.2021 verwirklicht werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht der Vertragsschluss, sondern der dingliche Anteilsübergang (sog. Closing). Bei aktuell laufenden Transaktionen sollte also kurzfristig geprüft werden, ob Vertragsschluss und dinglicher Anteilsübergang noch vor dem 01.07.2021 umsetzbar sind. Bereits bestehende Gesellschaftsstrukturen und Geschäftsmodelle bzw. geplante Umstrukturierungen müssen zudem daraufhin überprüft werden, ob diese in der bisherigen Form noch fortgeführt bzw. durchgeführt werden können.
Zu beachten sind im Übrigen die zahlreichen und komplexen Übergangsregelungen, die der Gesetzentwurf vorsieht: So gelten einerseits Gesellschafter, deren 5-jährige Haltefrist vor dem 01.07.2021 abläuft, trotz der auf zehn Jahre verlängerten Frist auch künftig als Alt-Gesellschafter („Alt-Gesellschafter bleibt Alt-Gesellschafter“, § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG). Damit es durch die Absenkung der Beteiligungsschwelle nicht zu Besteuerungslücken kommt, gilt im Übrigen die aktuelle Rechtslage für bestimmte Konstellationen subsidiär weiter (§ 23 Abs. 20 Satz 1 GrEStG). Betroffen sind sog. Aufstockungsfälle, bei denen noch unter der aktuellen Rechtslage mind. 90% der Anteile übertragen werden und unter Geltung des neuen Rechts die (dann eigentlich nicht mehr geltende) 95%-Schwelle erreicht bzw. überschritten wird.

Zurück
Tobias Gabriel

Tobias Gabriel

T: +49 221 95 190-87
ZUM PROFIL