OLG Stuttgart zur Haftung in Fällen der Doppelkausalität

Dem Urteil des OLG Stuttgart vom 26.10.2021 – 10 U 336/20 – lag ein Fall der sog. Doppelkausalität zugrunde. Eine solche ist anzunehmen, wenn sowohl Fehler der auftraggeberseits veranlassten Planung als auch Ausführungsfehler des Unternehmers für einen Baumangel ursächlich sind und beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten. Nach der Entscheidung des OLG Stuttgart kann bei einer solchen Konstellation ein Mitverschuldenseinwand des Unternehmers nicht greifen, sodass diesen eine vollständige Haftung gegenüber dem Auftraggeber trifft.

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Ausführung der Rohbauarbeiten für die Errichtung von drei Wohnhäusern mit gemeinsamer Tiefgarage. Zusätzlich beauftragte sie einen Planer mit der notwendigen Tragwerksplanung. Nach Fertigstellung der Arbeiten traten Risse an der von der Beklagten errichteten Betondeckung der Tiefgaragenbodenplatte auf. Ein Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die vertraglich vorgegebene Dicke der Betondeckung teilweise um mehr als das Doppelte überschritten wurde. Zudem sei bei der Herstellung der Sauberkeitsschicht das vorgegebene Gefälle nicht eingehalten worden. Diese Abweichungen seien zumindest mitursächlich für die aufgetretenen Risse.

Die Klägerin klagt auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung gegen die Beklagte. Diese wendet ein, dass ein Planungsfehler vorgelegen habe und dieser dieselben Maßnahmen erforderlich mache, deren Kosten nun von ihr verlangt würden. Der Klägerin sei aufgrund der von ihr beauftragten Planung ein Mitverschulden zuzurechnen. Das Mitverschulden sei so hoch, dass es die Haftung der Beklagten gänzlich ausschließe.

Das Landgericht Ravensburg verurteilte die Beklagte zur vollständigen Haftung.

Entscheidung

Das OLG Stuttgart weist die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück.

Ob ein Planungsfehler des auftraggeberseits beauftragten Planers vorliege, bedürfe im Rechtsstreit keiner Klärung. Die Beklagte hafte für die Beseitigung der Schäden in vollem Umfang. Dies gelte unabhängig davon, ob Ausmaß und Umfang der Risse auch durch die geltend gemachten Planungsfehler (mit-)verursacht worden seien.

Von einer sogenannten Doppelkausalität sei auszugehen, wenn ein Schaden durch mehrere Umstände verursacht wird, von denen aber jeder für sich genommen ausreicht, den Schaden herbeizuführen.

Werde ein Mangel an einem Werk durch einen Planungsfehler des vom Auftraggeber beauftragten Planers und durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers verursacht, wobei beide Fehler für sich allein jeweils den ganzen Schaden verursacht hätten, läge ein ebensolcher Fall vor. Daher könnten ggf. bestehende Planungsfehler ohnehin nicht zu einer Beeinträchtigung des klägerischen Anspruchs führen.

Im Ergebnis könne ein Mitverschulden der Klägerin nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

Praxishinweis

Ein Auftraggeber, der Planungs- und Ausführungsleistungen separat beauftragt hat, ist bei unklarer Mangelursache gut beraten – ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – zu prüfen, worauf der Mangel im Einzelnen zurückzuführen ist. Bei Fällen der Doppelkausalität kommt eine Inanspruchnahme sowohl des Planers als auch des Bauunternehmers in Betracht, da grundsätzlich beide als Gesamtschuldner haften, d. h. jeder hat vollständig für den Mangel einzustehen.