OLG Schleswig: Baulicher Eingriff des Auftraggebers schließt Verzug des Auftragnehmers aus

Das OLG Schleswig urteilt in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 04.09.2020 , Az. 1 U 48/18), dass ein Auftragnehmer nicht in Verzug gerät, wenn der Auftraggeber vor Abnahme der Werkleistung wesentliche Veränderungen an einzelnen Gegenständen des Werks oder an dem Gesamtwerk vornimmt.

Sachverhalt

Die Beklagte wurde von dem Kläger mit der Errichtung einer Windkraftanlage beauftragt. Nachdem die Anlage teilweise aufgestellt worden war, montierte der Kläger unter Verwendung von bereits auf der Baustelle gelagerten Komponenten eigenmächtig eine Aufstiegsanlage samt Standkorb an der Windkraftanlage. Die Beklagte stellte daraufhin ihre Arbeiten unter Verweis auf die Anbauten ein. Während des Zeitraums der Arbeitseinstellung änderten sich nun jedoch die Anforderungen an den Netzanschluss: Es mussten neuerdings im Vertrag nicht erwähnte Wechselrichter angebracht werden. Der Kläger verlangte mit seiner Klage die Fertigstellung der Anlage einschließlich Wechselrichter und Ersatz der durch die verzögerte Fertigstellung entgangenen Einspeisevergütung.

Entscheidung

Die Klage wird vom OLG Schleswig zu weiten Teilen abgewiesen. Die Beklagte wird lediglich dazu verurteilt, die Windkraftanlage in der ursprünglich vereinbarten Form, mithin ohne Wechselrichter, herzustellen. Ein Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens wird mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Beklagte nicht im Verzug befunden habe. Die restliche Lieferung und Montage der Anlage durch die Beklagte sei aus Gründen unterblieben, die sie nicht zu vertreten habe. Bei einem Werkvertrag sei es letztlich Sache des Unternehmers, mit welchen Mitteln er den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführe. Der Besteller sei nicht befugt, ohne Zustimmung des Unternehmers oder eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung wesentliche Änderungen an einzelnen Gegenständen oder dem Gesamtwerk vorzunehmen. Wäre dies anders, hätte es der Bauherr in der Hand, ohne Einflussmöglichkeiten des Unternehmers zu verhindern, dass dieser den ursprünglich vertraglich geschuldeten Zustand herbeiführe, also das geschuldete Werk abliefere.

Daraus folgt: Die einzige Möglichkeit für den Kläger, den Verzug der Beklagten herbeizuführen, bestand darin, die von ihm angebrachte Aufstiegsanlage und den Standkorb wieder zu demontieren. Dies erfolgte in dem hier vorliegenden Fall tatsächlich auch. Der Kläger beging anschließend jedoch den Fehler, die Fertigstellung der geschuldeten Leistung samt Wechselrichtern zu verlangen. Da die neuen Anforderungen an den Netzanschluss jedoch während des Montagestopps in Kraft getreten waren, konnte der Kläger deren Umsetzung nicht verlangen. Die Leistungsaufforderung des Klägers lief dementsprechend ins Leere; die Beklagte konnte abermals nicht wirksam in Verzug gesetzt werden.

Fazit

Die vorliegende Entscheidung mag als Warnung davor dienen, die Fertigstellung einer beauftragten Werkleistung in die eigenen Hände zu nehmen. Sobald die Werkleistung des Unternehmers vor Durchführung der Abnahme verändert wird, kann der Besteller zahlreicher Rechte verlustig gehen. Als besonders unangenehme Folge droht ein Verlust des Anspruchs auf Ausführung des geschuldeten Werks nach den zum Zeitpunkt der Fertigstellung anerkannten Regeln der Technik, wenn sich diese nach dem Zeitpunkt des Eingriffs des Auftraggebers ändern.