NRW: Status quo im Kontext der Verabschiedung von Rechtsverordnungen für den angespannten Wohnungsmarkt nach § 201a BauGB sowie § 250 BauGB

Dem Vorbild anderer Bundesländer folgend, plant und realisiert nunmehr auch Nordrhein-Westfalen die Verabschiedung einer Rechtsverordnung zur Bestimmung von Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Die einzelnen hieraus resultierenden Rechtsfolgen sind insbesondere für Projektentwickler von gesteigertem Interesse.

Hintergrund und Systematik

Ausweislich des „Zukunftsvertrags für Nordrhein-Westfalen – Koalitionsvereinbarung von CDU und GRÜNEN 2022-2027“ (S. 116) ist avisiert, in Umsetzung des Baulandmobilisierungsgesetzes – nunmehr auch in NRW – Rechtsverordnungen zur Bestimmung von Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu erlassen. Andere Länder, wie Berlin, haben diesen Weg bereits vor einiger Zeit proaktiv eingeschlagen.

Systematisch und rechtlich zu unterscheiden sind in diesem Kontext aufgrund divergierender Rechtsfolgen Rechtsverordnungen auf Grundlage des § 201a BauGB einerseits bzw. auf Basis des § 250 BauGB anderseits. Das BauGB enthält zwei voneinander getrennte Rechtsgrundlagen zur Verabschiedung entsprechender Rechtsverordnungen. Die Gesetzesbegründung, aber auch der Gesetzeswortlaut, sind jedenfalls missverständlich insoweit ausgedrückt, als § 250 Abs. 1 BauGB tatbestandlich an das Vorliegen von Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a BauGB anknüpft.

Mit den einzelnen Rechtsverordnungen sind unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden. Rechtsverordnungen nach § 250 BauGB führen bei Bestandswohngebäuden im Falle der Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum u. U. zu einem Genehmigungserfordernis. Diese Rechtsfolge greift allerdings nicht bereits dann, wenn auf Grundlage von § 201a BauGB ein räumlicher Bereich zu einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt worden ist. Erforderlich ist vielmehr der Erlass einer Rechtsverordnung auf Basis des § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Rechtsverordnungen nach § 201a BauGB lösen hingegen die Rechtsfolgen von § 25 Abs. Satz 1 Nr. 3 (Begründung gemeindliches Vorkaufsrecht), § 31 Abs. 3 (Befreiungsmöglichkeit von den Festsetzungen des Bebauungsplans), § 175 Abs. 2 Satz 2 und § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB (Baugebote) aus.

Prognose

In Nordrhein-Westfalen ist nach derzeitigem Kenntnisstand – avisiert für den Beginn des nächsten Jahres 2023 – lediglich der Erlass einer Rechtsverordnung auf Grundlage des § 201a BauGB beabsichtigt. Nach der nunmehr abgeschlossenen Erstellung einer gutachterlichen Grundlage wird aktuell das Verordnungsverfahren in Gestalt der Beteiligung der Gemeinden eingeleitet. Eine solche Rechtsverordnung muss – anders als die nach § 250 BauGB – spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2026 außer Kraft treten.

Inhaltliche Ausprägung der Gebiete

In materieller Hinsicht erfordert ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn (1.) die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, (2.) die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, (3.) die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder (4.) geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Folgen für die Praxis

Mit den – speziell im Rahmen von Projektentwicklungen – mitunter besonders einschneidenden und problembehafteten Genehmigungsvorbehalten auf Grundlage solcher Rechtsverordnungen nach § 250 BauGB ist daher in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht zu rechnen.

Sollte sich dies ändern, werden insbesondere Projektentwickler mit einem problembewussten Auge planen und bestenfalls eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen müssen. Denn der Gesetzeswortlaut bietet durchaus Raum zur Interpretation und begründet hierdurch gewisse Unwägbarkeiten. Dies betrifft im Rahmen des Anwendungsbereichs etwa die genaue, letztlich umstrittene, Definition des „Bestandswohngebäudes“, aber auch die Frage, welche Auswirkungen ein vor Inkrafttreten der Rechtsverordnung vollständig gestellter Teilungsantrag beim Grundbuch hat, wenn der Teilungsvorgang erst nach Inkrafttreten der Verordnung durch Anlegung der Grundbuchblätter seinen Abschluss finden kann. Nach Ansicht des Kammergerichts Berlin werden derartige Fälle über eine analoge Anwendung von § 878 BGB dergestalt gelöst, dass eine Grundbuchsperre nicht besteht (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 02.12.2021, 1 W 384/21, juris). Individueller Prüfungsbedarf entsteht aber innerhalb des Anwendungsbereichs mitunter auch bei der Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 250 Abs. 3 BauGB.

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Yannick Joel Leber

Yannick Joel Leber

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