Neue Bauordnung NRW beschlossen

Am 12. Juli 2018 hat der nordrhein-westfälische Landtag das Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz beschlossen. Die dadurch geänderte, neue Bauordnung tritt (überwiegend) am 1. Januar 2019 in Kraft.

Sie hat vier große Ziele: Sie soll das Bauordnungsrecht vereinfachen, Baukosten reduzieren, Verfahren beschleunigen und den Rahmen für den dringend erforderlichen Wohnungsneubau verbessern.

Die Stimmenverteilung im Landtag zum Gesetzesbeschluss war uneinheitlich: CDU, FDP und AfD stimmten für das Gesetz, SPD und Grünen dagegen.

Mit der neuen Bauordnung gehen umfangreiche und teilweise grundlegende Änderungen einher. Dies zeigt sich bereits in der Neunummerierung der Paragraphen. Für die Bauherrinnen und Bauherren sowie die Bauordnungsbehörden entscheidende Neuerungen betreffen besonders die Themen Abstandsflächen, Stellplätze, Barrierefreiheit, Vollgeschosse, Brandschutz und Verfahren.

In der Praxis ist für die Bauherrinnen und Bauherren durch die Veränderungen hinsichtlich der Abstandsflächen und Vollgeschosse das Entstehen neuen Bauraums in den Innenstädten zu erwarten. Gleichzeitig ist für die Errichtung, Änderung und Erweiterung kommunaler Gebäude aufgrund neuer Anforderungen an die Barrierefreiheit mit der Entstehung von Mehrkosten zu rechnen. Für die Kommunen dürften die neuen Verfahrensregelungen bzgl. der Ablehnung von Bauanträgen Arbeitserleichterungen mit sich bringen.

Besonders hervorzuheben sind folgende Änderungen:

Abstandsflächen

In Zukunft sind geringere Abstände zwischen Wohngebäuden erlaubt. So setzt § 6 Abs. 5 BauO n. F. die Tiefe der Abstandsflächen von bisher 0,8 H auf 0,4 H herab. In Gewerbe- und Industriegebieten genügt nun statt der vorherigen Tiefe von 0,25 H eine solche von 0,2 H. Die Bauordnung trägt damit dem Grundsatz „Innen- vor Außenverdichtung“ Rechnung und stärkt die Nachverdichtungspotentiale in den nordrhein-westfälischen Ballungsräumen und Universitätsstädten.

Stellplätze

In Hinblick auf die Bestimmungen über Zahl, Größe und Beschaffenheit von Stellplätzen wird den Städten und Gemeinden durch den nun verabschiedeten Entwurf ein Satzungsrecht eingeräumt, vgl. §§ 48 Abs. 3, § 89 Abs. 1 Nr. 4 BauO n. F. Den Städten und Gemeinden wird hierdurch eine größere Flexibilität hinsichtlich der örtlichen spezifischen Gegebenheiten gewährt. Durch eine Vermeidung starrer Stellplatzregelungen können sie auf Veränderungen im Mobilitätsverhalten besser reagieren und eine mögliche Nachverdichtung erleichtern.

Barrierefreiheit

Durch die Neufassung des § 2 Abs. 10 BauO wird die Definition der „Barrierefreiheit“ der Musterbauordnung und dem Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen angepasst. Hierdurch sollen einheitliche soziale Standards gewährleistet werden. Entgegen der Bestrebungen der rot-grünen Vorgängerregierung sieht die neue Bauordnung keine Quote für barrierefreie Wohnungen in Neubauten vor. Jedoch verschärft § 49 Abs. 1 BauO die bereits jetzt bestehende Pflicht zur Barrierefreiheit für solche baulichen Anlagen, die öffentlich zugänglich sind. Nach der Neuregelung müssen nun alle öffentlich zugänglichen Anlagen in allen Teilen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Zuvor war die Pflicht zur Barrierefreiheit auf Bereiche des allgemeinen Besucherverkehrs begrenzt und nur für bestimmte Anlagen (z. B. Altenheime, Heime für Menschen mit Behinderungen) vollumfänglich gefordert.

Vollgeschosse

Mit der neuen Bauordnung wird in § 2 Abs. 6 BauO auch der Begriff des „Vollgeschosses“ verändert. Während die Mindesthöhe von 2,30 m bisher von Oberkante Fußboden bis Oberkante Fußboden der darüberliegenden Decke gemessen wurde, wird nun auf die lichte Höhe abgestellt und somit als obere Grenze auf die Unterkante der darüberliegenden Decke. Nach dem gesetzgeberischen Willen soll hiermit u. a. eine nachträgliche Wärmeisolierung erleichtert werden, ohne dass allein dadurch ein weiteres Vollgeschoss entsteht.

Zudem wird eine für alle Geschosse geltende Flächenregelung eingeführt, die davor – in anderer Form – nur für oberste Geschosse existierte. Ein Geschoss ist somit nur dann ein Vollgeschoss, wenn es die Höhe von 2,30 m über mehr als drei Viertel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses hat. Ein nach der BauO a. F. gefordertes allseitiges Zurückweichen der Außenwände im Fall des Staffelgeschosses wird nicht mehr verlangt. Den Bauherrinnen und Bauherren wird dadurch eine größere Planungsfreiheit ermöglicht.

Brandschutz

§ 2 Absatz 3 Satz 1 BauO n. F. enthält eine neue, Einteilung der Gebäude in Gebäudeklassen. Die besonderen Brandschutzanforderungen knüpfen die neuen Gebäudeklassen an. Die Brandschutzanforderungen lösen sich damit von der bisherigen Abstufung (im Wesentlichen) allein nach der Gebäudehöhe und richten sich nach einer Kombination dieses Kriteriums mit der Zahl und Größe von Nutzungseinheiten.

Verfahren

Mit § 71 Abs. 1 Bau O n. F. wird die Frist zur Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung durch die Bauaufsichtsbehörde von bisher einer Woche auf zwei Wochen verlängert. Bei Unvollständigkeit oder erheblichen Mängeln des Bauantrags ist die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr wie bisher zur Zurückweisung des Antrags angehalten. Vielmehr fingiert § 71 Abs. 1 Satz 3 BauO nun die Rücknahme des Bauantrags durch die Bauherrinnen und Bauherren, sofern die Mängel (nach Aufforderung durch die Behörde) nicht innerhalb einer angemessenen Frist behoben werden.

Autorin:
Rechtsanwältin Sara Boettger
Tel.: +49.221.95190-84
Fax: +49.221.95190-94
s.boettger@cbh.de