Nach Auszug des Mieters: Wann enden Verhandlungen über Schadensersatz?

Das Verweigern der Fortsetzung der Verhandlungen gemäß § 203 BGB setzt keine entsprechende ausdrückliche Erklärung voraus. Es gelten die allgemeinen Regeln für die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend. Der unmissverständlichen ohne weitere Einschränkungen erfolgten Anspruchszurückweisung kann ein Verweigern der Fortsetzung der Verhandlungen zu entnehmen sein. Dies entschied das Landgericht Münster mit Urteil vom 29. November 2019, Az. 8 O 224/18.

Der Fall

Zwischen klagendem Vermieter und beklagtem Mieter bestand ein Gewerberaummietvertrag, den der Mieter zum 31. August 2017 kündigte. Mitte Juli 2017 erfolgte eine Begehung des Objekts durch die Parteien, bei der sowohl Schäden als auch der Ausbau von Einrichtungsgegenständen besprochen wurden. Die Parteien trafen am 17. August 2017 eine Vereinbarung zur Rückgabe des Objekts und zur Abgeltung vermieterseitiger Ansprüche durch Zahlung eines Abgeltungsbetrags. Diesen Betrag zahlte der Mieter auch. Die Rückgabe des Mietobjekts an den Vermieter erfolgte am 01. September 2017. Am 19. Oktober 2017 bemerkte der Vermieter, dass der Mieter vertragswidrig die Alarmierungsanlage ausgebaut hatte. Auch stellte er Schäden an der Lüftungsanlage fest. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 forderte der Vermieter den Mieter unter Fristsetzung auf, eine Zusage für die Übernahme der Kosten für eine neue ELA-Anlage und für die Instandsetzung der Lüftung zu erklären. Unter dem 23. November 2017 stellte der Vermieter dem Mieter diverse Reparaturarbeiten in Rechnung. Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 teilte der Mieter mit, keine Veranlassung, insbesondere Verpflichtung“ zu sehen, weiteren Forderungen im Zusammenhang mit der Rückgabe der Mietsache nachzukommen. Es folgten mehrere Zahlungsaufforderungen des Vermieters unter Fristsetzung. Am 16. August 2018 reichte der Vermieter Klage ein. Der Mieter erhob die Einrede der Verjährung. Der Vermieter vertrat die Ansicht, die Klageforderung sei nicht verjährt, insbesondere sei es aufgrund laufender Verhandlungen zu einer Hemmung der Verjährung gekommen, wobei die Verhandlungen mangels eines „doppelten Neins“ auch nicht beendet worden seien.

Entscheidung des Landgerichts Münster

Das Landgericht Münster wies die Klage ab. Etwaige Ansprüche des Vermieters seien verjährt.  Die Verjährung habe mit Rückgabe des Objekts am 01. September 2017 zu laufen begonnen. Vom 23. Oktober 2017 bis 11. November 2018 sei die Verjährung aufgrund schwebender Verhandlungen über den Anspruch gehemmt gewesen. Bis zum Schreiben des Mieters vom 11. Januar 2018 habe der Vermieter davon ausgehen dürfen, dass sich der Mieter noch auf eine Erörterung über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen einlassen würde. Diese schwebenden Verhandlungen seien jedoch mit dem Schreiben des Mieters vom 11. Januar 2018 abgebrochen worden. Die darin enthaltene Erklärung des Mieters sei eindeutig und lasse keinen Raum für weitere Verhandlungen. Einer ausdrücklichen Ablehnung, sich im weiteren Verlauf auf eine erneute Prüfung einzulassen, habe es nicht bedurft. Dabei habe das Gericht auch nicht verkannt, dass nach einer teilweise vertretenen Auffassung eine Ablehnung weiterer Verhandlungen an ein „doppeltes Nein“ geknüpft sei – hiernach soll für einen Abbruch schwebender Vertragsverhandlungen nicht nur die eindeutige und endgültige Leistungsablehnung erforderlich sein, sondern zusätzlich ein eindeutiges und endgültiges Ablehnen weiterer Verhandlungen. Dem sei jedoch nicht zuzustimmen, denn § 203 BGB setze seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass der Schuldner weitere Verhandlungen „ausdrücklich“ ablehnt. Die ausdrückliche Ablehnung von weiteren Verhandlungen im Sinne eines „doppelten Neins“ sei im Geschäftsverkehr auch lebensfern. Vielmehr seien die Erklärungen der Parteien nach den allgemeinen Regeln aus dem objektiven Empfängerhorizont zu würdigen. Die unmissverständliche, ohne weitere Einschränkungen erfolgte Anspruchszurückweisung sei daher im Regelfall nicht bloß eine notwendige, sondern hinreichende Bedingung für die Annahme einer Verweigerung weiterer Verhandlungen.

Praxishinweis

Die mietrechtliche Verjährung für Ersatzansprüche des Vermieters greift schnell: Nur sechs Monate hat der Vermieter nach Rückerhalt der Mietsache Zeit, seine Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen des Mietobjekts durchzusetzen (§ 548 BGB). Schweben zwischen Vermieter und Mieter Verhandlungen über den vermieterseitigen Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Entscheidung des Landgerichts Münster zeigt, wie risikoträchtig die Prüfung, ob Verhandlungen über Ersatzansprüche des Vermieters bereits beendet sind oder nicht, sein kann. Bereits die unmissverständliche ohne weitere Einschränkungen erfolgte Anspruchszurückweisung kann für die Annahme einer Verweigerung weiterer Verhandlungen und ein damit einhergehendes Ende der Verjährungshemmung ausreichen. Vermieter sollten daher stets die kurze Verjährungsfrist hinsichtlich etwaiger Ersatzansprüche im Blick behalten, auch wenn nach Ende der Verhandlungen gemäß § 203 Satz 2 BGB eine besondere Ablaufhemmung eintritt, womit die Verjährung frühestens drei Monate nach Beendigung der eigentlichen Verjährungshemmung eintreten kann.